Von Klaus Pohlmann
Fast die Hälfte der Selbstständigen muss im Ruhestand beim Geld einen Gang zurückschalten: Für 45 Prozent tut sich eine finanzielle Lücke auf. Sie sind gezwungen, Abstriche zu machen und können den Lebensstandard nicht halten. So beschreibt HDI Deutschland die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung, die das Unternehmen beim Meinungsforschungsinstitut YouGov in Auftrag gegeben hat.
Befragt wurden insgesamt gut 1000 Rentnerinnen und Rentner in Deutschland zwischen 63 und 70 Jahren. Allerdings keineswegs nur Selbstständige: Sie machen rund zehn Prozent Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus, und sind entsprechend auch nicht nach weiteren Kriterien – Branche oder Unternehmensgröße etwa – unterschieden.
Die Studie nimmt außerdem Beamte und Beamtinnen – die in verschiedener Hinsicht als Gruppe ziemlich positiv abschneiden – und Angestellte, also jeweils abhängig Beschäftigte, in den Blick. Außerdem wird nach Altersversorgung von Frauen gefragt.
Dass nach den Befragungsergebnissen ein Drittel der ehemals Selbstständigen mit einer Netto-Rente von weniger als 700 Euro auskommen müssen, überrascht allerdings nicht und ist jedenfalls weniger bedenklich als andere Ergebnisse der Studie. Ausgewählt wurden Menschen, die eben den überwiegenden Teil ihres Erwerbslebens selbstständig – und damit nicht pflichtversichert – waren. Das heißt aber keineswegs, dass sie keine Vorsorge betrieben hätten.
Und das gilt genauso für die heute im Beruf stehenden. Darauf weist Dr. Andreas Lutz, Vorstandschef des Verbandes der Gründer und Selbstständigen (VGSD), nachdrücklich hin. Er kann sich dabei unter anderem auf Ergebnisse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) stützen. Das hatte bereits 2016 festgestellt, dass zwar weniger als die Hälfte der Selbständigen in der gesetzlichen Rentenkasse versichert sind. Das bedeute aber nicht, so das DIW, dass die meisten Selbstständigen deshalb auch finanziell unzureichend auf den Ruhestand vorbereitet seien: Standbeine fürs Alter bilden danach insbesondere Kapitallebensversicherungen, private Rentenversicherungen oder Vermögen, oft als Immobilien.
Unternehmensgröße ist ein Faktor
Selbst wenn der Datenstand der DIW-Studie gut zehn Jahre alt ist, sieht Andreas Lutz die Vorsorgebereitschaft heute genauso gegeben. Vor allem aber betont er, wie unterschiedlich die Situation bei jeder und jedem Einzelnen sind: Branche, Größe des Unternehmens, Dauer der Selbstständigkeit, aktuelle Lebensphase, Familienstand und anderes mehr. Auch darauf hatte schon die DIW-Studie hingewiesen und unter anderem zwischen Solo-Selbstständigen und Selbstständigen mit Beschäftigten unterschieden. Ebenso schränkt das DIW ein, dass weitere finanzielle Standbeine „im Haushalt“ vorhanden sind, also der Ruhestand finanziell in Lebenspartnerschaft insgesamt geschultert wird.
Im Rückblick mehr Vorsorge gewünscht
Die Frage der Altersvorsorge Selbstständiger ist damit ein höchst individuelles Thema. Aber, auch das kann man festhalten, es ist ein Thema, in jeder Hinsicht. Den wohl deutlichsten Hinweis liefert dieses Ergebnis der HDI-Umfrage: Rückblickend würden ziemlich genau zwei Drittel der ehemals Selbstständigen mehr vorsorgen, 44 Prozent sogar deutlich mehr. Ganz oben auf der Liste stehen dabei Lebens- oder Rentenversicherungen. Bei Wertpapieren sind die Empfehlungen an die nachfolgende Selbstständigen-Generation dabei weniger ausgeprägt als in anderen Berufsgruppen.
Bei der Vorsorge in der Vergangenheit etwas versäumt zu haben: Diese Erkenntnis ist vielleicht ein besonderes Warnsignal der Rentnerstudie. Und bei aller individuellen Vorsorgebereitschaft, die Andreas Lutz bei Selbstständigen sieht: Er wolle bestehende Probleme nicht kleinreden, so der Verbandschef. Auch bei den Existenzgründungsberatungen der IHK Hannover gehört das Thema Altersvorsorge immer dazu, erklärt Henning Schiel als zuständiger Referent. Gerade erst hat die FAZ einen Buchhändler porträtiert: Das Geld für den Ruhestand kommt aus verschiedenen Quellen und reicht für nicht ganz 20 Jahre – obwohl die Frage der Vorsorge waren des gesamten Berufslebens im Raum stand. Das passt zu den Ergebnissen der HDI-Rentnerumfrage, nach denen mehr als die Hälfte der ehemaligen Selbstständigen mit einem künftig sinkenden Lebensstandard rechnen.
Allerdings stellt sich auch immer die Frage nach den Möglichkeiten, überhaupt vorzusorgen. Etwa durch Einflüsse von außen. Andreas Lutz weist darauf hin, dass Selbstständige während Corona Reserven angreifen mussten, die eigentlich für später vorgesehen waren. Zumal die Pandemiehilfen insbesondere bei Solo-Selbstständige auch aus seiner Sicht oft nicht gegriffen haben. Hier werden aber mögliche Probleme erst in den kommenden Jahren sichtbar, zumal es noch keine belastbaren Zahlen zu den Folgen gibt.
Entscheidend ist dabei auch, zu welchem Zeitpunkt ihres Erwerbslebens Selbstständige in den Corona-Jahren nach 2020 waren. „Für einen Teil der Selbstständigen waren es zwei verlorene Jahre“, so Lutz. Diese müssten nun zwei Jahre länger arbeiten.
Keine Lösungen von der Stange
Aber es gilt: Je älter, desto schwieriger sind Rückschläge oder Versäumnisse aufzuholen. Allerdings gibt es selbst dann noch Möglichkeiten, heißt es etwa beim HDI Deutschland als Auftraggeber der Rentnerstudie: Wer im fortgeschrittenen Alter noch keinerlei Vorsorge für den Ruhestand getroffen hat, sollte versuchen, möglichst effizient vorzusorgen, indem steuerliche Vorteile in der dann nur noch kurzen Ansparphase genutzt werden, so die Empfehlung. Und Fabian von Löbbecke, im Vorstand der HDI Lebensversicherung AG, weist noch einmal auf die Notwendigkeit Individueller Vorsorge und Beratung hin: „Bei der Konzeption einer Unternehmerversorgung sollten keine Lösungen von der Stange gewählt werden. Hier ist es wichtig, die steuerlichen Rahmenbedingungen und persönlichen Bedürfnisse individuell zu prüfen.“
Und eine – immer wieder diskutierte – Pflichtversicherung für Selbstständige? Verbandschef Andreas Lutz ist dafür offen, fordert aber, dass zugleich die Beitragsbemessung gerechter gestaltet wird: „Selbstständige zahlen höhere Beiträge als Arbeitnehmer mit vergleichbarem Einkommen und deren Arbeitgeber zusammen. Die in der Kranken- und Pflegeversicherung zu viel bezahlten Beiträge fehlen für die Altersvorsorge.“