Auch Vasen können dem Designschutz unterliegen. Foto: Pixabay/Kaboompics

Reform des EU-Designrechts: Neue Ära für den Designschutz

18. Juni 2025 | von Jürgen Hahn

Am 1. Mai 2025 ist die erste Phase der umfassenden Reform des EU-Designrechts in Kraft getreten. Mit der neuen Verordnung über das Unionsgeschmacksmuster (Verordnung (EU) 2024/2822) und der Design-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2024/2823) reagiert die Europäische Union auf die Herausforderungen und Möglichkeiten der digitalen Welt. Die bisherigen Regelungen – die Verordnung (EG) Nr. 6/2002 und die Richtlinie 98/71 – werden grundlegend geändert bzw. neugefasst.

Drei-Phasen der Umsetzung

Das Unions-Gesetzespaket wird in drei Phasen eingeführt: 
•    Phase I: Seit dem 1. Mai 2025 gelten wesentliche Teile der Unionsgeschmacksmuster-Verordnung (UGMV)
•    Phase II: 1. Juli 2026 – Geltung sekundärer Rechtsvorschriften (Durchführungsverordnung, Delegierte Verordnung). 
•    Phase III: Bis zum 9. Dezember müssen die Mitgliedstaaten die Design-Richtlinie (Design-RL) in nationales Recht umsetzen. 

Neue Begrifflichkeiten und Terminologie

Analog zum Markenrecht wurde die Terminologie an den Wortlaut des Vertrags von Lissabon angepasst. Alle Bezugnahmen auf „Gemeinschaft“ werden durch „Europäische Union“ ersetzt. Aus der „Verordnung über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster“ wird die „Verordnung über das Unionsgeschmacksmuster“ (kurz: UGMV) und aus dem „Gemeinschaftsgeschmacksmuster“ wird das „Unionsgeschmacksmuster“. Ergänzt wird dies durch die Umbenennung des bisherigen Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichts in das Unionsgeschmacksmustergericht. Leider bleibt es in der deutschen Sprachfassung bei dem Begriff „Geschmacksmuster“, statt konsequent auf den Begriff „Design“ umzustellen, wie es schon in der Design-Richtline der Fall ist.  

Die wesentlichen inhaltlichen Änderungen

Der bisherige Schutzgegenstand von „Designs“ und „Erzeugnissen“ wird erweitert. Im Grundsatz bleibt es aber dabei, dass das Design die Erscheinungsformen eines Erzeugnisses oder eines Teils davon schützt. Diese manifestieren sich in Merkmalen wie Linien, Konturen, Farben, Gestalt, Oberflächenstruktur oder Werkstoffen des Erzeugnisses oder seiner Verzierungen. Auch grafische Symbole oder Logos sind als Erzeugnisse im Sinne des Designrechts anzusehen, so dass markenrechtlich geschützte Zeichen auch weiterhin designrechtlich geschützt werden können. 
Neu ist aber, dass nun auch Animationen geschützt werden. Unter Animation versteht man die schrittweise Veränderung der Geschmacksmustermerkmale, also die Bewegung als auch deren Übergänge.Zudem wird der Begriff „Erzeugnis“ erweitert und es wird klargestellt, dass auch nicht-physische Objekte, wie digitale Produkte und virtuelle Designs, geschützt sind. Computerprogramme bleiben jedoch vom Designschutz ausgeschlossen.

Rechtsdurchsetzung verbessert

Die Rechtsdurchsetzung bleibt im Wesentlichen unverändert. Der Umfang der durch ein Geschmacksmuster verliehenen Rechts erstreckt sich jetzt auf den 3D-Druck. Der Gesetzgeber hat hier eine Schutzlücke geschlossen und die Verbotsrechte aus dem geschützten Design erweitert. Das Erstellen, Herunterladen, Kopieren, Teilen oder Verbreiten sämtlicher Medien und Software, auf denen das Geschmacksmuster aufgezeichnet wird, an Dritte, stellt eine rechtsverletzende Benutzung eines Geschmacksmusters dar. Damit können die Schutzrechtsinhaber zum Beispiel auch vorbereitende Handlungen verbieten. Handlungen im privaten Bereich zu nichtgewerblichen Zwecken bleiben aber erlaubt. Aufgrund einer gleichlautenden Regelung in der Design-RL müssen die Mitgliedstaaten dies entsprechend in innerstaatliches Recht umsetzen.

Neu ist auch eine verbesserte Transitregelung mit einer Stärkung der Zollbehörden. Wie schon im Markenrecht können Schutzrechtsinhaber nicht nur die Einfuhr in die EU, sondern auch die bloße Durchfuhr von gefälschten Designprodukten unterbinden lassen.  

Gleichzeitig gibt es neue Beschränkungen: Rechte aus einem Unionsgeschmacksmuster können nicht geltend gemacht werden, wenn Handlungen vorgenommen werden, um ein Erzeugnis als das des Rechteinhabers zu identifizieren. Damit soll die Interoperabilität der Waren ermöglicht werden. Das Kommentieren, Kritisieren oder Parodieren bleiben zum Schutz der Meinungsfreiheit ausdrücklich zulässig. 

Dauerhafte Reparaturklausel

Die Übergangsklausel der Reparaturklausel wird zu einer dauerhaften Bestimmung (Artikel 20a UGMV bzw. Art. 19 Design-RL). Ersatzteile zur Reparatur komplexer Produkte wie Fahrzeugen sind nicht mehr geschützt, wenn sie zur Wiederherstellung des ursprünglichen Erscheinungsbilds dienen. Dies gilt aber nur, wenn es sich um sog. formgebende Bauteile wie z. B. Kotflügel eines Kfz handelt. Damit wird die EuGH-Rechtsprechung, die die Reparaturklausel auch auf die Reparatur nicht formgebender Bauteile ausgeweitet hatte, wieder zurückgeführt. Der Ersatzteil-Hersteller oder der Verkäufer des Bauteils muss den Verbraucher klar und eindeutig über den gewerblichen Ursprung und die Identität als Ersatzteil-Hersteller des Bauteils informieren. Anderenfalls können sich der Ersatzteil-Hersteller oder Verkäufer nicht auf die Reparaturklausel berufen. Verbraucher sollen sich bewusst entscheiden, ob sie zur Reparatur ein Originalersatzteil oder ein konkurrierendes Erzeugnis verwenden wollen.

Einführung einer Geschmacksmusterkennzeichnung

Ab Mai 2025 können Inhaber eines eingetragenen nationalen Designs oder eines eingetragenen Unionsgeschmacksmusters ihre Produkte mit einem Design Notice kennzeichnen – ein „D“ im Kreis, das den rechtlichen Schutz des Designs anzeigt und Dritte besser für den Designschutz sensibilisieren soll. Dem Hinweis kann die Eintragungsnummer des Geschmacksmusters hinzugefügt werden oder er kann mit der Eintragung in das Register verlinkt werden. Man darf gespannt sein, ob das neue Symbol eine ebenso große Beliebtheit erlangt, wie das im Markenrecht verbreitete ®.

Einreichung und Prüfung

Die Reform bringt weitreichende Änderungen im praktischen Verfahren der Anmeldung und Prüfung von Geschmacksmustern mit sich: Alle Anmeldungen eines Unionsgeschmacksmusters müssen zentral über das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) erfolgen. Eine Anmeldung bei nationalen Ämtern, das heißt etwa beim Deutschen Patent- und Markenamt ist nicht mehr möglich. Auch das „Erfordernis der Einheitlichkeit der Klasse“ entfällt, so dass eine größere Vielfalt von Geschmacksmustern in einer einzigen Anmeldung ermöglicht wird (das heißt mehrere Designs in einer Anmeldung unabhängig von der Klassifikation). Pro Anmeldung können maximal 50 Geschmacksmuster angemeldet werden und der Anmeldetag wird erst mit Zahlung der Gebühr festgelegt.

Geschützt sind übrigens nur Designmerkmale, die in der Anmeldung exakt wiedergegeben sind. Anmelderinnen und Anmelder müssen diesen Umstand besonders im Blick haben.

Anspruch und Eigentumswechsel

Die Reform nimmt auch eine wichtige Klarstellung in Bezug auf die Inhaberschaft vor. Die rechtmäßigen Inhaber können direkt einen Antrag auf Inhaberwechsel einreichen, ohne den Umweg über die Nichtigerklärung eines Geschmacksmusters gehen zu müssen. Diese Maßnahme stärkt die Rechte der Inhaber und sorgt für mehr Rechtssicherheit. 

Gebührenstruktur

Die Gebührenstruktur wird mit der Anlage I der UGMV neugestaltet: Es wird eine einheitliche Anmeldegebühr eingeführt, die die bisherigen Eintragungs- und Bekanntmachungsgebühren zusammenfasst. Leider haben sich die Verlängerungsgebühren, die gestaffelt sind, erhöht. Der Rechteinhaber kann die Eintragung um einen oder mehrere 5-Jahres-Zeiträume bis maximal 25 Jahre verlängern. 

Fazit

Die EU-Geschmacksmusterrechtsreform stellt einen wesentlichen Schritt zur Modernisierung, Harmonisierung und Stärkung des Geschmacksmusterschutzes in der EU dar. Positiv ist auch, dass das nationale Designrecht stärker an das Unionsgeschmacksmusterrecht angelehnt und harmonisiert wird. Die Reform verbessert also die Rechtssicherheit und stärkt die Stellung der Rechteinhaber.

Für Rechteinhaber ergibt sich Handlungsbedarf:
•    Interne Dokumente und Verträge sollten an die neue Terminologie angepasst werden (zum Beispiel „Unionsgeschmacksmuster“ statt „Gemeinschaftsgeschmacksmuster)
•    Bestehende Designs sollten auf Erweiterungsmöglichkeiten für digitale oder animierte Elemente geprüft werden, die zusätzlich geschützt werden können
•    Kennzeichnung mit der Design Notice, Symbol „D“ im Kreis
•    Ersatzteilstrategie anpassen; überprüfen, ob Ersatzteile unter die neue Reparaturklausel fallen (formgebend oder nicht)
•    Anpassung Lizenz- und Vertriebsverträge
•    nationale Umsetzung der Design-RL verfolgen