
Forschende aus den USA: Sie kommen nicht einfach so
06. Oktober 2025US-Forschende für Deutschland gewinnen? Kein Selbstläufer, sagt Dr. Georg Schütte, Vorstand der Volkswagenstiftung. Dazu muss die deutsche Hochschullandschaft genug Anziehungskraft entwickeln: “Wer aus Harvard kommt, erwartet Gestaltungsfreiheit.” Schütte fordert einen Schulterschluss, um die notwendige Attraktivität zu erreichen.
"Verfolgt man die Schlagzeilen, könnte man meinen: Die US-Wissenschaft erlebt einen Exodus, und Europa müsse nur die Tore öffnen, um Spitzenforschende in die Arme zu schließen. Das „1000-Köpfe-Programm“ der Bundesregierung verstärkt diesen Eindruck. Doch nach meiner kürzlichen Reise in die USA und vielen Gesprächen dort stelle ich fest: Von Panik ist das amerikanische Wissenschaftssystem weit entfernt – und Deutschland muss hart an sich arbeiten, um attraktiv zu sein und zu bleiben.
Bei der GAIN-Tagung in Boston, wo deutsche Einrichtungen um wechselwillige Forscherinnen und Forscher warben, herrschte keineswegs Endzeitstimmung. Gewiss, Wissenschaftler ohne US-Pass stehen unter Druck. Post-Docs, deren Projekte nicht mehr gefördert werden, erleben einen Karriereknick. Aber zumal für Spitzenforschende ist Deutschland nur in Einzelfällen ein attraktives Ziel.
Warum? Die Visa-Vergabe verläuft schleppend. Gut ausgestattete Professuren sind rar, Mittelbaustellen unsicher, Berufungsverfahren zu langsam. Das Rückgrat unserer Forschungslandschaft, die Universitäten, können zwar inzwischen ins „headhunting“ einsteigen. Aber: Wer aus Harvard kommt, erwartet Gestaltungsfreiheit – und findet in Deutschland zu oft Verwaltungsschleifen.
Auch erwähnenswert: Etwa die Hälfte der Grundlagenforschung wird in den USA privat finanziert, nicht zuletzt von den großen Tech-Firmen und deren Stiftungen. Damit bietet sich vielen Forschenden eine berufliche Alternative außerhalb der Universitäten. In Deutschland trennen wir strikt zwischen „akademisch“ und „industriell“.
Was also tun? Ich plädiere dafür, neben Werbekampagnen für internationale Postdocs, die in den USA keine Forschungsmöglichkeit mehr finden, die transatlantischen Verbindungen zu stärken. Bei der VolkswagenStiftung werden wir das 2026 mit einem neuen Förderangebot tun: den „Transatlantischen Brückenprofessuren“; Fellowships für Professorinnen und Professoren der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften in den USA, die sowohl dort wie in Deutschland forschen und lehren wollen.
Enger Schulterschluss, davon bin ich überzeugt, bringt für beide Seiten den meisten Nutzen. Solidarität ist das Gebot der Stunde."

Dr. Georg Schütte steht seit 2020 an der Spitze der Volkswagenstiftung. Die Stiftung mit Sitz in Hannover ist Deutschlands größte private, gemeinnützige Fördereinrichtung für die Wissenschaft und unterstützt Forschung in allen Bereichen. Zuvor war er Staatssekretär im Bundesforschungsministerium. Er arbeitet in einer Reihe von Gremien mit und ist einer der erfahrensten Wissenschaftsmanager in Deutschland. (pm)