Gruppe von Personen bei einem Treffen zur Verwaltungsdigitalisierung vor dem Dublin Inn in Hannover Sie wollen die Digitalisierung des Landes vorantreiben - und mittendrin die neue Digital-Staatssekretärin Anke Pörksen (4.v.l.). Foto: Pohlmann

Verwaltungsdigitalisierung: Chance auf mehr Tempo

03. September 2025 | von Klaus Pohlmann

Der Druck ist hoch, die Unternehmen sind unzufrieden mit dem Stand der Verwaltungsdigitalisierung. Die Wirtschaft hatte das Thema auf den Digitalkongress Horizons by Heise gebracht. In die Diskussion schaltete sich auch ein Überraschungsgast ein.

 

Und dann war Anke Pörksen doch auf dem Podium. Eigentlich war die frischgebackene Staatssekretärin für Digitalisierung, seit anderthalb Tagen im Amt, zum Zuhören gekommen: IHK Niedersachen und die Unternehmerverbände hatten das Thema Verwaltungsdigitalisierung auf die Kongressveranstaltung Horizons by Heise gebracht. Und für eine digitalere, schlankere Verwaltung wird es höchste Zeit: „Der Frust bei den Unternehmen ist groß“, hatte Michael Wilkens von der IHK Lüneburg-Wolfsburg zu Beginn der Veranstaltung  gesagt. Pörksen nahm den Druck an: „Es wird so nicht weitergehen“, sagte sie. Was ebenso eine Ankündigung wie eine Feststellung ist: Es kann so nicht weitergehen.

Digitalisierung ins Kabinett bringen

Möglichst schnell und pragmatisch wolle sie vorgehen, erklärte Pörksen: „Wir haben nicht noch drei bis vier Jahre Zeit.“ Nach ihren Worten soll es künftig ein Digitalkabinett geben, dass regelmäßig im Abstand einiger Wochen zusammenkommt. Bei diesen Sitzungen könnte dann jeweils ein Digitalisierungsthema im Mittelpunkt stehen.  Außerdem will sie sich bei Lösungen bedienen, die es in anderen Bundesländern schon gibt: „Keine Sonderlocken für Niedersachsen, nur um 120 Prozent zu erreichen.“  

In Pörksens neuer Funktion werden die Digitalisierungsanstrengungen des Landes gebündelt. Beim Horizons-Kongress hatte auch Wirtschaftsminister Grant Hendrik Tonne diesen Schritt begrüßt. Dr. Horst Baier, IT-Bevollmächtigter des Landes, sieht mit der neuen Staatssekretärin das politische Gewicht der Digitalisierung gestärkt. Hinzu kommt eine personelle Aufstockung durch das fünfköpfige Team von Dr. Alexander Georgiadis, das bislang in der Staatskanzlei angesiedelt ist. Pörksen ist Staatssekretärin im Innenministerium.

Große Aufgaben - und nicht nur KI

Es drängt aber nicht nur die Zeit, auch die Aufgaben sind einigermaßen gewaltig. Künstliche Intelligenz – in der Verwaltung ist zumindest Copilot eingeführt, sagte der IT-Bevollmächtigte Baier – ist ein Thema. Die Möglichkeiten gehen aber weit darüber hinaus: Victoria Büchting vom IT-Dienstleistungsunternehmen Adesso stellte eine Lösung vor, bei der KI die E-Mails in Funktionsfächern der Gesetzlichen Krankenversicherung analysiert und zuordnet.

Ein großes Thema im öffentlichen Bereich gerade jetzt in unsicheren Zeiten: Cloud-Lösungen vor dem Hintergrund der Datensouveränität. Ein weiteres: Vereinheitlichung. Bei der IT gleicht keine Kommune der anderen, das gilt nicht anders auf der regionalen Ebene und bis zu den Landesverwaltungen. So Baier.  

Christian Grascha, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Hannover, ist jedenfalls optimistisch, dass die Digitalisierung in Niedersachsen deutlich Fahrt aufnehmen wird. Das ist auch dringend erforderlich, denn Unternehmen haben etwa 200 Kontakte mit der Verwaltung pro Jahr, machte Grascha auf dem Horizons-Podium deutlich. Konkret forderte er eine Once-only-Lösung: Grundlegende Daten, die Unternehmen einmal in der öffentlichen Verwaltung hinterlegt haben, sollten auch von anderen Behörden genutzt und nicht erneut angegeben werden müssen.

Ein Portal vom Anfang bis zum Ende

Dr. Axel Ebers, Abteilungsleiter Digitalpolitik bei den Unternehmerverbänden Niedersachsen, weitete die Anforderungen der Wirtschaft noch aus. Verwaltungsdigitalisierung müsse einhergehen mit einer grundlegenden Staatsmodernisierung, so Ebers. Heißt: Nicht nur Bürokratie digital vereinfachen, sondern Prozesse schlanker machen oder am besten vermeiden. Eine Position, die auch von den niedersächsischen Industrie- und Handelskammern geteilt wird, machte Christian Grascha deutlich. Die Vision: Ein Portal, auf dem Unternehmen alle behördlichen Vorgänge abwickeln können, von der Gründung bis zum Ende.

Interessanterweise liegt das nicht weit weg von den grundlegenden Vorstellungen der Digitalisierungsfachleute des Landes. Horst Baier etwa hat durchaus Dänemark oder Singapur als Wegmarken im Blick – Länder, die es den Menschen dort „möglichst einfach machen, dort zu leben.“ Den Druck aus der Wirtschaft bezeichnete Baier auf diesem Weg ausdrücklich als hilfreich.

Höherer Handlungsdruck und bessere Anreize

Der ist aber auch nötig. Dr. Peter Daiser, Professor am Niedersächsischen Studieninstitut und damit an der Verwaltungshochschule des Landes, brachte es auf den Punkt. „Wir wollen alle eine schlanke Verwaltung – seit 30 Jahren.“ Fehlender Handlungsdruck innerhalb der Verwaltung und zu wenig Anreize gerade für leitende Mitarbeitende sieht er als wesentliche Hemmnisse. Daran müsse gearbeitet werden. Zu Recht, das machte Daiser deutlich, habe der Mensch in den Digitalisierungsplänen des Landes seit 2005 eine immer höhere Bedeutung bekommen.

Wobei es genau daran fehlen könnte. Gerade in kleinen Kommunen ist das Personal knapp. Peter Daiser: „Etwa 90 Prozent haben weniger als 30.000 Einwohner, die schaffen es nicht aus eigener Kraft.“ Immerhin, und das ist eine gute Botschaft: Horst Baier als IT-Experte des Landes sieht Niedersachsen für diese Aufgaben derzeit finanziell gut aufgestellt.