Foto: Julius Schien
Julius Schien mit VGH-Fotopreis ausgezeichnet
05. Dezember 2025 | von Barbara DörmerFoto: 31. Oktober 2012. Die 44-jährige Sexworkerin Andrea B. begleitet den damals 25-jährigen Täter in seine Wohnung im Süden Hannovers. Dort angekommen, macht sie sich über Nazisymbole in der Wohnung und die rechtsextreme Gesinnung des 25-Jährigen lustig. Daraufhin tötet der Täter Andrea B. auf brutale Weise mit einer Machete. Die Leiche verpackt er in Plastiksäcke und wirft diese in den Maschsee. Die sterblichen Überreste werden am Morgen von Passanten entdeckt. Eine rechte Gesinnung wird nicht anerkannt.
Der Fotografie-Student Julius Schien wurde am 3. Dezember für sein Projekt „Rechtes Land“ mit dem VGH-Fotopreis ausgezeichnet. Seine Arbeit sowie die der Finalistinnen und Finalisten des Wettbewerbs sind bis zum 11. Januar in der Galerie für Fotografie (GAF) in Hannover zu sehen.
Seit der deutschen Wiedervereinigung starben in Deutschland über 200 Menschen durch rechte Gewalt. Konfrontiert mit der anhaltenden Präsenz von Rechtsextremismus in Deutschland, hat Julius Schien, Student der Hochschule Hannover, begonnen, alle Tatorte rechter Gewalt zu dokumentieren. Er legt mit „Rechtes Land“ einen bisher einzigartigen visuellen Katalog dieser Tatorte vor. Seine fotografische Arbeit rückt die Orte, an denen die Taten stattgefunden haben, wie leere Bühnen in den Vordergrund. Die menschenleeren Großformatfotografien werden von Texten und Dokumentationsmaterialien begleitet, die die Geschichten von mittlerweile mehr als 200 Schicksalen erzählen. „Das wachsende Archiv dient als eindringlicher Index rechtsextremer Gewalt und fordert uns auf, zu erinnern, zu reflektieren und Widerstand zu leisten. In die Zukunft zu blicken bedeutet, seine Vergangenheit anzuerkennen – und ein Zeichen gegen Hass zu setzen“, so Julius Schien (*1992).

„Die Idee, einen visuellen Katalog aller Tatorte rechtsextremer Verbrechen der Nachwendezeit in Deutschland zu erstellen, haben uns ebenso wie Julius Schiens visuelle Umsetzung absolut überzeugt. Die abgebildeten Straßenecken oder Uferpromenaden kommen uns bekannt vor. Sie stehen für die Banalität des Bösen, denn wir verstehen: Es könnte jeden an jedem Ort treffen“, resümiert Jurymitglied Barbara Stauss (Studio Stauss und Reporter ohne Grenzen) den Entscheidungsprozess. Weitere Jurymitglieder waren Henner Flohr, Leiter der F.A.Z.-Bildredaktion; Lara Huck, Bildredaktion DIE ZEIT; Nicole Neumann, Bildredaktion Der Spiegel; Guido Schmidtke, Senior Photo Editor Stern; Hannah Schuh, Visual Director Art– Das Kunstmagazin und Alexandra Bartsch für die VGH.
Der mit 10.000 Euro dotierte Fotopreis ist bundesweit eine der höchstdotierten Auszeichnungen im Bereich Fotografie. Mit ihrer exklusiven Förderung unterstützen die VGH Versicherungen den Studiengang „Visual Journalism and Documentary Photography“ der Hochschule Hannover. Ausgehend von den Medien Fotografie und Video vermittelt der Studiengang multidisziplinäre visuelle Kompetenzen. Im Fokus dabei stehen journalistische und dokumentarische Erzählweisen.
Erstmalig wurde parallel zum VGH-Fotopreis der mit 2000 Euro dotierte VGH-Förderpreis vergeben. Sieger ist Serghei Duve, der mit seiner begonnenen Arbeit über die Stadt Wolfsburg überzeugte. Ferner erhielten die Finalistinnen und Finalisten des Juryprozesses Armina Ahmadinia, Noemi Ehrat, Markus Heft und Jasper Hill eine lobende Erwähnung.
Preisträger VGH Fotopreis
Julius Schien: Rechtes Land
Der in Hannover lebende Fotograf sucht in seiner Fotografie vor allem nach Antworten auf die Frage, was es bedeutet, sich im 21. Jahrhundert mit dem politischen Erbe Deutschlands und der rechten Kontinuität des Landes auseinanderzusetzen. Dabei zielt er darauf ab, längst vergessene Geschichten rechter Gewalt, die unter der Oberfläche der Alltäglichkeit liegen, in nüchtern anmutenden Landschafts- und Stadtportraits herauszuarbeiten. Seine Arbeiten entstehen auf analogem Großformat. Julius Schien ist ausgewählter Künstler der Triennale der Photographie in Hamburg für die europäische Fotografierenden-Plattform Futures.
Preisträger VGH-Förderpreis
Serghei Duve: Industriestadt
Finalistinnen/Finalisten
Armina Ahmadinia: Mein Haus ist wolkig
Noemi Ehrat: The Abortion Plot
Markus Heft: Für uns geträumt
Jasper Hill: Im Land der weißen Berge
Die Preisträgerarbeit sowie die Arbeiten der Finalistinnen und Finalisten sind bis 11. Januar in der GAF Galerie für Fotografie (Seilerstraße 15d, 30171 Hannover) zu sehen; die Galerie ist donnerstags bis sonntags von 12 bis 18 Uhr geöffnet
