Bereit für den Ernstfall
30. September 2025 | von Georg Thomas und Hannes OswaldDie IHK Hannover fordert die stärkere Einbindung der Wirtschaft in sicherheitspolitische Überlegungen und verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen in die Krisenfestigkeit von Unternehmen.
Im September trafen sich die Regierungschefs von China, Russland und Nordkorea zu Feierlichkeiten, um an das Ende des Zweiten Weltkriegs in Asien zu erinnern. Europa und die USA waren dabei nur Zuschauer. Eine Momentaufnahme, die Fragen aufwirft über die globalen Kräfteverhältnisse, veränderte Bündnisse und den Umgang mit Kriegen und vermeintlich neuen Realitäten. Die IHK-Region scheint weit weg von diesen neuen Entwicklungen auf der Weltbühne - und ist dann doch wieder nah dran, als ein paar Tage später russische Drohnen über Polen abgeschossen werden.
In diesen veränderten Zeiten hat die Vollversammlung der IHK Hannover Anfang September ihre Standpunkte zum Thema „Sicherheit und Resilienz“ beschlossen. Die Auswirkungen der neuen Weltlage sind für die Unternehmen vor Ort längst zu spüren. Deshalb hat sich die Wirtschaft in diesen Standpunkten mit ihren Forderungen klar positioniert.
„In der sicherheitspolitischen Zeitenwende braucht es neben dem Ausbau militärischer Fähigkeiten auch eine starke und resiliente Wirtschaft“, betont Gerhard Oppermann, Präsident der IHK Hannover. „Unsere Betriebe müssen in der Lage sein, auch unter erschwerten Bedingungen handlungsfähig zu bleiben. Dafür braucht es politische Unterstützung, klare Zuständigkeiten und gezielte Förderinstrumente.“
Auf Landesebene scheinen die Forderungen Gehör zu finden. So hat Niedersachsens Ministerpräsident Olaf Lies im September erstmals zum Sicherheitspolitischen Dialog Niedersachsen nach Hannover eingeladen. Rund 80 Teilnehmende aus Verbänden und Institutionen brachten sich mit ihren Vorstellungen ein, darunter auch IHK-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt. Die Ergebnisse sollen nun in neun Untergruppen thematisch vertieft werden, bevor es in sechs Monaten ein weiteres Treffen geben soll. Lies bezeichnete das Treffen als einen guten „Anfang“, um den „Menschen in unserem Land mit Gewissheit und Führung Sicherheit zu geben.“ Man arbeite nun weiter an Abläufen und klaren Regeln, die im Ernstfall zu befolgen wären. „Die größte Gefahr läge in der Verunsicherung“, sagte der Ministerpräsident bei der Veranstaltung.
Unternehmen sehen sich zunehmend mit der Aufgabe konfrontiert, sicherheitsrelevante Risiken zu erkennen, zu bewerten und in ihre strategische Planung einzubeziehen. Sie geraten verstärkt in feindliches Visier – etwa durch Cyberangriffe, Sabotage oder Spionage. Laut einer aktuellen Analyse des Digitalverbands Bitkom sind bereits vier von fünf Unternehmen von solchen Angriffen betroffen gewesen.
Von der Wirtschaft wird erwartet, im Spannungs- oder Verteidigungsfall zentrale Versorgungs- und Unterstützungsleistungen bereitzustellen. So müsste die zivil-gewerbliche Wirtschaft im Krisenfall beispielsweise Fahrzeuge an die Streitkräfte abgeben und Instandsetzungsarbeiten erbringen. Die IHK-Region wäre nicht nur mit dem Großraum Hannover als wichtiges norddeutsches Verkehrsdrehkreuz hierbei besonders betroffen.
Die IHK Hannover sieht in der sicherheitspolitischen Zeitenwende aber auch wirtschaftliche Aspekte: „Die Nachfrage nach sicherheitsrelevanten Technologien und Dienstleistungen wird steigen. Für die Unternehmen aus unserem Wirtschaftsraum – auch für solche, die bislang noch nicht in diesem Sektor tätig sind – besteht die Chance, hier eine maßgebliche Rolle einzunehmen“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt.
Aber die Wirtschaft formuliert auch klare Wünsche an die Politik. So muss der Austausch auf Landesebene fortgesetzt werden, in dem die Zuständigkeiten der relevanten Einrichtungen wie Polizei, Zivilschutz, Bundeswehr und Unternehmen im Krisenfall eindeutig geklärt und getestet werden. Zudem müssen Investitionen in Brücken, Straßen und Schienenwege zügig vorangebracht werden, denn von der sanierten Infrastruktur profitieren letztlich auch die Unternehmen. Ebenso wichtig ist, dass verteidigungswichtige Produkte schnell und unbürokratisch beschafft werden können. Ergänzend müssen Finanzierungsmöglichkeiten für Verteidigungsinvestitionen sowie für Investitionen in die betriebliche Resilienz verbessert werden. Sicherheit als Nachhaltigkeitskriterium darf dabei nicht fälschlicherweise als Risiko oder Ausschlussgrund gewertet werden.
IHK als Mittlerin
Die IHK versteht sich als Mittlerin zwischen Wirtschaft, Staat und Gesellschaft. Sie informiert ihre Mitgliedsunternehmen über sicherheitspolitische Risiken, bietet praxisnahe Unterstützung bei der Notfallplanung und bringt wirtschaftliche Interessen in politische Prozesse ein. Im Krisen- oder Verteidigungsfall übernimmt sie gesetzlich vorgesehene Mitwirkungsaufgaben.
Der gesamte IHK-Standpunkt „Sicherheit und Resilienz“ kann auf der IHK-Website abgerufen werden:
www.hannover.ihk.de/ihk_standpunkte
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