
Künstliche Intelligenz auf breiter industrieller Basis
10. April 2025Weltweit fließen riesige Summen in die KI. Schließlich, so die Überzeugung, wird Künstliche Intelligenz Produkte und Produkion, Geschäftsmodelle, die Wirtschaft insgesamt grundlegend verändert. Und Niedersachsen? Es bietet sich ein vielfältiges Bild - Forschung, Förderung, Einsatz.
Wenn jemand dermaßen laut auf die Trommel haut, kann man kaum anders als zuhören: Zu den ersten Paukenschlägen von Donald Trump als Präsident gehörte die Ankündigung, dass in den USA 500 Mrd. Dollar in die KI-Infrastruktur fließen sollen. Die amerikanischen Tech-Riesen investieren ohnehin dreistellige Milliardenbeträge in Künstliche Intelligenz. Ein gewisses Echo kam aus Frankreich, als Präsident Emmanuel Macron dafür 100 Mrd. Euro privater KI-Investitionen in den Ring warf. Die EU hat jetzt 20 Mrd. Euro unter anderem für die KI-Infrastruktur angekündigt. Allerdings: Das chinesische Start-up DeepSeek hat auch mit dieser Botschaft überrascht: KI-Entwicklung, in dem Fall ein ChatGPT-Konkurrent, geht auch ohne viel Geld. Aber niemals ohne Ideen.
So oder so: Das Rennen um die großen Sprachmodelle – Large Language Model oder kurz LLM – läuft. Manche sagen: Es ist entschieden. Ohne Europa. Aber man denke An DeepSeek.
Bei den KI-Investitionen geht es aber auch Rechenkapazitäten und Energieversorgung. Längst liegt nach dem Getöse in den ersten Wochen des Jahres nicht alles auf dem Tisch. Aber schon die damals verkündeten Zahlen sind gewaltig.
Im Rahmen des Milliardenpakets für die deutsche Infrastruktur wurde allenfalls am Rande über KI diskutiert. Im Koalitionsvertrag der vermutlich neuen Bundesregierung taucht KI-Förderung auf. Aber trotzdem: Hinkt Deutschland mehr und mehr hinterher? Und was ist mit Niedersachsen?
Zwar wurde im Rahmen des Projekts OpenGPT-X Ende vergangenen Jahres ein europäisches KI-Sprachmodel veröffentlicht. Und Jonas Andrulis, der nach wie vor mit seinem Heidelberger KI-Startup Aleph Alpha als Bundeshoffnungsträger gilt und bei dessen jüngster Finanzierungsrunde 2023 immerhin 500 Mio. Euro im Raum standen, fordert auch weiter Anstrengungen in diesem Bereich. Um nicht abhängig zu werden von Ländern, die andere Werte bevorzugen.
Aber die großen Sprachmodelle, die im Rampenlicht stehen, kommen aus den USA und China. Und nun? Dr. Aljoscha Burchardt vom Deutschen Zentrum für Künstliche Intelligenz ordnete das im Februar, im Umfeld des europäischen KI-Gipfels gegenüber dem ZDF-heute journal so ein: Es gehe darum, KI in die Breite zu bringen, mit spezialisierten Lösungen, auf Basis einer mittelständisch geprägten Wirtschaft mit großem industriellen Know-how. Als hätte er Niedersachsen vor Augen gehabt bei diesen Sätzen.
Tatsächlich ist schwer zu erfassen, wo bereits überall bereits jetzt niedersächsische Unternehmen daran arbeiten, KI in ihre Verfahren oder Produkte einzubauen. Die Liste wird schnell länger und länger, vom Konzern bis zum Start-up. Denn an Themen mangelt es nicht: Autonomes Fahren ist nur einer der Bereiche im Autoland Niedersachsen, in dem KI eine Rolle spielt. Robotik, Messtechnik, Optik, Life Sciences mit der Orthopädie-Technik. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Als Faustregel mag dienen: Wo man sich in den vergangenen Jahren mit Industrie 4.0 beschäftigt hat, wird man heute KI finden. So hat die Hannover Messe als unschätzbare Plattform für Industrieinnovation in Niedersachsen, gerade in diesem Jahr Künstliche Intelligenz in den Mittelpunkt gestellt. Zum Abschluss der Industrieausstellung hieß es, dass Industrie 4.0 die Vorarbeit und Grundlage für den Einsatz von KI in Unternehmen sei.
Schließlikch geht es bei den industriellen Anwendungen eben nicht darum, mit KI lediglich das Tagesgeschäft schneller abzuwickeln oder Kosten zur sparen. Diese Motive stehen bei der Digitalisierung noch immer im Vordergrund (vgl. Seite 14). Das moniert auch die DIHK und verweist auf ihre Digitalisierungsumfrage, nach der zwei Drittel der Unternehmen sich solche Ziele konzentrieren. Dagegen sieht – nur, könnte man sagen - gut ein Drittel in der Digitalisierung einen Innovationsmotor für die Entwicklung neuer Produkte, Verfahren und Geschäftsmodelle. Deutschlands Unternehmen tun sich weiter schwer damit, digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln, sagt auch der Bitkom.
Hinzu kommt: Laut Bitkom-Umfrage gibt aktuell erstmals mit 53 Prozent eine Mehrheit der Unternehmen an, überhaupt Probleme bei der Bewältigung der Digitalisierung zu haben. Hinzu kommt ein Problem, das in Deutschland schon lange gesehen wird: Forschung top, Übertragung in die Praxis mau. Im Vorfeld einer hochkarätig besetzten Wissenschaftstagung während der Hannover Messe 2024 hielten sich 50 Prozent der deutschen Wissenschaftseinrichtungen für international wettbewerbsfähig, aber nur 15 Prozent der Unternehmen.
Auch hier setzt der im Februar veröffentlichte, insgesamt 880 Mio. Euro schwere Digitalisierungsfahrplan der niedersächsischen Landesregierung an. Er umfasst immerhin 117 Einzelmaßnahmen, geht also durchaus in die Breite. Und auch, wenn sich „Fahrplan“ angesichts der aktuellen Situation der Bahn weder allzu modern noch verbindlich klingt: Das ist ja nur das Wort. Und in diesem Fahrplan steht Künstliche Intelligenz immerhin an erster Stelle.
Niedersachsen soll als Spitzenstandort für KI-Forschung und -Umsetzung ausgebaut, der Transfer aus von der Wissenschaft in die Wirtschaft gestärkt werden, heißt es da. Nachdem zum Beispiel die niedersächsischen Standorte des Deutschen Zentrums für Künstliche Intelligenz in Osnabrück und Oldenburg bereits seit 2011 systematisch gefördert wurden, sollen dort in den kommenden fünf Jahren rund 20 Mio. Euro in das Forschungsprojekt „Zugängliche KI“ fließen. Im Niedersächsischen Zentrum für Künstliche Intelligenz und Kausale Methoden in der Medizin arbeiten bereits seit zwei Jahren verschiedene Hochschulen und Forschungseinrichtungen zusammen, unter anderem aus Hannover und Göttingen. Und der Digital Innovation Campus an der hannoverschen Leibniz-Uni gehört zu den so genannten KI-Innovationsräumen, in denen Wissenschaft und Praxis zusammenfinden sollen. Rund 21 Mio. Euro steckt das Land in den Bau des Campus‘, der 2027 fertig sein soll.
Wichtig für Unternehmen: Wo findet man Information und Beratung? Hier soll das Angebot im Bereich KI gerade für kleine und mittlere Unternehmen im KI ausgebaut werden. Dabei stützt sich das Land auf ein bereits bestehendes Netzwerk, zu dem unter anderem das Mittelstand-Digital Zentrum Hannover gehört. Hier wurden Unternehmen bereits rund um Industrie 4.0 beraten. Das für das KI-Beratungsnetzwerk ist die Niedersachsen.next Digitalagentur.
Wenn es um Forschungsförderung geht, spielt in Niedersachsen die VolkswagenStiftung eine wesentliche Rolle. Mit einer Fördersummen von insgesamt 265 Mio. Euro haben die Stiftung und das Wissenschaftsministerium die Ausschreibung „Potenziale Strategisch Entfalten“ auf den Weg gebracht. In diesem Rahmen plant unter anderem die Hochschule Hannover ein Competence Center for Artificial Intelligence (CAI), will die HAWK in Hildesheim, Holzminden und Göttingen etwa will KI-basierte Innovationshubs schaffen,
Und noch ein Projekt, mit dem Niedersachsen aus Sicht der Landesregierung Vorreiter ist: Das KI-Reallabor CRAI – eine höchst sinnvolle Abkürzung, denn das steht für Center of Research and Development of Trustworthy AI Applications for Mid-Sized Companies – sei das erste dieser Art, heißt es im Digitalisierungsfahrplan, und ein „Leuchtturm“ für Deutschland und Europa. Ein Verbund aus Forschung, Wirtschaft und Verwaltung soll praxisnah Prozesse, entwickeln und mit Blick auf den Datenschutz sowie gesetzliche KI-Vorgaben vor mittelständische Unternehmen begleiten, um Innovationen rechtskonform zu entwickeln.