IHK Hannover

Anerkennung – Menschlich und bürokratisch

24. Juli 2025 | von Sabrina Kleinertz

Es war ein ungeplanter Neuanfang – und trotzdem ist er Yuliia Hemonova geglückt. Die 37-jährige Ukrainerin floh Ende Februar 2022 vor dem russischen Angriffskrieg nach Deutschland und musste sich ihr Leben hier neu aufbauen. Dazu gehörte auch die offizielle Anerkennung ihres ukrainischen Abschlusses. Das gelang mit Hilfe vieler; unter anderem dem Welcome & Business Center (kurz WBC) der IHK Hannover.

Die Flucht

Aufgewachsen ist Hemonova nahe der ukrainischen Millionenstadt Dnipro. Anfang 2022 verlässt sie ihre Heimat wegen des russischen Angriffskriegs. Mutter und Bruder bleiben, während Hemonova sich Richtung Deutschland auf den Weg macht. Nach einem Zwischenstopp in Berlin zieht es sie nach Hildesheim. Dort hat sie Freunde und findet auch beruflich schnell Anschluss.

Der Neuanfang

Die junge Frau ist motiviert und will sich in der südniedersächsischen Stadt ein neues Leben aufbauen. Dazu gehört auch Bürokratie. Mit dem deutschen Jobcenter hat Hemonova intensiven Kontakt, stößt aber auch auf Hürden. Sie will so schnell wie möglich in Deutschland arbeiten, denn eigentlich ist sie studierte Ingenieurin. Doch das Unterfangen ist kompliziert. „Ich bin immer wieder mit unzähligen Dokumenten dort aufgetaucht“, erklärt Hemonova und mimt mit den Händen einen großen Stapel Papier nach.

Gebäude der Gebrüder Heyl Analysetechnik GmbH & Co. KG mit Firmenschild
Die Hildesheimer Firma Gebrüder Heyl Analysentechnik beschäftigt fast 50 Mitarbeitende und hat sich auf Wasseranalysegeräte in der industriellen Wasseraufbereitung spezialisiert.

Für die 37-Jährige geht der berufliche Weg trotzdem weiter. Sie bewirbt sich bei der in Hildesheim ansässigen Personalvermittlung Piening. „Wir haben gleich gemerkt, dass hinter Frau Hemonovas Bewerbung Substanz steckt und sie sehr motiviert ist“, sagt Stefan Jürgens von der Piening GmbH. Als Hilfskraft wird Hemonova vom Personalvermittler mit der Hildesheimer Firma Gebrüder Heyl Analysentechnik GmbH & Co. KG zusammengebracht. Das Unternehmen mit fast 50 Angestellten hat sich auf Wasseranalysegeräte in der industriellen Wasseraufbereitung spezialisiert.

In Teilzeit unterstützt Hemonova das Team bei der Abfüllung und Verpackung von Reagenzien. So weit so gut. Doch sowohl Hemonova als auch Heyl-Geschäftsführer Jörg-Tilman Heyl sehen noch mehr Chancen. Das Engagement und die fachlichen Fähigkeiten seiner neuen Mitarbeiterin begeisterten den Geschäftsführer so sehr, dass er sie langfristig im Unternehmen einstellen möchte. „Mir war es wichtig, dass ich Frau Hemonova auch dann noch beschäftigen kann, wenn ich keine Arbeit in der Fertigung mehr habe“, erklärt Heyl, der die Ukrainerin zunächst als Krankheitsvertretung ins Unternehmen holte. Hemonova ergänzt: „Und für mich war es darüber hinaus wichtig, dass ich meine Qualifikation als vollwertige Fachkraft nachweisen kann.“ Gemeinsam gingen sie das Projekt schließlich an und fanden bei der IHK Hannover die passende Unterstützung.

Die Anerkennung

Im Welcome & Business Center IHK (kurz WBC) gibt es Hilfe rund um die Anerkennung von Abschlüssen aus dem Ausland. Zudem führt die IHK in ihren Berufen als zuständige Stelle selbst Anerkennungsverfahren durch. Hier fand auch Yuliia Hemonova konkrete Ansprechpartner. „Sie hat vieles alleine gestemmt“, lobt Alina Richter. Sie ist Teil des WBC-Teams und berät ausländische Fachkräfte und Unternehmen zur Fachkräfteeinwanderung und der Anerkennung ihrer im Ausland erworbenen Abschlüsse. Denn die Anerkennung von Berufsabschlüssen verbessert die Erwerbsaussichten, die Verfahren sind aber oftmals sehr kompliziert. Das ist für Menschen mit ausländischen Wurzeln und auch Unternehmen allein nicht immer gut zu überblicken. Hier setzt das WBC an. Sowohl Erstgespräche als auch die Begleitung durch einen kompletten Anerkennungsprozess bietet das WBC-Team und hilft mit diesem Service sowohl ausländischen Fachkräften als auch Unternehmen. 

Yuliia Hemonova ist eine von rund 2.000 Ukrainerinnen und Ukrainer, die die IHK seit dem Kriegsbeginn 2022 über das Programm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“beraten hat. Das Programm wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die Europäische Union über den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus) gefördert und vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge administriert. Partner in der Umsetzung sind das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Bundesagentur für Arbeit. Viele der Geflüchteten bringen eine Ausbildung oder ein Studium mit. Was fehlt, ist die offizielle Anerkennung der Abschlüsse, die die Jobsuche in Deutschland erleichtert. 

Anerkennungsübergabe bei Geb Heyl Analysetechnik am 15. Mai 2025
Bei der offiziellen Übergabe freuten sich (v.l.n.r.) Heyl-Geschäftsführer Jörg-Tilman Heyl, Yuliia Hemonova, Arne Hirschner (IHK Hannover) und Stefan Jürgens (Piening). Neben Kolleginnen und Wegbegleiterinnen machte auch die örtliche Presse einige Fotos.

Die Erfahrungen der IHK zeigen, dass die Ukrainerinnen und Ukrainern meist gut ausgebildet sind und in ihrer Heimat als Akademikerinnen und Akademiker in technischen und pädagogischen Berufen, sowie im Pflege- und Gesundheitsbereich gearbeitet haben. „Das sind große Potenziale für den hiesigen Arbeitsmarkt. Diesen Menschen sollte der Weg in den Beruf gerade mit Blick auf den zunehmenden Fachkräftemangel nicht erschwert werden“, sagt Arne Hirschner, stellvertretender Leiter der Abteilung Berufliche Bildung und Fachkräfte in der IHK Hannover.

Seiner Erfahrung nach haben ausländische Abschlüsse allein im Bewerbungsprozess wenig Aussagekraft bei den Unternehmen. Erst eine Anerkennung dieser Abschlüsse sei daher oft ein „Türöffner“ in den deutschen Arbeitsmarkt. 

Der Weg zum Ziel

Zusammen mit der IHK prüfte Hemonova die Checkliste für die Anerkennung ihrer Ausbildung. Dafür muss sie ihre ukrainischen Abschlüsse und ihre vorherigen Berufserfahrungen nachweisen. Ein bestimmtes Deutsch-Sprachniveau war hingegen nicht nötig. Für Yuliia Hemonova aber ohnehin kein Problem. Sie spricht inzwischen auf C1-Level. „Nur die Redewendungen machen mir noch etwas zu schaffen“, sagt sie und lacht. 

Um Hemonova parallel auch die Praxis im Betrieb zu vermitteln, setzte sich die Firma Heyl für ihre praktische Weiterbildung ein und bot der Ukrainerin zu ihrer Teilzeitstelle noch ein ergänzendes Praktikum an. „Ich habe in der Ukraine auch Chemie gelernt, aber nicht in dem Bereich gearbeitet“, so Hemonova. Daher habe sie sich über das Praktikum gefreut. Sowieso: „Ich habe ein sehr nettes Team, das mir immer sehr geholfen hat“, sagt die junge Frau. 

Frau bei der Anerkennungsübergabe bei Geb Heyl Analysetechnik
Glücklich im neuen Job: Yuliia Hemonova ist studierte Ingenieurin. Bei der Hildesheimer Firma absolvierte sie eine betriebliche Anpassungsqualifizierung im Beruf „Chemikant/in“.

Dazu kam die Hilfe von WBC-Beraterin Richter, die Unternehmen auch erklärt, wie – beispielsweise im Fall von Hemonova - noch fehlende Inhalte nachgeholt werden können, damit der ausländische Abschluss vollständig in Deutschland anerkannt werden kann. Die gebürtige Ukrainerin absolvierte schlussendlich eine betriebliche Anpassungsqualifizierung im Beruf „Chemikant/in“ bei der Firma Heyl und wurde intensiv in die Bereiche Labor, chemische Produktion und Abfüllung eingearbeitet. Das verhalf ihr schließlich zur vollen Anerkennung als Chemikantin, mit der sie ihren beruflichen Weg in Deutschland fortführen kann.

Das erreichte Ziel

Inzwischen ist Hemonova seit März dieses Jahres fest bei der Analysetechnik-Firma angestellt und kümmert sich um das Abfüllen und Verpacken von Analyse-Mitteln. Die offizielle Übergabe ihres Anerkennungsbescheids machte ihren Werdegang schließlich perfekt. Mit strahlendem Lächeln und zwei Blumensträußen in der Hand kann sich Yuliia Hemonova nun auch in Deutschland offiziell „Chemikantin“ nennen. Ob sie das alles nochmal machen würde, um voll anerkannt in Deutschland arbeiten zu können? „Auf jeden Fall“, sagt sie und nickt.

Und auch von Arbeitgeberseite kommt positives Feedback. „Ich würde diesen Weg jederzeit nochmal gehen“, resümiert Jörg-Tilman Heyl. „Jederzeit“ wieder würde er Geflüchtete, die bereits in Deutschland sind, bei sich einstellen. Wie ertragreich solch eine Zusammenarbeit für alle Beteiligten sein kann, das hat die Geschichte von Yuliia Hemonova ihm eindrücklich bewiesen.