Unvermeidlich beginnt das Neue Jahr, wie das alte endete: Krisen weltweit und ein Berg ungelöster Probleme vor der eigenen Haustür. Aber gerade angesichts dieser Lage forderte IHK-Präsident Gerhard Oppermann, jetzt – endlich – die notwendigen Schritte zu machen. Mut geht auch in schweren Zeiten: Oppermann erinnerte eindringlich an die Ursprünge der Sozialen Marktwirtschaft. Und er betonte ebenso wie Ministerpräsident Stephan Weil und IHK-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt, dass ein gemeinsames Wollen nötig ist, um eine Wende zu erreichen.

Keine Drohkulisse, sondern blanke Realität: Die Krise spiegelt sich, das machte Gerhard Oppermann deutlich, längst in den Schwergewichten der deutschen Industrie wider, und das nicht zuletzt im Automobilbau. Sie ist aber auch in der Breite der Wirtschaft angekommen. Und das sei eben nicht, wie Oppermann deutlich genervt festestellte, das noch vor einiger Zeit viel zitierte Klagelied des Kaufmanns „Die aktuelle wirtschaftliche Lage der Unternehmen hier bei uns in Niedersachsen ist alarmierend.“

IHK-Präsident Gerhard Oppermann.

Was die Wirtschaft um- und wegtreibt

Oppermann fasste zusammen, was die Wirtschaft nicht erst seit gestern um- und im schlimmsten Fall vom Standort Deutschland wegtreibt. Fehlende Verlässlichtkeit der Wirtschaftspolitik. Teure Energie. Mangelhafte Investitionsanreize, stattdessen Gängelung und Verboste. Hürden bei der Zuwanderung von Fachkräften. Auch sonst überbordende Bürokratie. Und das ganze wird nicht leichter, weil eine international ausgerichtete Wirtschaft künftig mehr auf Sicherheit angewiesen sein wird, wie der IHK-Präsident betonte.

Damit hatte Oppermann zusammengepackt, was Auftakt-Moderator Martin Brüning als Rucksack bezeichnete, den die deutsche Wirtschaft gerade mit sich herumschleppt. Und der ist nicht mehr zu schultern: „Der Standort Deutschland hat hohe Energie-, Arbeits- und Bürokratiekosten immer mit politischer Stabilität ausgleichen können“, sagte der IHK-Präsident vor den rund 900 Gästen aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung: „Aber das ist eben aus Sicht vieler Unternehmen nicht mehr der Fall.“

Bei der Lage auf einer Linie

In seiner Lagebeschreibung liegt er damit weitgehend auf einer Linie mit Ministerpräsident Stephan Weil. Was bedeutet: Gestritten wird kaum noch über die Symptome der Krise und ihre Ursachen. Hier stimmen mittlerweile Politik und Wirtschaft inhohem Maße überein. Ebenso bei den Zielen, was man denn erreichen wolle. Beispiel Bürokratie: Gerhard Oppermann sprach sie an und forderte konkret mehr Digitalisierung, Stiebel-Eltron-Geschäftsführer Kai Schiefelbein verstärkte in einer Podiumsdiskussion den Punkt („In der Zeit, die wir für einen Parkplatz brauchen, wird in Osteuropa ein ganzes Werk gebaut.“) – und Stephan Weil bekannte: „Wir sind überreguliert.“ So weit die Diagnose. Und alle sind sich einig: Das muss anders werden.

Ministerpräsident Stefan Weil.

Zumindest wies der Ministerpräsident auf Fortschritte hin, die im Land zum Beispiel beim Bürokratieabbau erreicht habe, bei Erleichterungen für die Zuwanderung von Fachkräften zum Beispiel. Stichwort: Zentrale Ausländerbehörde.

Aber solchen Meldungen zum Trotz: Die alarmierende Lage der Wirtschaft, wie von IHK-Präsident Oppermann beschrieben, besteht fort. Und die Notwendigkeit des Handels bleibt nicht nur, sondern der Druck hat sich erhöht. Noch vor Jahresfrist hießt es beim hannoverschen IHK-Auftakt: Es muss etwas passieren. Zwölf Monate später erklärte Ministerpräsident Stephan Weil an gleicher Stelle, noch in diesem Jahr müsse die Trendwende geschafft werden. Allerdings scheint der Berg an Aufgaben nicht wesentlich kleiner geworden zu sein. Und ein Erkenntnisproblem, was denn nun angefasst werden muss, gibt es schon länger nicht mehr.

Immerhin: Niedersachsen hat nach Weils Worten keine landesspezifischen Probleme, teilt aber alle Standortprobleme, die Deutschland gerade hat.  Weil bekannte sich einmal mehr zum Industrieland Niedersachsen und zum Ziel, bei der Energie Vorreiter unter den Bundesländern zu sein. Die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts stehe für die Landesregierung ganz weit oben, betonte Weil. Eines seiner Ziele: Den Investitionsstau auflösen. Wie Gerhard Oppermann zeigte der Ministerpräsident in Richtung USA mit einer äußerst investitionsfreundlichen Politik in den vergangenen Jahren.

„Wirtschaft braucht Investitionsanreize – keine Gängelung, keine Verbote“, sagte der IHK-Präsiden: „Gerade in unsicheren Zeiten ist es wichtig, den Unternehmen in unserem Land einen Grund, mehr noch: einen Sinn zu geben, in Deutschland zu investieren.“ Und er spannte mit solchen Gedanken noch einen größeren Bogen: Oppermann forderte eine Rückbesinnung auf die Soziale Marktwirtschaft, und zwar in mehrfacher Hinsicht.

Mehr Soziale Marktwirtschaft wagen

So betont die Soziale Marktwirtschaft Initiative und Unternehmertum: Freiheit und eigenes Engagement würden ebenso groß geschrieben wie die Verlässlichkeit einer Solidargemeinschaft, so Oppermann: „Es braucht keinen Staat, der uns sagt, wie wir Wirtschaft gestalten. Was wir brauchen, sind ein freier und fairer Wettbewerb und Raum zum Gestalten.“ Und zwar mit den richtigen Rahmenbedingungen: Er nannte zum Beispiel die CO2-Bepreisung als marktwirtschaftliches Instrument, das Unternehmen motiviere, Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln. Gerade in mittelständischen Familienunternehmen sei Nachhaltigkeit verankert, so der IHK-Präsident. Und: „Die Wirtschaft in Niedersachsen hat Lust auf Zukunft.“  In diesem Sinne: „Wir müssen wieder mehr Soziale Marktwirtschaft wagen“, rief der den Auftakt-Gästen im Hannover Congress Centrum zu.

Kulturwandel und Konsens

Dazu sei jedoch ein echter Kulturwandel nötig und ebenso ein breiter Konsens: Hier waren sich Oppermann, Stephan Weil und auch IHK-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt einig: Die nötigen Veränderungen müssen gewollt sein. Und angesichts der Krise gibt es dafür nur ein kurzes Zeitfenster. In diesem Jahr müsse die Wende kommen. Dann wird die Lage in einem Jahr besser aussehen als jetzt. So Ministerpräsident Stephan Weil.

Auf der Auftakt-Bühne berichteten auch zwei junge Unternehmerinnen über ihre Erfahrungen: Johanna Heise, Teil der jüngsten Generation an der Spitze des Medienunternehmens Heise. Und Amy Jedlicka, Gründerin von Molly Suh – ein Unternehmen, das nachhaltige Kerzen herstellt.

Gründerinnen beim IHK-Auftakt: Amy Jedlicka (r.) und Johanna Heise, befragt von Martin Brüning.

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