Illustration: Adobestock

KI: Nur Chatbots werden nicht reichen

10. April 2025 | von Klaus Pohlmann

Testen Sie sich selbst: Künstliche Intelligenz heißt in deutschen Unternehmen zurzeit meistens ChatGPT oder Copilot. Generative KI also. Das wird nicht reichen. KI kann mehr.

 

Denn sie wissen nicht, was sie damit tun sollen: Lässt sich so das Verhältnis deutscher Unternehmen zur künstlichen Intelligenz beschreiben? Mal sehen, was der Blick in die aktuellen Umfragen so ergibt.

Unternehmen nutzen zunehmend KI – das leitete zum Beispiel die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) aus ihrer im März veröffentlichten Digitalisierungsumfrage für 2024 ab. Was stimmt. Der Anteil der Unternehmen, die Künstliche Intelligenz tatsächlich bereits einsetzen, stieg innerhalb eines Jahres von 27 auf 38 Prozent. Im Bereich der IHK Hannover ist es nach den Ergebnissen dieser Umfrage sogar jedes zweite Unternehmen.  Allerdings: Bundesweit planen in den nächsten drei Jahren zwar 32 Prozent den Einsatz von KI. Das sind aber zwei Prozentpunkte weniger als bei der Umfrage zwölf Monate zuvor.

Die Zahlen der DIHK ähneln zum Teil denen einer Commerzbank-Umfrage, die Ende vergangenen Jahres veröffentlicht wurde. Befragt wurden bundesweit 1600 Unternehmen mit einem Umsatz bis 15 Mio. Euro – davon rund 100 im Bereich Hannover. Rund ein Viertel setzt bereits jetzt KI ein, in Hannover sogar etwas mehr. Etwa ein Drittel will in Zukunft Künstliche Intelligenz nutzen oder ist sich zumindest über die Bedeutung im Klaren: „Wir haben uns mit dem Thema KI in unserem Unternehmen noch nicht beschäftigt, werden dies aber tun.“

Was bei der Commerzbank-Umfrage aber eigentlich am meisten überrascht: Fast 40 Prozent – sowohl im Bund wie auch in Hannover und Umgebung – können sich mit einer sehr zurückhaltenden Antwort anfreunden: „Künstliche Intelligenz spielt auch künftig für unser Unternehmen keine Rolle.“

Aber gut: Für die Commerzbank wurden vor allem kleinere Unternehmen befragt. Bei der DIHK-Umfrage fallen die Zahlen für Hannover immerhin deutlich besser aus: Nur knapp 15 Prozent haben nach eigener Einschätzung auch künftig mit KI nichts am Hut.

Wie die DIHK hat auch der Bitkom als Verband der deutschen Digitalwirtschaft die Wirtschaft in voller Breite im Blick. Und nach der aktuellen Umfrage, die Mitte März veröffentlicht wurde, ist bei keiner der Top-Zukunftstechnologien die Diskrepanz zwischen der Bedeutung für die künftige Wettbewerbsfähigkeit und dem aktuellen Einsatz im Unternehmen so hoch wie bei Künstlicher Intelligenz. Beispiel: Big Data, also die Analyse und Nutzung großer Datenmengen, halten 97 Prozent der befragten Unternehmen für wettbewerbsrelevant. Rund 44 Prozent der Unternehmen nutzen die Technologie bereits, und etwa 38 Prozent planen den Einsatz. Zum Vergleich: KI ist für 90 Prozent wesentlich für die künftige Wettbewerbsfähigkeit. Aber nur 17 Prozent setzen sie ein. Immerhin steht bei rund 40 Prozent der Unternehmen das Thema wenigstens auf der Tagesordnung.

Natürlich kann man sagen, dass Big Data schon deutlich länger ein Thema ist als Künstliche Intelligenz, also mehr Vorlauf hatte. So lässt sich die aktuell deutlich höhere Nutzung dieser Technologien erklären. Die große Lücke jedoch zwischen angenommener Bedeutung und tatsächlichem Einsatz von KI darf man wohl getrost so interpretieren: Es gibt einiges zu tun in den Unternehmen. Und im Vergleich zu anderen Ländern vielleicht auch Nachholbedarf.

Laut Bitkom warnt die Hälfte der Unternehmen davor, dass die deutsche Wirtschaft bei KI den Anschluss an die Weltspitze verliert – und ein Viertel sieht sogar die Existenz des eigenen Unternehmens durch KI bedroht. Noch einmal zur Erinnerung: In der Bitkom-Umfrage gehen fast alle Unternehmen davon aus, dass KI ein Wettbewerbsfaktor ist oder künftig sein wird. In den Commerzbank-Zahlen dagegen, eine andere Befragungszielgruppe hin oder her, sehen aber tatsächlich zwei von fünf Unternehmen für sich das Thema KI als nicht relevant an. Das wirkt eher zögerlich.

Vielleicht liegt der Grund darin, dass KI-Anwendungen einfach noch nicht in der Breite angekommen sind. Künstliche Intelligenz: Das dürfte für den überwiegenden Teil der Unternehmen derzeit auf ChatGPT oder andere Sprachmodelle, Anwendungen wie Copilot oder Bilderstellung beschränkt sein. Also auf die so genannte generative KI. In der Commerzbank-Studie sind es bundesweit 57 Prozent, im Raum Hannover aber 80 Prozent der Unternehmen, die generative KI nutzen, um Inhalte zu erstellen. Gefolgt von nicht weiter beschriebenen Administrativen Tätigkeiten sowie Kundenkommunikation und Kundenbindung: Und auch dabei dürfte es zumindest teilweise wieder um Inhalte gehen – Texte, Grafiken, Bilder, Präsentationen.

Ähnlich das Bild, das die DIHK zeichnet: 80 Prozent der Unternehmen  - bundesweit und nicht anders in der IHK-Region Hannover setzen generative KI zur Erzeugung von Inhalten wie Texte oder Bilder ein – „et cetera“, wie es einer Veröffentlichung heißt. Ohne dass dieses „und so weiter“ noch aufgeschlüsselt würde. Auch hier darf man also getrost davon ausgehen, dass im Hype nach der Veröffentlichung Ende 2022 ChatGPT in die Unternehmen geschwappt ist.

Der Bitkom kommt in seiner Umfrage zu ähnlichen Ergebnissen, entwickelt daraus aber eine Position. Aktuell wird nach den Umfrageergebnissen des Verbandes KI von Unternehmen vor allem im Kundenkontakt eingesetzt: 86 Prozent geben das an. Gefolgt von einem weiteren Thema, für das ebenfalls KI-generierte Inhalte zumindest teilweise eine Rolle spielen: Fast jedes zweite Unternehmen nutzt Künstliche Intelligenz für Marketing und Kommunikation.

Aber dann: KI-Einsatz in der Produktion 16 Prozent, in Forschung und Entwicklung 15 Prozent, im Management, in der Personalabteilung sowie allgemein beim internen Wissensmanagement je sechs Prozent, in der Rechts- bzw. Steuerabteilung zwei Prozent. Und in der IT? Ein einziges, schwer zu beurteilendes Prozent der Unternehmen  - tatsächlich: 1 %  - setzt Künstliche Intelligenz in der IT ein. Ausrufezeichen.

Der Bitkom baut aber auf das Prinzip Hoffnung und erwartet künftig Bewegung. Von den Unternehmen, die den KI-Einsatz planen oder diskutieren, sieht zwar auch weiterhin die überwiegende Mehrheit KI als Instrument im Kundenkontakt, in Marketing und Kommunikation, extern und intern. Aber fast ein Drittel der Unternehmen setzt auf den KI-Einsatz in der Produktion, im Management (15 %), in Forschung und Entwicklung (14 %) und in der Personalabteilung (11 %).

Selbst die IT kommt aus den Puschen: Laut Bitkom-Umfrage sehen künftig immerhin neun Prozent der befragten Unternehmen hier Einsatzmöglichkeiten. 

Aber hört sich das nach einem Durchbruch an? Oder doch eher

Zögerlich? „Wir brauchen jetzt eine Investitionsoffensive für Digitalisierung und KI in der deutschen Wirtschaft“, so Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst. Zwischenzeitlich hat die Europäische Union ein 20-Milliarden-Programm zur KI Förderung auf den Weg gebracht und will auch die Anwendung vereinfachen – Stichwort: EU AI Act. Und die Förderung Künstlicher Intelligenz hat auch Einfang in den Koalitionsvertrag der voraussichtlich neuen Bundesregierung gefunden.

Denn: „KI kann viel mehr als Social-Media-Posts formulieren oder einen Chatbot für Kundenanfragen verbessern“, meint Bitkom-Chef Wintergerst. „Unternehmen, die KI in aller Breite einsetzen, werden leistungsfähiger, produktiver und stärker im Wettbewerb.“ Man muss eben nur wissen, was man damit sonst noch tun kann.

Wobei auch Fachleute sich genau bei diesem Punkt keineswegs einig sind. Der Bitkom sagt, Unternehmen werden leistungsfähiger, produktiver und wettbewerbsfähiger. Das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) erwartet in einer aktuellen Studie aber kein Produktivitätswunder durch Künstliche Intelligenz. Während die Bonner Wirtschafts-Akademie gerade in den Raum stellte die Vorstellung einer „neuen industriellen KI-Welle, die die Art und Weise, wir Fertigung funktioniert, grundlegend verändert.“ Von humanoiden, KI-gesteuerten Robotern – die wissen, was sie tun. Und das schneller, präziser, stärker als Menschen.