Nicht der einzige Unsicherheitsfaktor für die Konjunktur, aber ein besonders unberechenbarer: die US-Zollpolitik. Foto: Pixabay/geralt

Konjunktur: Ein leichtes Plus in unsicheren Zeiten

10. April 2025 | von Klaus Pohlmann

Der niedersächische Konjunkturklimaindikator hat sich im Frühjahr nach oben bewegt. Das allerdings in einer Zeit, die von kurzfristigen Entscheidungen und grundlegender Unsicherheit geprägt ist.

 

Selten stand so im Mittelpunkt einer IHKN-Konjunkturumfrage, wann zwischen Mitte März und Anfang April die Unternehmen geantwortet haben. „Es war alles drin in diesem Zeitraum“, sagte IHKN-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt bei der Vorstellung der aktuellen Zahlen. Mit der Grundgesetzänderung ist ein nachfragewirksames Milliardenpaket auf dem Weg, das bei Unternehmen Hoffnung auslöst. Außerdem zeichnet sich eine handlungsfähige Bundesregierung ab. Die massiven Zollerhöhungen durch die USA und die weltweiten Reaktionen darauf fielen in den Befragungszeitraum. Nur die Aussetzung eines großen Teils dieser Zölle und der fast zeitgleich vorgestellte Koalitionsvertrag gingen noch nicht in die Umfrage ein.

Punkteplus noch schwer zu deuten

Vor diesem Hintergrund stieg der IHK-Konjunkturklimaindikator im Frühjahr um schwer zu deutende neun auf jetzt 89 Punkte. Aufwärts immerhin, aber noch deutlich unter dem langjährigen Mittel. „Ein kleiner Freudensprung, aber keine Jubelstürme“, so Maike Bielfeldt (r.). Denn noch bleibt zu viel im Ungewissen – und das nicht nur wegen der kurzatmigen US-Zollpolitik.

Zolltafeln drehen den Trend

Es ist ein sehr differenziertes Bild, das die Frühjahrsumfrage der Industrie- und Handelskammern zeichnet. Ein Beispiel, und ein wichtiges noch dazu: die Exporterwartungen. Nur etwa ein Viertel der insgesamt rund 1900 Unternehmen antwortete, nachdem der US-Präsident im Rosengarten des Weißen Hauses die Tafeln mit den neuen Zollsätzen hochgehalten hatte. Das reichte aber, um das Ergebnis von einer leicht positiven Tendenz ins Negative zu drehen. Hätten noch mehr oder alle Unternehmen unter dem Eindruck des „Trump’schen Zoll-Wirrwarrs“ geantwortet, wie Bielfeldt es nannte, wären die Erwartungen für das Exportgeschäft noch weit schlechter ausgefallen.

Noch zwei Beispiele für Branche mit höchst unterschiedlicher Stimmung: In der Bauwirtschaft blickt vor allem der Tiefbau hoffnungsvoll auf das Milliardenpaket des Bundes zum Infrastruktur-Ausbau. Am anderen Ende der Skala: Der Einzelhandel. „Der leidet“, sagte Maike Bielfeldt mit Blick auf die niedrige Konsumneigung. Die ist im ersten Quartal nochmals gesunken und nähert sich den Tiefständen während Corona und zu Beginn des Krieges gegen die Ukraine. Immerhin ein Silberstreif: Die Banken melden mehr Kredite an Privathaushalte und auch an Unternehmen. Robuste Konjunkturstützen bleiben aktuell die Versicherungen und der Dienstleistungssektor.

Wirtschaftspolitik bleibt Top-Risiko

Gerade die Zoll-Eskapaden wirken sich aber auch auf die Risikoeinschätzung der Unternehmen aus: Bei den Unsicherheitsfaktoren für die Konjunktur wuchs die Sorge um die Auslandsnachfrage der Industrie am stärksten, obwohl nur ein Teil der Unternehmen davon überhaupt betroffen ist. Ganz oben stehen aber bei den Risiken nach wie vor die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen: Mehr als zwei Drittel der Unternehmen sehen das so, und hier werden neben dem Blick ins Ausland auch die nach wie vor ungelösten Standortprobleme eine Rolle spielen. Neben einer schwächelnden Inlandsnachfrage treiben aber auch verstärkt die Arbeitskosten den niedersächsischen Unternehmerinnen und Unternehmern Sorgenfalten auf die Stirn.

“Tempo, Tempo, Tempo!”

Nach den turbulenten Wochen sieht IHKN-Hauptgeschäftsführerin Bielfeldt jetzt eine Chance zum Durchatmen: Die für 90 Tage ausgesetzten Erhöhungen eines großen Teils der gerade erst verhängten US-Zölle – „sofern es dabei bleibt“ - sowie eine handlungsfähige Bundesregierung in Sichtweite. Denn vor allem wollen die Unternehmen eines: raus aus der Unsicherheit. International gibt es da zurzeit wenig Hoffnung, umso mehr ist die neue Bundesregierung gefordert. Steuerliche Entlastung für Unternehmen, und zwar unabhängig von der Rechtsform, ebenso verlässliche und wettbewerbsfähige Energiepreise, weniger Bürokratie: Diese Punkte seien im Koalitionsvertrag zwar angesprochen, aber zum Teil aus Sicht der IHK noch zu wenig konkret. Außerdem sei jetzt wichtig, so Bielfeldt, dass die Probleme schnell angegangen werden: „Tempo, Tempo, Tempo.“ Das gelte insbesondere für die Unternehmenssteuern. Die müssten schneller gesenkt werden als bislang geplant, und zwar für die Unternehmen in ganzer Breite.

Das Ringen um Wettbewerbsfähigkeit ist umso dringlicher, weil international weitere Unruhe zu erwarten ist. Donald Trump habe die internationale Arbeitsteilung außer Kraft gesetzt, so Bielfeldt. Deshalb sei die Geschlossenheit der EU jetzt wichtig – auch mit dem Ziel, über weitere Freihandelsabkommen den Unternehmen eine Diversifizierung ihres Auslandsgeschäfts zu erleichtern. 

Pressemitteilung der IHK Niedersachsen zur Konkturumfrage.

Maike Bielfeldt stellte in Hannover die aktuellen Konjunkturzahlen vor. Ihr zur Seite Dr. Martin Knufinke (l.) und Dr. Mirko-Daniel Hoppe. Foto: Dörmer