Person im Anzug vor einer prunkvollen historischen Kutsche – SKH Ausstellung Er gab sofort seine Zustimmung zur neuen Präsentation der Familien-Kutschen: Ernst-August Erbprinz von Hannover. Foto: Dörmer

Königliche Dienstwagen: Neue Ausstellung

04. August 2025

Die Welfen-Kutschen sind im Schloss Herrenhausen angekommen. Gut so. Und es könnte an anderer Stelle Möglichkeiten öffnen.

 

Sie stehen da, als wollten sie nie wieder weg. War ja auch Stress genug: Die vier Welfenkutschen, lange im Historischen Museum in Hannover zu Hause, wurden in Millimeterarbeit an ihre neuen Plätze im Westflügel des Schlosses Herrenhausen gebracht. Dort sind sie jetzt in einer neuen Ausstellung zu sehen. Allen voran der Staatswagen Nr. 1, eine Rokoko-Karosse mit ihrem ganzen zeittypischen Zierrat.

Was für eine Zeitspanne sich da in Herrenhausen abbildet: Der barocke Große Garten feiert in diesem Jahr sein 350-jähriges Bestehen. Da war Hannover schon Residenzstadt. Ab 1714 jedoch machte die Personalunion London zum bevorzugten Aufenthaltsort der hannoverschen Könige. In England wurde 1783 auch die prunkvolle Prachtkutsche gebaut, die Nr. 1., das Spitzenfahrzeug der welfischen Dienstwagen-Flotte. Die anderen drei stammen grob aus der gleichen Zeit, kommen aber mit weniger Goldschmuck aus.

Irgendwann in den 1820er Jahren sind sie jedenfalls alle in Hannover. Da war das Schloss Herrenhausen gerade fertig geworden, nüchtern-klassizistisch und jedem barocken Prunk abschwörend. Gärten, Schloss und Ausstellung – neben den Kutschen unter anderem ein Militärgemälde von 1735, die „Revue von Bemerode“ - und noch mehr barocke Schätze im Ostflügel: Das passt schon gut zusammen, hat das Zeug zu einem Besuchermagneten.

In jedem Fall ein gesamtkulturelles Erbe, wie Ernst August Prinz von Hannover sinngemäß sagte. Er war eigens zur Ausstellungseröffnung nach Hannover gekommen. Die Welfengefährte gehören allesamt noch der Familie Ernst Augusts, sind Lieblinge in Hannover. Wer mit seinen Eltern (oder Großeltern) irgendwann nach 1966 – seit jenem Jahr waren die Wagen zusammen in der Kutschenhalle des Historischen Museums zu sehen – vor den rollenden Zeitzeugen stand, hat jetzt die Gelegenheit, das mit seinen Enkeln wieder zu erleben. Denn das Historische Museum ist noch auf Jahre hinaus geschlossen. Die Ausstellung ist ein weiterer Ausweichort, um diese Schließzeit zu überbrücken - neben dem Hannover Kiosk in der Innenstadt und der aktuellen Präsentation zum Thema Schreiben im Tintenturm auf dem ehemaligen Pelikan-Unternehmensgelände.

Schon im Ausstellungstitel – „Vier Kutschen, ein Königreich. Hannover 1814 – 1866“ – ist das Ende der Monarchie angelegt. Die Welfenwagen sind Teil eines schillernden Kapitels hannoverscher Geschichte. Prachtentfaltung zur Machterhaltung: Auch dazu dienten die Kutschen. Was am Ende nicht gelang, politisch, militärisch, gesellschaftlich. Um die Wagen herum werden auch Bezüge zum Kolonialismus her-, sachte die Rolle der Frau dargestellt.

Aber als das Königreich Hannover endete, war die Industrialisierung in vollem Gange. Den Weg zur Gründung der Handelskammern freizumachen, das war zum Beispiel eine der letzten Regungen der königlich-hannoverschen Administration. In der Ausstellung kann man sich auf einem Bildschirm selbst in ein Fortbewegungsmittel hineinanimieren. Kutsche? Sportwagen? Fahrrad? Eigentlich sollte man die Eisenbahn vermissen: Hier rollte die Revolution, die industrielle. 

Aber die Kutschen sind die Kutschen sind die Kutschen: Wirtschaftsgeschichte, obwohl auch mit den letzten hannoverschen Herrschern verflochten, muss an anderer Stelle bewahrt werden – in unterschiedlicher Weise gibt es da jedoch noch Luft nach oben. Aber wer weiß: Wenn die Kutschen dort bleiben, wo sie so gut hinpassen, könnte das ja Spielräume im neuen Historischen Museum öffnen.

 

Vier Kutschen, ein Königreich: Hannover 1814 – 1866 heißt die neu eröffnete Ausstellung im Museum Schloss Herrenhausen. 

Geöffnet dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr, ab November von 9 bis 16 Uhr.