Sonne tanken in Nienburg - Wasserstofftankstelle geht in Betrieb
28. April 2025 | von Georg ThomasDie Anfragen häufen sich in letzter Zeit. Denn die Stadtwerke Nienburg haben etwas, das noch ziemlich selten ist: Grünen Wasserstoff. „Es ist das einzige Projekt in dieser Konstellation in Deutschland, bei dem der für die Wasserstofferzeugung benötigte Strom auch regenerativ unmittelbar vor Ort erzeugt wird“, erklärt Thomas Breer, der seit 2018 Geschäftsführer der Stadtwerke Nienburg ist.
Die Idee für das Projekt mit PV-Freiflächenanlage, Wasserstofferzeugung, Speicher und Wasserstofftankstelle ist dem 58-jährigen Elektrotechnikingenieur 2020 gekommen. „Während des Lockdowns hatte man ja etwas mehr Zeit“, erinnert sich Breer, der sich damals fragte, wie man dem Thema Wasserstoff zum Durchbruch verhelfen könnte. Es war das typische Henne-Ei-Problem: Entweder gab es Wasserstoff, aber keine Abnehmer oder es bestand Bedarf, aber es fehlte an (grünem) Wasserstoff. So entwickelte er die Idee, die jetzt, fünf Jahre später, an der südlichen Umgehung Nienburgs Realität geworden ist. Der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies hat sich die Anlage bereits im Januar angeschaut, der NDR berichtete kurz danach – offiziell eröffnet ist die Wasserstoffproduktion mit Tankstelle aber noch nicht. 130 Kilogramm Wasserstoff pro Tag kann die Anlage erzeugen. Mit dieser Menge könnten die sieben Busse des Verkehrsunternehmens WeserBus einen Tag lang ihren Linienverkehr in der Kreisstadt vollständig abfahren. Zunächst werden aber erst einmal nur zwei Wasserstoffbusse eingesetzt. Sie sind ausgeschrieben. Da es bis zur Auslieferung noch dauert, bemüht sich der Geschäftsführer mit der städtischen Busgesellschaft gerade um eine Übergangslösung, zwei Busse mit Wasserstoffantrieb auf Leihbasis.
Dass sich Nienburg auf der Landkarte der Wasserstoffprojekte in Deutschland befindet, hat mehrere Gründe. Und auch wenn er es wohl aus Bescheidenheit leugnen würde, hat Thomas Breer großen Anteil daran. Um den ersten Zweifeln mit Fakten begegnen zu können, ließ er vor fünf Jahren eine Machbarkeitsstudie erstellen. „Die zeigte ganz klar: Es geht – aber es geht nur mit Förderung“. Der Stadtwerke-Chef brauchte nicht viel Überzeugungsarbeit bei Niedersachsens damaligem Umweltminister leisten – Olaf Lies erkannte den Nutzen des Projekts, das anfangs mit einer Gesamtinvestitionssumme von rund 5 Mio. Euro kalkuliert wurde. Das Land Niedersachsen bewilligte später Förderungen für den Bau der Wasserstoffproduktion, der Tankstelle und für den Kauf der Wasserstoffbusse.
Seeadler und Schall als Hürden
Ursprünglich sollte das Pilotprojekt in Nienburg bereits Ende 2022 fertig sein. Und ursprünglich sollte der Strom auch wesentlich aus zwei Windkraftanlagen kommen, die auf dem Gelände geplant waren. Allerdings gab es dafür keine Genehmigung, weil sich in der Nähe zwei geschützte Seeadler angesiedelt hatten. Zudem hätten die Anlagen nachts die Grenzwerte für Schallimmissionen übertroffen. Ein Rückschlag, der eine Neukonzeption nötig machte.
Auf rund zwei Hektar Fläche erstreckt sich nun die Solaranlage mit einer Spitzenleistung von 2100 Kilowatt, was etwa 2 Millionen Kilowattstunden (kWh) im Jahr ergibt. Die Anlage ist vier Mal so groß wie ursprünglich geplant. „Und da nun der Windstrom fehlte, um nachts Wasserstoff zu erzeugen, brauchten wir auch einen größeren Elektrolyseur“, erklärt Breer. Die technischen Probleme waren für die Stadtwerke letztlich lösbar – anders als die Probleme, die sich im Zusammenhang mit Genehmigung und Förderung der Anlage ergaben. „Wenn man etwas verbessern möchte, dann sollte man sich das genauer anschauen und Genehmigungs- und Förderzeiträume besser aufeinander abstimmen.“ Dass die Genehmigung der Wasserstoffproduktion und der Tankstelle am Ende mehr Zeit in Anspruch nahm, liegt sicher auch daran, dass dies für die zuständigen Behörden auch Neuland war. Und bei einem Elektrolyseur handelt es sich schließlich formal um „eine Anlage zur Erzeugung von Gasen im industriellen Umfang“. In Nienburg ist man stolz auf das Projekt, auch wenn noch kein Eröffnungstermin steht. „In Deutschland gibt es meines Wissens – zumindest im kommunalen Umfeld - kein vergleichbares Projekt, bei dem aus lokal erzeugtem Ökostrom Wasserstoff erzeugt und dieser auch vor Ort genutzt wird“, erklärt Breer. Jetzt fehlen nur noch die Busse, um „Sonne zu tanken“. Sind sie da, können durch den Busbetrieb bis zu 266 Tonnen CO2 eingespart werden.
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