Zwei Personen in schwarzer Kleidung mit Aufdruck 'Wir lieben Lebensmittel' vor einem Supermarkt, Thema Tüte und Tonne Sandra und Enrico Herbst betreiben den nah&gut-Supermarkt in Sibbesse - und nutzen Too Goot To Go. Foto: Insa Hagemann

Weniger wegwerfen: Tüte statt Tonne

02. Dezember 2025 | von Georg Thomas

Gutes tun, günstig und digital: Apps wie Too Good To Go bringen Unternehmen mit überschüssigen Lebensmitteln mit Menschen zusammen, die entweder etwas gegen unnötige Verschwendung tun oder einfach nur günstig einkaufen wollen. Beides hilft am Ende.

 

Eine Mülltonne Abfall weniger und neue Kunden, die sonst nicht in ihren Supermarkt gekommen wären – die Erfahrungen mit Too Good To Go von Sandra Herbst sind durchweg positiv. Vor gut drei Jahren hat sie sich mit ihrem Mann Enrico selbstständig gemacht und den nah & gut-Supermarkt in Sibbesse im Landkreis Hildesheim übernommen.

Eine Kundin brachte sie schon kurz nach der Eröffnung auf die Idee, Lebensmittel über die App zu verkaufen, die sonst vielleicht nur entsorgt worden wären. So bietet das Ehepaar von Obst und Gemüse über Backwaren  bis zu Tiefkühlprodukten regelmäßig verschiedenste Waren aus ihrem Markt an – natürlich nur, wenn etwas übrig geblieben ist. 

Mehr als 5000 sogenannte Überraschungstüten hat der Supermarkt auf diesem Weg bereits über Too Good To Go verkauft. „Das lohnt sich für uns auf jeden Fall“, sagt Sandra Herbst. „Die Kundinnen und Kunden schauen in die Tüten rein und kaufen

dann noch weitere Produkte bei uns im Markt, um eine Mahlzeit zu vervollständigen. Und es sind meistens Menschen, die sonst vielleicht nicht bei uns einkaufen würden.“ Ein weiterer Vorteil für den Supermarkt: Es müssen weniger Lebensmittel entsorgt werden.

Genau mit diesem Gedanken, der Verschwendung von Lebensmitteln etwas entgegen zu setzen, beteiligte sich die dänische Unternehmerin Mette Lykke im Jahr 2016 an dem gerade gestarteten Too Good To Go in Kopenhagen und wurde kurz danach Chefin.

Heute nutzen die App mehr als 120 Millionen Menschen in 20 Ländern in Europa, Nordamerika und Australien oder Neuseeland, die bei rund 180.000 Unternehmen Lebensmittel vor der Vernichtung retten können. So hat die App – und alle, die sie aktiv nutzen – dazu beigetragen, dass über 500 Millionen Mahlzeiten vor der Verschwendung bewahrt wurden. Das entspricht einer Vermeidung von 1,35 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. „Wir helfen Unternehmen, aus ihren Überschüssen Einnahmen zu generieren und bieten Menschen die Möglichkeit, gute Lebensmittel zu einem guten Preis-Leistungs-

Verhältnis zu genießen“, so erklärt Too Good To Go auf seiner Internetseite sein Geschäftsmodell. Was sich so ungefähr in den Überraschungstüten befindet, verrät die App unter anderem durch die Bewertungen früherer Kundinnen und Kunden. Die Bäckereien. Supermärkte und Restaurants verkaufen ihre Waren in den Überraschungstüten zu einem Preis, der zwischen einem Viertel und der Hälfte des ursprünglichen Warenwerts liegt.

Das Zeitfenster für die Abholung kann individuell festgelegt werden. Die Nutzer kaufen und bezahlen über die App – beim Abholen reicht der Beleg auf dem Smartphone. Die Unternehmen sehen in der App wie viel Umsatz sie durch die Verkäufe erzielt haben. Alle drei Monate erhalten sie von Too Good To Go eine Auszahlung. Das System finanziert sich über eine Jahresgebühr für teilnehmende Firmen und eine Provision pro verkaufte Überraschungstüte, die sich prozentual am Verkaufspreis orientiert.

Das dänische Unternehmen beschäftigt weltweit 1250 Menschen. Es nimmt zudem für sich in Anspruch, das eigene Geschäftsmodell zu nutzen, um einen positiven Effekt auf die Gesellschaft und die Umwelt zu erzielen. Seit 2019 ist es als „B Corporation“ zertifiziert, das heißt, es erfüllt die Standards der anerkannten global tätigen Wohltätigkeitsorganisation „B Lab“ in den Bereichen soziale Verantwortung, Umweltfreundlichkeit, Transparenz und Unternehmensführung. Im Jahr 2023 erzielte Too Good To Go einen Umsatz von 146,5 Mio. Euro und einen

Betriebsgewinn von 7,5 Mio. Euro. In den letzten Jahren hat das Unternehmen sein Geschäft um den Versand von Lebensmitteln, beispielsweise aus Überproduktion, ergänzt, etwa Nudeln, Pesto, Snacks oder Backmischungen. Too Good

To Go stellt Unternehmen zudem kostenfrei ein „Oft länger gut"-Label zur Verfügung, das auf Produktverpackungen gedruckt werden kann. 550 Unternehmen weltweit nutzen es bereits, darunter Danone, Kellogg’s, Unilever, Meggle, Ehrmann, Arla und Frosta, und machen so auf ihren Waren darauf aufmerksam, dass Lebensmittel auch nach Erreichen des Mindesthaltbarkeitsdatums oft noch genießbar sind. Die simple Prüfmethode „Schauen, Riechen, Schmecken“ sensibilisiert, sich auf ihre Sinne zu verlassen, bevor das Lebensmittel weggeworfen wird. 

App bringt Frühstück ins Büro

Die Kosten für das System hat Michaela Dumke aber bislang nie in Frage gestellt. Für die Geschäftsführerin der CVJM City Hotel GmbH aus Hannover überwiegen ganz klar die Vorteile. „Ich fand es immer sehr schade, die vielen Lebensmittel vom Frühstück einfach zu entsorgen.“ Das Hotel am Rande der hannoverschen Altstadt stellt dafür regelmäßig eine Überraschungstüte in der App ein. Und die übrig gebliebenen Brötchen, Aufschnitt und Kaffee für insgesamt 4,50 Euro erfreuen sich großer Beliebtheit. Es gibt Stammkunden wie eine Familie aus der Nachbarschaft oder Bürogemeinschaften, die zum Abholen sogar Schalen, Behältnisse und Thermoskannen mitbringen. Wie viel es gibt, ist ganz unterschiedlich. „Wir stellen täglich maximal eine Tüte ein. Da können auch schon mal 20 Brötchen dabei sein“, erklärt Dumke, die bereits seit 25 Jahren die Geschäfte des Hotels führt. Too Good To Go kommt aber nur zum Einsatz, wenn auch eine gewisse Auslastung des Hotels gegeben ist. In den letzten drei Jahren waren es auf jeden Fall bereits mehr als 250 Überraschungstüten voller Dinge, die für die Tonne zu gut waren.

 

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