Teilnehmer im Gesprch beim IHK Podcast Event am 25. Juni 2025, Networking an Stehtischen mit Informationsmaterial und Kaffee Arne Hirschner ist Projektleiter des WBCs und moderierte u.a. dazugehörige Veranstaltungen wie die Podcast-Miniserie "Vom Engpass zum Erfolg". Foto: Insa Hagemann

Interview: Ein Jahr Welcome & Business Center IHK

12. November 2025

Seit Anfang 2025 dient das Welcome & Business Center IHK der gezielten Zuwanderung von Fach- und Arbeitskräften. Anlässlich des einjährigen Bestehens des Projekts werfen wir mit WBC-Projektleiter Arne Hirschner einen Blick auf die vergangenen Monate und die Herausforderungen für Unternehmen.

Herr Hirschner, das Welcome & Business Center, kurz WBC, besteht im Januar seit genau einem Jahr. Wie blicken Sie als Projektleiter auf die vergangenen Monate zurück?

Arne Hirschner: Es waren herausfordernde Monate mit Personalsuche, -einstellung und Einarbeitung der neuen Kolleginnen und Kollegen. Besonders gefreut hat mich, wie schnell wir arbeitsfähig waren und Unternehmen unterstützen konnten. Bereits vor dem Start des Welcome & Business Centers durch die IHK hatten wir festgestellt, dass ansässige Unternehmen und Fachkräfte aus Drittstaaten gezielte Hilfe rund um Bürokratie, Prozesse und Integration suchen. Aus dieser Beobachtung heraus haben wir das WBC ins Leben gerufen und sehen uns seither täglich in unserer Entscheidung bestärkt. So konnten wir bereits 138 Unternehmen im Prozess der Fachkräfteeinwanderung von 337 neuen Mitarbeitenden unterstützen. Außerdem haben wir unser Angebot auf 292 Veranstaltungen und Workshops vorgestellt und Unternehmen gezielt informiert. Besonders gerne denke ich an unsere Mini-Podcast-Serie zurück, die als Live-Event die Themen Zuwanderung von Fachkräften und Auszubildenden aus Drittstaaten, Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in den regionalen Arbeitsmarkt sowie Qualifizierung von Un- und Angelernten zu Fachkräften in der Region aufgegriffen hat.

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie und Ihr Team derzeit?

Hirschner: Wir arbeiten täglich daran, die verschiedenen Angebote des WBC weiter bekannt zu machen. Dabei stellen wir immer wieder fest, dass es viele interessierte und engagierte Unternehmerinnen und Unternehmer gibt. Gleichzeitig scheuen viele vor dem vermeintlichen Aufwand zurück, sich mit der Suche und Integration ausländischer Fachkräfte und Auszubildender auseinanderzusetzen. Dabei gehört der Fachkräftemangel branchenübergreifend weiterhin zu den größten Risiken in unserer Wirtschaftsregion – und die Lage wird sich mit dem Ausscheiden der Babyboomer bis in die 2030er-Jahre weiter verschärfen. Unternehmen, die bei diesem Thema jetzt zögern, könnten künftig große Probleme bekommen. Daher wollen wir Mut machen und zeigen, dass unser WBC genau hier ansetzt und als verlässlicher Partner bereitsteht: Wir beraten grundsätzlich zu Möglichkeiten und begleiten Unternehmen durch den gesamten Prozess – von der Suche nach der passenden Fachkraft bis hin zum Ankommen im Betrieb und den bürokratischen Anforderungen.

Nichtsdestotrotz klingt es nach einem großen Aufwand, den die Unternehmen zusätzlich auf sich nehmen müssten.

Hirschner: In die Zukunft des eigenen Unternehmens zu investieren, ist sicherlich immer mit einem gewissen Aufwand verbunden. Dieser zahlt sich aber langfristig aus – etwa wenn Personallücken durch Renteneintritte geschlossen oder unbesetzte Ausbildungsstellen qualifiziert besetzt werden können. Darüber hinaus gibt es neue Instrumente, um Fachkräfte aus Drittstaaten schneller nach Deutschland zu holen – beispielsweise die Anerkennungspartnerschaft. Dabei erfolgt die Einstellung der Fachkraft im Betrieb bereits vor Abschluss des beruflichen Anerkennungsverfahrens, das sonst Voraussetzung für ein Visum ist. So haben beide Seiten die Chance, sich frühzeitig persönlich und im betrieblichen Alltag kennenzulernen und zu prüfen, ob eine Zusammenarbeit passt. Bislang haben erst wenige Unternehmen in Niedersachsen diesen Schritt gewagt. Doch die, die es getan haben, sind vollends zufrieden – nicht zuletzt, weil unsere Beraterinnen und Berater aus dem WBC diesen Prozess eng begleiten und die Anforderungen genau kennen.

Was plant das WBC, um jungen Menschen mit Migrationshintergrund sowie ihren Eltern das System der dualen Ausbildung näherzubringen und sie von dessen Wert für den eigenen beruflichen Weg zu überzeugen?

Hirschner: Wir haben hierzu bereits ein gutes Netzwerk mit lokalen Partnern aufgebaut – insbesondere mit den migrantischen Communitys und den Schulen. Neue Workshopformate zur Ansprache junger Menschen wurden bereits erfolgreich erprobt und dienen künftig als Blaupause, um solche Ansätze in die gesamte IHK-Region zu tragen. Schon jetzt sind wir begeistert, wie offen und dankbar die Angebote angenommen werden. Ich bin überzeugt, dass sie auch das notwendige Vertrauen schaffen, um die Chancen zu erhöhen, dass junge Menschen mit Migrationshintergrund einen erfolgreichen Berufsweg im dualen System einschlagen.

Welche Angebote hat das WBC noch – etwa für Unternehmen, die Mitarbeitende gezielt weiterentwickeln oder deren Kompetenzen sichtbar machen möchten?

Hirschner: Da gibt es verschiedene Wege, die sich eng an den Bedürfnissen des jeweiligen Unternehmens orientieren und zu denen das WBC berät. Exemplarisch möchte ich das Instrument der Teilqualifikationen nennen. Es ermöglicht Unternehmen, Mitarbeitende mit fehlendem oder nicht mehr verwertbarem Berufsabschluss schrittweise, flexibel und praxisnah weiterzuentwickeln. Am Ende kann sogar der Berufsabschluss über die Externenprüfung stehen. Seit dem 1. Januar 2025 steht zusätzlich das Instrument der Validierung zur Verfügung. Damit können Erwachsene, die ihre beruflichen Kompetenzen primär durch Arbeitserfahrung erworben haben, einen anerkannten Nachweis über ihr fachliches Know-how im Vergleich zu Ausbildungsabschlüssen – etwa in IHK-Berufen – erhalten.

Welche Vorteile bringt das für Unternehmen?

Hirschner: Eine berechtigte Frage – denn diese Mitarbeitenden verbessern natürlich auch ihre Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Für Unternehmen ergibt sich jedoch die große Möglichkeit, Mitarbeitende, die das Unternehmen und seine Abläufe bereits kennen, direkt innerbetrieblich weiterzuentwickeln und Potenziale zu nutzen, die sonst vielleicht unentdeckt blieben. Das spart Zeit und Geld, das andernfalls in externes Recruiting investiert werden müsste – mit ungewissem Ausgang. Wenn Unternehmen ihren Mitarbeitenden solche Angebote machen, ist das auch immer ein Zeichen der Wertschätzung für die bisher geleistete Arbeit. Die Loyalität gegenüber dem Betrieb steigt und die persönliche Identifikation mit dem Unternehmen wird gestärkt, weil konkrete Entwicklungsperspektiven sichtbar werden. Unternehmen, die sich für Teilqualifikationen oder Validierung interessieren, können sich gerne an das WBC wenden.

Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: Wie wird sich die Arbeitsmarktsituation und der Fachkräftemangel in den kommenden Monaten und Jahren entwickeln?

Hirschner: Ich bin überzeugt, dass es für Unternehmen in den kommenden Jahren zunehmend herausfordernd wird, Arbeits- und Fachkräfte zu finden. Die Zahl der Renteneintritte übersteigt deutlich die Zahl der Berufseinsteiger. Die Wirtschaft befindet sich weiterhin in einer Phase der Transformation, sodass Digitalisierung und Dekarbonisierung Berufsbilder und Qualifikationsanforderungen verändern. Konjunkturelle Schwäche und wirtschaftliche Stagnation könnten die Nachfrage kurzfristig dämpfen – lösen die strukturellen Probleme aber nicht.

Was ist also Ihre Empfehlung an Unternehmen?

Hirschner: Aus der Erfahrung im WBC heraus möchten wir Unternehmen ermutigen, aktiv zu werden und die Zukunft ihrer Fachkräftesicherung selbst in die Hand zu nehmen. Denn so wie wirtschaftlicher Stillstand Risiken birgt, kann auch ein Zögern bei der langfristigen Arbeits- und Fachkräftesicherung teuer werden. Wer frühzeitig investiert, wird in Zukunft profitieren. Zuwanderung, Qualifizierung und Ausbildung sind die Schlüssel zur Sicherung der Arbeitskräftebasis. Wir wissen: Für viele – insbesondere kleinere Unternehmen – ist dieser Weg mit Herausforderungen verbunden. Genau hier setzt das Angebot unseres WBC an. Unsere fachkundigen und engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen den Unternehmen mit Rat und Tat zur Seite.

Die Fragen stellte Sabrina Kleinertz