Konjunktur-Team der IHK Niedersachsen bei einer Veranstaltung Zurzeit ohne allzu gute Nachrichten: Die IHKN-Konjunkturfachleute Maike Bielfeldt, Dr. Martin Knufinke (l.) und Dr. Mirko-Daniel Hoppe. Foto: Dörmer

Niedersachsen-Konjunktur: Wirtschaft auf Talfahrt

10. Oktober 2025 | von Klaus Pohlmann

Niedersachsens Wirtschaft sendet Alarmsignale. Anders kann man die Ergebnisse der aktuellen IHKN-Konjunkturumfrage kaum noch sehen. Der Wirtschaftsminister forderte daraufhin einen Stabilisierungsplan für die Industrie. 

 

Talfahrt statt Aufbruch: Die vergangenen Monate haben bei fast allen für die Konjunktur relevanten Zahlen einen zum Teil deutlichen Trend ins Negative gebracht. Der niedersächsische Konjunkturklimaindikator fiel nach einem leichten Aufwärtstrend um sieben auf jetzt 85 Punkte. Die Schere sowohl bei der Geschäftslage als auch bei den Erwartungen öffnet sich wieder: Beim einen wie beim anderen Wert steigen die schlechten Meldungen, die guten gehen zurück. 

Auftragseingänge mit dramatischer Entwicklung

Geradezu dramatisch aber die Entwicklung bei den wichtigen Auftragseingängen für die Industrie: In diesem Herbst verbuchen 40 Prozent der Unternehmen sinkende Zahlen. Der Saldo von positiven und negativen Meldungen stieg von minus acht auf minus 25. „Das ist mehr als eine Flaute“, sagte Maike Bielfeldt, Hauptgeschäftsführerin der IHK Niedersachsen, und sprach von einem erneuten Rückschlag. 

Bielfeldt stellte in Hannover die Ergebnisse der Quartalsumfrage der niedersächsischen Industrie- und Handelskammern unter rund 2200 Unternehmen vor. Danach weisen auch die Beschäftigungs- und die Investitionspläne der Unternehmen wieder nach unten. Bei der Beschäftigung ging es um 9, bei den Investitionen um 5 Punkte abwärts. Ernüchternd auch die Motive für Investitionen: Rationalisierung als Ziel nimmt zu - Innovation, höhere Kapazitäten oder Umweltschutz verlieren zum Teil deutlich. 

Vorsicht belastet den Konsum

Drastisches ebenso bei der Konsumneigung: Die ist nicht mehr weit entfernt vom Niveau während der großen Krisen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher halten ihr Geld zusammen, lassen sich nur Gesundheit oder Urlaub etwas kosten. Ablesen kann man das auch an den Branchenzahlen für das niedersächsische Gastgewerbe: Während Restaurants und Gaststätten schwache Ergebnisse melden, sieht es bei den Übernachtungen immerhin noch zufriedenstellend aus. 

Das Bild ansonsten: Dem Hochbau fehlen Aufträge, die schwache Inlandskonjunktur bremst den Großhandel, im Verkehr ist das Beförderungsvolumen rückäufig, und im an sich so stabilen Dienstleistungssekor zeigen sich Bremsspuren. Nur die Banken sehen zunehmendes Kreditgeschäft mit Unternehmen, aber auch mit Verbraucherinnen und Verbrauchern.

Exporterwartungen trotz US-Zöllen stabil

Kein Lichtblick, aber immerhin „wider erwarten stabil“, so Bielfeldt, die Exporterwartungen der niedersächsischen Unternehmen. Das allerdings auf niedrigem Niveau (- 10) und weiter unter dem langjährigen Durchschnitt (+ 12). Der minimale Anstieg mag auf die vergleichsweise robuste Weltwirtschaft zurückgehen und trotzte den neuen Zollsätzen im wichtigen US-Geschäft: „Die Konjunkturschwäche kann damit nicht mehr auf die Unklarheiten bei Zöllen zurückgeführt werden.“

Worauf also? Ganz wesentlich auf einen Vertrauensverlust bei den Unternehmen gegenüber der Politik. Die Hoffnungen auf die neue Bundesregierung haben sich bislang nicht erfüllt. Zwar spielten die jüngsten Berliner Beschlüsse, die unmittelbar vor Veröffentlichung der IHKN-Konjunkturumfrage gefasst wurden, für die Ergebnisse keine Rolle. Niedersachsen könne von den zusätzlich 3 Mrd. Euro für den Straßenbau profitieren, so Bielfeldt. Eine Trendumkehr erwartet sie davon aber nicht.

Die aber muss schnellstens her, machte die Hauptgeschäftsführerin deutlich: „Der Zustand des Standortes duldet keinen Aufschub.“ Zu teuer, zu bürokratisch – Bielfeldt zitierte eine Unternehmensantwort aus der aktuellen Umfrage: „Die Luft wird enger. Der Kostendruck steigt.“ 

Reaktion aus dem Wirtschaftsministerium

Niedersachsens Wirtschaftsministerium Grant Hendrik Tonne erwartet zwar für das kommende Jahr eine leichte Belebung der Konjunktur. In einer Reaktion auf die aktuelle IHKN-Umfrage forderte er aber unter anderem einen Stabilisierungsplan für die Industrie und sieht sowohl die Bundesregierung als auch die EU dabei in der Pflicht für eine “aktive und aktivierende Wirtschafts- und Industriepolitik, damit Deutschland konjunkturell nachhaltig die Kurve kriegt.”

Noch fehlt aber in der Wirtschaft die die Zuversicht, dass es die Politik richten wird. Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen stehen jetzt aus Sicht als Konjunkturrisiko unangefochten auf Platz ein: 69 Prozent der Unternehmen sehen das so. Die Inlandsnachfrage bereitet 60 Prozent Sorge. Den Fachkräftemangel sehen aber erstmals wieder weniger als die Hälfte der Unternehmen als Geschäftsrisiko. Das passt zu den verhaltenen Beschäftigungsplänen der niedersächsischen Wirtschaft. Und die Zahl der Unternehmen, die entweder einen Bedarf an Neueinstellungen oder keine Probleme bei der Stellenbesetzung haben, ist jeweils um zwei bis drei Prozentpunkte gestiegen.

Entlastungen bei Steuern und Energiepreisen

Das Paket an Gegenmaßnahmen in dieser für die Wirtschaft insgesamt bedrohlichen Lage – schließlich sind auch die internationalen Krisenherde noch nicht nachhaltig gelöscht - ist nicht weniger umfangreich als die Reihe der Probleme. Vor allem aber sind die Forderungen nicht neu: Mehr Verlässlichkeit. Weniger Bürokratie, dafür mehr Geschwindigkeit. Und vor allem, so Maike Bielfeldt, echte Reformen. Konkret mahnte sie Steuerentlastungen für Unternehmen an, „als klares Signal, und das schnell.“ Ebenso setzte sie sich für insgesamt niedrigere Energiepreise ein.

Wirtschaftsminister Tonne sprach sich kurz nach der IHKN-Veröffentlichung unter anderem für die schnelle Einführung eines Industriestrompreis aus. Außerdem will er Klarheit zur konkreten Förderung der E-Mobilität. Und, so Tonne, „wir brauchen jetzt die angekündigten Schutzzölle und Obergrenzen beim Stahl, wir brauchen jetzt Entlastungen bei Vorschriften und Erfüllungsaufwand durch die EU-Kommission.“

Tatsächlich steht das Thema Entbürokratisierung steht weiter auf der Tagesordnung. Hier zeigte sich die IHKN-Hauptgeschäftsführerin aber fast schon desillusioniert: Es gebe an dieser Stelle keine Erkenntnisproblem in der Politik, sagte sie und kann sich durch die Äußerung des Wirtschaftsministers bestätigt sehen. Allein von den Industrie- und Handelskammern seien rund 150 Vorschläge gekommen, so Bielfeldt, es liege alles auf dem Tisch: „Ich will jetzt keine Listen mehr schreiben.“