Das 5G-Netz mit seinen beeindruckenden Leistungsdaten und die Reservierung von Frequenzen für eigene Campusnetze bieten für Unternehmen völlig neue Möglichkeiten. Bund und Land fördern diese Entwicklung intensiv. Hier lohnt ein genauerer Blick auf die
Anwendungsmöglichkeiten, denn diese Technologie könnte zu einem zentralen Baustein der Unternehmensentwicklung werden.
Der Mobilfunkstandard 5G ist ein technologischer Quantensprung,
der Unternehmen Möglichkeiten für die Entwicklung völlig neuer Geschäftsmodelle
und zur Neustrukturierung bestehender Prozesse bietet. Die „Fabrik der Zukunft“, in der Maschinen, Prozesse, Werkzeuge und Menschen vernetzt arbeiten und sensorgestützt autonome Fahrzeuge und Roboter die Teileversorgung übernehmen, wird genauso
möglich wie die Remote-Steuerung und Überwachung von Maschinen und Robotern
oder hoch autonomes Fahren. 5G stammt vom 4G/LTE-Mobilfunkstandard ab und wird ständig weiterentwickelt. Während mit dem Release 15 im Jahr 2018 erstmals eine vollständige Spezifikation vorlag, hat das Release 16, das im Juli 2020 veröffentlicht
wurde, eine wesentliche Weiterentwickelung gerade auch für den Einsatz in mobilen
Umgebungen gebracht. Beispiele sind eine verbesserte Kommunikation zwischen Fahrzeugen, geringere Latenzen – also Reaktionszeiten – und genauere Positionsbestimmungen. Dies macht eine Vielzahl neuer Anwendungen möglich.
Inzwischen steigt auch die Zahl der verfügbaren 5G-Endgeräte deutlich an.
Die möglichen optimalen Leistungsdaten von 5G liegen weit oberhalb derjenigen
von 4G/LTE: So sind Spitzengeschwindigkeiten von über 10 Gbit/s – verglichen mit 1 Gbit/s bei 4G und extrem kurze Latenzzeiten von unter 1 Millisekunde (ms) im Vergleich zu 15 ms bei 4G möglich. Darüber hinaus kann bei 5G eine extrem hohe Dichte an Endgeräten von 1 Million/km2 bei gleichzeitig deutlich geringerem Energieverbrauch versorgt werden – ein wesentlicher Punkt, wenn man beispielsweise an die Nutzung von Sensoren und Aktoren denkt. Klar muss dabei allerdings sein, dass die Spitzenwerte bei Geschwindigkeit („Enhanced Mobile Broadband“ (eMBB)), Latenz („Ultra-Reliable Low latency Communications“ (URLLC)) und Endgeräten („Massive Machine Type Communications“ (mMTC)) nicht gleichzeitig erreichbar sind. Neben der Konfiguration
des Netzes ist eine entscheidende Determinante die genutzte Frequenz. Je höher die Frequenz, desto kleiner ist die Reichweite und geringer die Fähigkeit, Hindernisse
zu durchdringen, aber desto größer ist auch die Geschwindigkeit. Im von der Bundesnetzagentur im Jahr 2019 für 5G-Nutzungen versteigerten Frequenzbereich
von 3,4 bis 3,7 GHz (Gigahertz) beträgt die Zellgröße, also die Reichweite der Antennen bis zu drei Kilometer und die Geschwindigkeit bis zu 1 Gbit/s. Im Frequenzband bei 26 GHz, für das die Bundesnetzagentur im Mai die ersten Lizenzen für lokale und regionale Netze vergeben hat, beträgt die Reichweite nur noch bis zu 300 Meter, dafür steigt die
Geschwindigkeit auf bis zu 10 Gbit/s. an. Entsprechend bieten die Telekommunikationsunternehmen auf den individuellen Bedarf zugeschnittene Lösungen
(Network slicing) an. Bei der Planung eigener Netze ist es notwendig, diese entsprechend
des Anwendungsfalles zu konfigurieren. Der Bereich von 3,7 bis 3,8 GHz, also der Bereich direkt oberhalb der für das öffentliche 5G versteigerten Frequenzen, ist von der Bundesnetzagentur für 5G-Campusnetze, also unternehmenseigene Netze, reserviert worden. Damit bietet sich Unternehmen die Möglichkeit, eine hochleistungsfähige, betriebseigene, lokale Mobilfunk-Infrastruktur aufzubauen, die individuell und skalierbar auf die eigenen Anforderungen maßgeschneidert werden kann und der eigenen Qualitätssicherung unterliegt. Der Aufbau und Betrieb eines eigenständigen Campusnetzes ist allerdings nicht die einzige Variante. Zwar stellt diese Form des Betreibermodells die individuellste, leistungsfähigste und, aufgrund der Möglichkeit der strikten Abgrenzung
zu öffentlichen Netzen, sicherste Variante dar. Allerdings sind hier auch die Erstellungskosten hoch und ein großes Know-how ist erforderlich. Einen „gegenteiligen“,
völlig virtuellen Weg bietet ein privater Slice für firmeninterne Anwendungen innerhalb des Netzes eines Mobilfunkbetreibers. Zwischen diesen Lösungen gibt es eine Vielzahl von Varianten. Für ein eigenes Campusnetz muss eine Lizenz bei der Bundesnetzagentur
(www.bundesnetzagentur.de/lokalesbreitband) beantragt werden. Auch für den 26-GHz-Bereich können Unternehmen Lizenzen beantragen. Weder die Kosten für die Frequenzen noch das unbürokratische Antragsverfahren dürften dabei zu einem Hemmnis werden.
Deutlich komplexer, aber auch von zentraler Bedeutung, wird allerdings die Analyse möglicher Anwendungen sein. Die simple Übertragung bestehender Prozesse auf ein 5G-System scheint in der Regel aufgrund von Kosten, Aufwand und Nutzen wenig zielorientiert. Hier ist eher zu prüfen, ob Prozesse völlig neu gedacht werden können oder ob die Technologie Möglichkeiten bietet, Geschäftsfelder auszuweiten oder neu zu entwickeln. Bund und Land haben es sich zum Ziel gemacht, Unternehmen bei der Implementierung von 5G-Lösungen zu unterstützen, da die Technik komplex und viele Business cases noch nicht wirtschaftlich zu betreiben sind. Deshalb fördert Niedersachsen
seit März 2021 – neben Nordrhein-Westfalen als bisher einziges Bundesland – mit der sogenannten Campusnetz-Richtlinie Unternehmen. Die Förderung ist dabei technologieoffen und nicht auf reine G-Anwendungen beschränkt. Da der
Endgerätemarkt sich erst entwickelt, sind entsprechend auch 4G/LTE–Konzepte einbezogen. Gefördert werden investive Ausgaben für den Betrieb eines lokalen, privaten
Funknetzes. Förderfähig sind dabei Prozess- und Organisationsinnovationen (mit 200 000 Euro Förderhöchstbetrag) nd Forschungsvorhaben (mit 2 Mio. Euro Förderhöchstbetrag).
Um Möglichkeiten und Potenziale abschätzen zu können, ist aber auch ein Blick auf Anwendungsprojekte interessant. Das Bundesverkehrsministerium fördert im Rahmen des 5G-Innovationswettbewerbs 67 Modellregionen, 11 davon aus Niedersachsen. Hier gibt es Projekte zur mehrdimensionalen und multiatributellen Erfassung des öffentlichen Raum, um ihn konkurrierenden Nutzungen besser verfügbar zu machen (5GAPS, Stadt Hannover). Oder zum Echtzeitaustausch medizinischer Daten zwischen Rettungsdienst
und Klinik (Rettungskette 5G, Landkreis Ostalbkreis), zur innovativen Patientenversorgung
mit sensorgestütztem smarten Krankenhausbett (Health5Gnet, Landkreis Göttingen) oder zur Verbesserung der Verkehrssteuerung in Städten (5G-trAAfic, Stadt Aalen). Für Unternehmen, die Ideen und Anwendungen esten wollen, ohne bereits in eine eigene Netzinfrastruktur zu investieren, bieten sich die sogenannten Reallabore an. So ist die Deutsche Messe AG in Hannover mit ihrem Projekt „Smart Venue“ dabei, auf ihrem 1,4 Millionen Quadratkilometer großen Gelände ein 5G-Campusnetz aufzubauen. Das Netz kann während laufender Messen von Ausstellern sowie außerhalb von Messezeiten von Unternehmen für Tests und Feldversuche genutzt werden. Erprobt werden können Produkte, Lösungen und Anwendungen aus den Bereichen Produktion und Mobilität sowie
aus den Bereichen Smart City, Smart Farming, Logistik- oder Medizintechnik. Die
erste Ausbaustufe des Netzes wird in Kürze abgeschlossen sein, so dass ab dem
vierten Quartal 2021 Nutzungen möglich sein werden. Das vom Bund geförderte 5G-Reallabor in der Mobilitätsregion Braunschweig- Wolfsburg erprobt in den Anwendungsfeldern Mobilität, E-Health und Smart Construction sowie technologieorientierten Querschnittsaktivitäten die Einsatzmöglichkeiten von 5G. Dazu wird unter Leitung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt ein für regionale Anwendungen offenes, sektorenübergreifendes Reallabor für verschiedenste Akteure
aufgebaut. Basis ist die öffentliche 5G-Infrastruktur, die in Forschungsinfrastrukturen
und kommunalen Infrastrukturen integriert und einem breiten Expertenkreis aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung zur Verfügung stehen wird. Im TIP-Innovationspark Nordheide im Landkreis Harburg wird mit dem von Bund und Land geförderten „5G-Scenario-Lab“ ein smartes Gewerbegebiet geschaffen, dass kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) sowie Forschungseinrichtungen als Versuchsfeld zur Verfügung stehen wird.
Weitere Informationen und Beratungsangebote beim Breitbandzentrum Niedersachsen
Bremen: www.t1p.de/r12f Speziell zur Förderung von 5G Campusnetzen: www.t1p.de/6eod sowie
bei der NBank: www.t1p.de/0gcz
Informationen zu den Modellregionen des 5G-Innovationswettbewerbes finden Sie hier: www.t1p.de/w9bt
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