Wie ist die Lage in der Hildesheimer Innenstadt? Ein Rundgang mit der Vorsitzenden des Händlervereins „Die freundlichen Hildesheimer“ und dem Leiter der IHK-Geschäftsstelle – Anfang Oktober.
Es ist eigentlich ein schöner Ort“, sagt Hans-Joachim Rambow, während er über den Hindenburgplatz in Richtung Hildesheimer Innenstadt geht. Es gibt Sitzgelegenheiten unter Bäumen und den Rosenbrunnen, in dem an diesem Mittwochnachmittag Anfang Oktober allerdings kein Wasser plätschert. Über den beschmierten Fenstern einer verlassenen Bankfiliale klaffen Lücken in der Verkleidung. „Zuletzt wurde dort aber gearbeitet“, erklärt der 58-Jährige, der im September die Leitung der IHK-Geschäftsstelle in Hildesheim übernommen hat. Es soll Gastronomie einziehen, hat Rambow von seinem Vorgänger Marc Diederich gehört, der nun die Göttinger Wirtschaftsförderung leitet.
Erster Stopp auf der Tour durch die Hildesheimer Innenstadt ist das Handelshaus Schlegel in der Schuhstraße. Vor sieben Jahren hat Senab Özkan das Fachgeschäft für Spirituosen, Wein und Confiserie zusammen mit ihrem Mann übernommen. Seit bald zwei Jahren ist sie zudem Vorsitzende beim Verein der Innenstadthändler „Die freundlichen Hildesheimer“. „Wir haben zum Glück noch viele inhabergeführte Geschäfte in Hildesheim“, sagt die 29-Jährige beim Einbiegen in die Scheelenstraße. Filialen großer Ketten gibt es in der ruhigen Straße nicht. Dafür beispielsweise den Coffeeshop Beans & Coffee, das Modehaus Kressmann und das Spielzeuggeschäft „Holzkopp“. Die Menschen, die zu diesen Geschäften gehören, kennt sie meistens persönlich. „Wir können ja auch mal schauen, wer so da ist“.
Auf der autofreien Straße sind an diesem Tag nur wenige Menschen unterwegs. „Was mir Sorge bereitet, man sieht bei ihnen auch kaum Tüten“, sagt Hans-Joachim Rambow, der vor seinem Einstieg bei der IHK viele Jahre für den Handelsverband in Niedersachsen tätig war. Auch wenn die Einkaufsstraßen im Land an guten Tagen im September und Oktober wieder voll sind, so leidet der Einzelhandel doch weiterhin. „Es sind reine Bedarfskäufe. Lustshopping, Einkaufen für das Erlebnis findet derzeit praktisch nicht statt“, bemerkt Özkan.
Britta Röthemeyer vom gleichnamigen Modehaus in der Scheelenstraße sieht aber auch positive Entwicklungen, etwa bei den Umsätzen. „Es sieht so aus, als ob wir die Ausfälle aus dem Frühjahr ausgleichen können“, sagt die 53-Jährige. Sie zähle zwar noch etwas weniger Kunden in ihrem Geschäft, das sie in dritter Generation führt, aber es gehe aufwärts. „Die Kunden wissen auch in diesen Zeiten eine kompetente Beratung zu schätzen, die wir unter Einhaltung eines strikten Hygienekonzepts anbieten.“
Öffnungszeiten-Wildwuchs
Während sie sich Dinge leichter macht, bauen andere an anderer Stelle neue Hürden auf, was Röthemeyer ärgert: „Wir können ja bald Visitenkarten mit Öffnungszeiten verteilen.“ In der Corona-Krise hätten viele Einzelhändler in der Stadt ihre Geschäftszeiten verkürzt, ohne sich untereinander abzustimmen. Sie würde sich wünschen, dass für die Kunden wenigstens gewisse Kernzeiten von allen Geschäften abgedeckt werden. In der Vergangenheit gab es das schon und es hat gut funktioniert, sagt sie. Um die Innenstadt wieder attraktiver zu machen, wünscht sich die Modehändlerin aber vor allem eines: mehr Sauberkeit. „Die Stadt ist unheimlich dreckig geworden. Überall fliegt Müll herum. Und die vielen Tauben sind ein Riesenproblem“, sagt sie. Dabei ergreift sie auch schon mal selbst die Initiative und spricht die Menschen an, die die Tiere fütterten, obwohl es verboten ist.
Es geht weiter in Richtung Platz an der Lilie, auf dem im Sommer normalerweise der Citybeach und im Winter eine Eisbahn aufgebaut wird. Den Weg säumen Laternen, an denen Körbe befestigt sind, in denen Geranien in pink und rosa wachsen. „Das sind unsere Blumenampeln. Ein Projekt von Hildesheim Marketing, das viele unsere Einzelhändler gern unterstützen“, erklärt Özkan. Etwa 60 Blumenampeln gibt es in den Hildesheimer Einkaufsstraßen. Getragen wird das Projekt von 20 Händlern oder Unternehmen, Institutionen und Privatpersonen aus Hildesheim. Bereits seit sechs Jahren bereichern die Blumen das Einkaufserlebnis in der Stadt.
Zwei Schaufensterscheiben der Juwelierkette Christ sind mit feinsten Rissen und einem Loch versehen. „Erfolgreich waren die EInbecher auf jeden Fall nicht“, kommentiert die Vorsitzende der Freundlichen Hildesheimer. Die Kette liegt bereits an der wichtigsten Hildesheimer Einkaufsmeile – der Almsstraße beziehungsweise dem Hohen Weg. Rechts Douglas, Telekom, Nordsee und Galeria (Kaufhof), links Vero Moda und ein markantes Gebäude mit einem offensichtlichen Leerstand. „Das war früher mal unsere zweite H&M-Filiale“, berichtet Özkan. Es gebe allerdings noch eine in der Arneken-Galerie, dem City-Einkaufszentrum der Stadt. „Den Holger, den könnten wir auch gleich treffen.“
Ein Anruf und wenige Meter weiter erwartet Center Manager Holger Höfner die Besucher von IHK und Händlergemeinschaft bereits. „Wir sehen uns als Teil der Stadt und bringen uns daher auch gern in die vielen Aktivitäten ein“, erklärt er. Seit zwei Jahren trägt er die Verantwortung für das eng mit der City verwobene Einkaufszentrum der Klepierre Gruppe. Die Entwicklung des Innenstadthandels in Deutschland betrachtet er mit Sorge: „Städte mit rund 100000 Einwohnern werden es schwerer haben als größere Großstädte, wie etwa Hannover. Es werden große Namen verschwinden“, fürchtet er. Der schwedische Textilkonzern H & M hat jüngst erst die weitere Schließung von Filialen angekündigt, von denen Hildesheim aber nicht betroffen ist. Höfners Rezept gegen den Abwärtstrend: „Hildesheim muss sich besser verkaufen, mit einer Dachmarke, einem Slogan und einem klaren Bild, das sich durchzieht. Ich habe neulich gehört, dass es das alles schon einmal gab. Aber wo ist es jetzt?“, fragt sich der Centermanager. Hildesheim sei eine attraktive Stadt, die viel zu bieten habe – darauf dürfe man auch ein wenig stolz sein.
Eine Ecke weiter auf der Almsstraße in Richtung Bahnhof mehren sich die offensichtlich verwaisten Ladengeschäfte, gegenüber des Galeria-Kaufhauses sind es sogar drei in einer Reihe. Man blickt in leere, verlassene Räume, an denen Immobiliengesellschaften ihre Telefonnummern angebracht haben. „Das kann man deutlich besser machen“, findet Hans-Joachim Rambow. Die Arneken-Galerie hat einen Leerstand am Hohen Weg zum Beispiel mit bunten Folien abgeklebt.
Fehlen Angebote für junge Menschen?
Das Büro des Hildesheimer Kulturhauptstadt-Teams an der Kaiserstraße ist auch in einem ehemaligen Leerstand untergekommen. Auf der Bernwardstraße ergänzen Friseure und Nagelstudios das Angebot, vor dem an diesem Nachmittag gerade ein Fahrzeug des Zolls vorgefahren ist. „Die Straße hat sich in den letzten Jahren schon positiv entwickelt“, erklärt Senab Özkan in Sichtweite des Geschäfts Leder Hünichen. Auch der gesamte Bahnhofsbereich, mit dem neuen Intercity-Hotel und dem sehr engagierten Modehaus Röther sei in den letzten Jahren deutlich attraktiver geworden.
Auch sie beschäftigt sich immer wieder mit der Frage, wie sich die Stadt weiterentwickeln soll. Ihr fehlt es auch an Angeboten für junge Menschen. „Hildesheim braucht ein attraktiveres Nachtleben“. Es könne nicht sein, dass man hier zwar gute Cocktails trinken könne, dann aber zum Tanzen nach Braunschweig oder Hannover fahren müsse – wobei daran derzeit ja sowieso nicht zu denken sei.
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