Das große Ziel war, trotz Corona alle Zwischen- und Abschlussprüfungen im Bereich der IHK noch im laufenden Ausbildungsjahr abzuschließen. Das hat geklappt, doch es war ein Kraftakt. Der Dank geht an die vielen Beteiligten, die seit den ersten Absagen im März mitgeholfen haben, einen Kraftakt zu bewältigen.

 

Freitag, der 13. März 2020 war für mehr als 200 000 Auszubildende in Deutschland ein bedeutender Tag: Sie erwarteten, in den nächsten Wochen ihre Zwischenprüfungen oder ihre schriftlichen und praktischen Abschlussprüfungen absolvieren zu können. Viele hatten die Einladungen zu den Prüfungen schon erhalten. Aber dann: Am Morgen dieses Freitags lief eine Eilmeldung durch alle Medien: „Lage spitzt sich in einzelnen Ländern zu. Zahlreiche Schulen haben bereits geschlossen oder wollen für heute entsprechende Maßnahmen ankündigen“. Damit standen sehr kurzfristig auch die Industrie- und Handelskammern vor der Frage: Können oder dürfen die anlaufenden Prüfungen überhaupt durchgeführt werden? Die Antwort fiel kurzfristig in einer bundesweiten Telefonkonferenz: „Die IHK-Organisation sieht sich angesichts der momentanen Lage gezwungen, die bundeseinheitlichen Zwischen- und Abschlussprüfungen Teil 1 in allen Ausbildungsberufen abzusagen. Die ordnungsgemäße Durchführung der Prüfungen ist objektiv nicht mehr möglich.“ Alle Weiterbildungsprüfungen vom 16. März bis einschließlich 24. April wurden abgesagt. Hinter den Kulissen waren zweierlei Aufgaben vordringlich: erstens das Absagen der angemieteten Prüfräume und die Information der Prüferinnen und Prüfer. Nahezu gleichzeitig begannen die Planungen, wann und vor allem auch wie diese Prüfungen nachgeholt werden konnten. Zum zweiten ging es darum, die verschobenen Prüfungen nahezu komplett neu zu organisieren – und zwar unter Corona-Bedingungen mit Hygienekonzept. Und nicht nur das: Jeder neue Termin stand ja stets unter dem Vorbehalt, dass der Lockdown soweit gelockert sein würde, dass die Prüfungen tatsächlich stattfinden konnten. Zudem waren etliche Betriebe, bei denen praktische Prüfungen stattfinden sollten, entweder komplett geschlossen oder für Außenstehende gesperrt.

Hygienekonzepte entwickelt
Wie alle anderen Unternehmen und Institutionen hat auch die IHK ein Hygienekonzept entwickelt, um das Infektionsrisiko zu minimieren. Darüber hinaus musste für die über 900 Prüfräume allein im Gebiet der IHK sichergestellt werden, dass Abstände eingehalten und Hygieneregeln befolgt wurden. Tausende von Masken und Desinfektionsmittel wurden beschafft und verteilt. Hilfreich war sowohl die volle Rückendeckung durch das Land Niedersachsen als auch durch die fast 40 Berufsschulen im Bereich der IHK. Die Hygienekonzepte der Berufsschulen wurden auch für die dort stattfindenden IHK-Prüfungen angewendet.

Berufsschulen tragen die Last
Angesichts der Versammlungsverbote war es zu dieser Zeit nicht möglich, beispielsweise schriftliche Prüfungen im Räumen mit bis zu 500 Prüflingen abzunehmen. Was also tun? Hier sind mit großem Einsatz die Berufsschulen eingesprungen. Und das in jeweils sehr kleinen Gruppen in Klassenräumen mit vielen Aufsichten. Auch dafür haben sich sind vielerorts Berufsschullehrkräfte zur Verfügung gestellt. So war zwar eine Vervielfachung des Bedarfs an Räumen und Aufsichten zu verzeichnen, aber letzten Endes war es besonders die Unterstützung der Berufsschulen, die den erfolgreichen Abschluss der Prüfungen ermöglicht hat.

Prüferinnen und Prüfer zogen mit
Eine große Unbekannte bei der Neuplanung war die Frage, wie viele Prüferinnen und Prüfer sich mitten in der Pandemie zur Verfügung stellen. Immerhin waren allein bei der IHK Hannover rund 8000 Ausbildungsprüfungen (schriftlich und mündlich/praktisch) in etwa 185 Ausbildungsberufen sowie rund 2000 Weiterbildungsprüfungen der Höheren Berufsbildung ebenfalls in mehreren Teilen abzunehmen. Zur großen Erleichterung aller Beteiligten gab es nur sehr wenige und begründete Absagen. Hier haben sich die ehrenamtlichen Prüferinnen und Prüfer besonders engagiert.

Ungewohnter Ablauf
Für Betriebe und Azubis war von Anfang an eines besonders wichtig: Der 31. Juli als Abschlussdatum der Ausbildung muss stehen! Erfreulicherweise ergab sich nicht die Notwendigkeit, die Prüfungen abermals zu verschieben. Anfang Juni wurde zwar bundesweit sehr intensiv nach Göttingen geschaut, ob wegen des dortigen Infektionsgeschehens die Terminierung noch wackeln könnte. Erfreulicherweise konnte dann aber planmäßig weiter verfahren werden. Allerdings gab es wegen des definierten Enddatums in diesem Jahr für einige Prüflinge die Besonderheit, dass die mündliche vor der schriftlichen Prüfung erfolgen musste. Das war der zeitlichen Enge geschuldet.

Fortbildungsprüfungen
Rund 2000 Fachkräfte, die sich teils jahrelang auf Prüfungen der Höheren Berufsbildung zu Industriemeistern oder Fachwirtinnen vorbereitet hatten, mussten ebenfalls damit klarkommen, dass ihre für das Frühjahr terminierten und komplett durchorganisierten Examina um zwei bis drei Monate in den Sommer verschoben werden mussten. Auch hier haben alle mitgespielt: die Prüferinnen und Prüfer ebenso wie die Vermieter der Prüfräume. Hygienekonzepte waren flächendeckend vorhanden und haben sich im Einzelfall auch in der Praxis bewährt. Diejenigen, die von der Prüfung coronabedingt zurückgetreten sind, werden im Herbst und im Frühjahr alles nachholen können.

Im Nachhinein: Was bleibt?
Auch bei der Abwicklung der Prüfungen war die Situation für alle Beteiligten in den vergangenen Monaten schwierig. Immerhin ist die Ursache eine ausgewachsene Pandemie. Aber in Ton und Inhalt bleibt in der Rückschau vor allem der Eindruck einer sehr vertrauensvollen und intensiven Zusammenarbeit aller Beteiligten. Das betrifft operativ vor allem die Berufsschulen und die prüfenden Lehrkräfte, aber auch die Prüfer, die als Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter ehrenamtlich tätig sind. Auch die Ausbildungsbetriebe, die trotz Corona praktische Prüfungen auch von Externen möglich gemacht haben, sind hier zu nennen. Auch die Mitarbeiter der IHK haben alles getan, um die erforderlichen Komplett-Verschiebungen zu ermöglichen. Wenn diese Zusammenarbeit unter dem zeitlichen Druck und den Unsicherheiten der Pandemie möglich war, dann muss einem um die Zukunft nicht bange werden. Wir sind zusammengerückt und es hat funktioniert.

 


Land startet Aktionsplan
Mit einem 18 Mio. Euro schweren „Aktionsplan Ausbildung“ will die niedersächsische Landesregierung in der Corona-Krise bestehende Ausbildungsplätze schützen und neue Ausbildungsverträge fördern. Mit einmalig gezahlten Beträgen von bis zu 1000 Euro sollen etwa Unternehmen unterstützt werden, die zusätzliche Lehrstellen anbieten und damit gleichzeitig auch vermehrt Jugendlichen mit Vermittlungshemmnissen eine Ausbildungsperspektive bieten: Die Landesförderung greift auch dann, wenn die Unternehmen nicht, wie bei der Ausbildungsprämie des Bundes vorausgesetzt, in erheblichem Umfang von der Covid-19-Krise betroffen sind. Man muss sich aber zwischen Landes- und Bundesförderung entscheiden: Beides zusammen geht nicht. Unterstützung gibt es auch bei verschobenen Prüfungsterminen oder zur Förderung der Mobilität Jugendlicher.


 

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Prof. Dr. Günter Hirth

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