Gut ein Drittel der niedersächsischen Unternehmen rechnet frühestens im kommenden Jahr mit einer Normalisierung der Geschäfte. Auch wenn das Virus unter Kontrolle ist, wird es noch dauern, die ökonomischen Krisen zu überwinden. Die Industrie- und Handelskammern in Niedersachsen haben Maßnahmen vorgeschlagen, um mittel- und langfristig die Bedingungen für eine Erholung der Wirtschaft zu verbessern.
Gründung, Digitalisierung oder Handel: Die IHK-Vorschläge zielen in verschiedenste Bereich der Wirtschaft. Bei der Umsetzung ist neben dem Land in manchen Bereichen auch die Bundespolitik gefragt. Der Maßnahmenkatalog sieht zum Beispiel Hilfen für die Gründerszene vor. Dass junge Unternehmen in dieser Krise besonders unter Druck stehen, hatte unter anderem bereits früh der Bundesverband Deutsche Startups hervorgehoben. Finanzielle Anreize und mehr Beratung, beides könnte aus IHK-Sicht helfen, die zu befürchtende Lücke bei Neugründungen zu füllen. Vorschlag: Jeder, der mit einem tragfähigen – und testierten – Konzept ein Unternehmen aufbauen will, sollte auch den Gründungszuschuss erhalten. Für eine bessere Beratung würde darüber hinaus die Wiederbelebung des Gründungscoachings mit Zuschüssen für Beratungsleistungen sorgen.
Auch etablierte Unternehmen haben jetzt mehr Beratungsbedarf. Es gibt zwar aktuell ein Programm des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, über das Beratungskosten bis zu 4000 Euro abgedeckt werden können. Sinnvoll wäre aber nach Ansicht der Industrie- und Handelskammern eine Rückkehr der Runden Tische, bei denen KfW, IHK, Berater und Banken gemeinsam mit dem betroffenen Unternehmen nach Auswegen suchen. Dieses Förderprogramm hat in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 hunderten Unternehmen geholfen.
Hilfe bei der jetzt anstehenden Digitalisierung
Kaum etwas wurde als Begleiterscheinung der Krise so in den Mittelpunkt gerückt wie die Digitalisierung. Stichworte für die Wirtschaft: die Welle Richtung Home Office, den Trend zum bargeldlosem Bezahlen, die rasante Zunahme des Online-Handels. Vor allem kleine und mittlere Händler, die vor der Krise vielleicht noch vor der Nutzung digitaler Absatzkanäle zurückschreckten, jetzt aber den Schritt gehen wollen, brauchen gezielte Unterstützung bei Fragen der digitalen Präsentation, der Auswahl der richtigen Plattform oder eigener Shop-Lösungen, ebenso beim Social-Media-Marketing oder bei Logistik- und Lieferstrukturen. Die Industrie- und Handelskammern setzen sich hier dafür ein, nicht nur allgemeine, sondern individuelle Beratungsmöglichkeiten für den Handel zu schaffen.
Auch an anderen Stellen setzt der IHK-Maßnahmenkatalog zur Krisenbewältigung auf mehr Digitalisierung. Zum Beispiel bei den Berufsschulen: Diese müssen jetzt auf einen zeitgemäßen technischen Stand gebracht, Lehrkräfte befähigt werden, die neuen Möglichkeiten zu nutzen und ihren Schülern digitale Lerninhalte zu vermitteln. Zudem brauchen die Schulen eine digitale Infrastruktur, und das heißt sowohl Breitbandanbindung als auch die Mittel für digitale Unterrichtsformate.
Aus Sicht der Wirtschaft stehen jetzt digitalisierte Verwaltungsprozesse oben auf der Tagesordnung. Das betrifft sowohl die Kommunikation zwischen Behörden und Unternehmen als auch Antragsstellung und -bearbeitung. Auf Bundesebene, so die IHK-Position, sollte sich Niedersachsen nicht nur dafür einsetzen, dass es weiterhin Zuschüsse gibt, wenn sich Unternehmen bei Digitalisierungsvorhaben beraten lassen: Der Zugang zu diesen Hilfen sollte darüberhinaus erleichtert und auch mittelgroßen familiengeführten Unternehmen – bis 249 Mitarbeiter – ermöglicht werden. Alternative wäre ein landeseigenes Förderprogramm für die Digitalisierungsberatung. Zwar gibt es in Niedersachsen den Digitalbonus, er umfasst jedoch nur Investitionen und Sachleistungen, nicht aber Beratungen etwa für einen attraktiven Web-Auftritt.
Impulse vom Staat sind weiter erforderlich
Wichtige Beiträge zur Bewältigung der Krise erwarten die Industrie- und Handelskammern auch weiterhin von der Öffentlichen Hand. Aufträge und Investitionen sollten zeitlich vorgezogen werden, um coronabedingte Nachfrageausfälle der Privatwirtschaft zu kompensieren. Im Bereich der Steuern gibt es nach Auffassung der Wirtschaft ein ganzes Bündel möglicher Maßnahmen: Die Verlustverrechnungsmöglichkeiten sollten erweitert, Investitionen in Digitalisierung und nachhaltige Entwicklung steuerlich gefördert werden. Erleichterung würden auch verlängerte Fristen für die Abgabe von Steueranmeldungen und Jahressteuererklärungen bringen. In der Krise wurde bereits einiges möglich gemacht, allerdings oft befristet. Hier sollte frühzeitig überlegt werden, diese Fristen zu verlängern. Und: Der Solidaritätszuschlag muss aus Sicht der niedersächsischen Industrie- und Handelskammern vollständig abgeschafft werden. Angesichts der hohen internationalen Verflechtung und nach wie vor bedrohter Lieferketten hat für die Wirtschaft die Wiederherstellung des EU-Binnenmarktes absolute Priorität. Zentral ist für viele Unternehmen die Möglichkeit, Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter – zum Beispiel technische Fach – oder Servicekräfte – ins Ausland zu schicken. Die Unsicherheit, ob man überhaupt eine Grenze passieren kann, ist ebenso Gift für internationale Geschäfte wie eine Vorgabe, dass Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter nach der Rückkehr aus dem Ausland 14 Tage in Quarantäne müssen. In diesem Zusammenhang fordern die Industrie- und Handelskammern aber auch, die von der Wirtschaft seit langem kritisierten Vorgaben der Entsenderichtlinie, die zu hohem bürokratischen Aufwand führen, auf den Prüfstand zu stellen.
Sorgen machten in den letzten Monaten auch neue Restriktionen, etwa Exportverbote für Medizinprodukte. Zwar wurden sie oft zeitlich begrenzt eingeführt, sie drohen sich aber zu verfestigen, je länger sie bestehen bleiben. Deshalb fordert die Wirtschaft, den Stand vor Corona so bald und so weit wie möglich wiederherzustellen.
Bei der Risikoabsicherung im Ausland sollten, so die Auffassung der Industrie- und Handelskammern, die Erweiterung der staatlichen Exportkreditversicherung und der Warenkreditversicherungen so lange wie nötig beibehalten werden.
Handel: Zusätzliche Öffnungen ermöglichen
Zu den nach langer Schließung besonders betroffenen Branchen gehört auch der Handel. Dem würde jetzt eine temporäre Freigabe der Sonntagsöffnungen in Niedersachsen helfen. Dadurch könnten zum Beispiel ausgefallene Verkaufsöffnungen nachgeholt, möglicherweise zusätzliche Einkaufssonntage ermöglicht werden. Das würde den Konsum ankurbeln, die Innenstädte beleben und Abverkauf von Lagerbeständen erleichtern. IHK-Forderung: Die Sonntagsöffnung muss unbürokratisch möglich sein und entsprechend ohne Antragstellung erfolgen können. Vor allem sollte der Anlassbezugs ausgesetzt werden. Für den Handel wichtig wären verkaufsoffene Sonntage im umsatzstarken Advent. Auch die Aufhebung des Öffnungsverbotes an Feiertagen sollte ins Auge gefasst werden.
Stichwort Registrierkassen: Die Pflicht einer zertifizierten Sicherheitseinrichtung wird ab Oktober dieses Jahres scharf geschaltet. Das fristgerecht zu schaffen, wird durch Corona noch schwieriger. Helfen würde den Unternehmen eine Fristverlängerung. Auch die Aufhebung der Bonpflicht würde für den Handel eine Entlastung bedeuten. Auf lange Sicht pochen die Industrie- und Handelskammern auf eine Stärkung der Innenstädte. Kunden kaufen stationär nur ein, wenn sie vor Ort etwas erleben, das der Onlinekauf nicht bietet. Die Händler tragen ihren Teil dazu bei, indem sie Servicequalität und gute Beratung bieten, Veranstaltungen organisieren und dem Kunden den viel zitierten „Erlebniseinkauf“ bieten. Diese Maßnahmen sind aber nur erfolgreich, wenn auch das Umfeld stimmt. Hier gibt es aus Sicht der Wirtschaft verschiedene Ansatzpunkte, um Kommunen und den stationären Handel zu unterstützen. Bestehende Förderprogramme, wie zum Beispiel die Städtebauförderung, müssen in Niedersachsen noch stärker bekannt gemacht und attraktiver ausgestaltet werden. Initiativen, wie zum Beispiel „Heimat shoppen“ sollten vom Land ebenso unterstützt werden wie die Quartiersinitiativen als vergleichsweise neues Thema. Das ist aus IHK-Sicht deshalb besonders sinnvoll, weil attraktivere Innenstädte allen ansässigen Unternehmen – nicht nur dem Handel – und auch der Bevölkerung zugutekommen. Darüber hinaus könnten Förderprogramme für Innenstädte bei weiteren Aspekten ansetzen: Unterstützung ehrenamtlichen Engagements, zum Beispiel Werbegemeinschaften, Leerstandsmanagement, Gründungswettbewerbe und Digitalisierungsbestrebungen
von Unternehmen und Standorten.
Doppelstrategie für Wachstum und Klimaschutz
Ein wirtschaftliches Wiederaufbauprogramm muss aus Sicht der niedersächsischen Industrie- und Handelskammern nicht nur wirksam sein, sondern auch zu längerfristigen Zielen passen und zudem die Widerstandskraft gegenüber künftigen Krisen erhöhen. Alle Maßnahmen sollten daher sowohl in ökonomischer wie in ökologischer Hinsicht dem Nachhaltigkeitsprinzip entsprechen: Es sei eine Doppelstrategie für Wachstum und Klimaschutz angebracht, so die IHK-Position. Begrüßt wird die Ankündigung der Landesregierung, 380 Mio. Euro aus den Mitteln zur Corona-Bekämpfung in die nachhaltige Entwicklung des Landes zu investieren, davon 150 Mio. Euro speziell in den Klimaschutz. Dieser Weg sollte aus Sicht der Wirtschaft fortgesetzt werden.
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