Innovation, Qualität und Anderssein: Mit diesen Prinzipien ist der Backzutatenhersteller Pickerd aus Burgwedel in den letzten Jahren gut gefahren – dank zahlreicher neuer Produkte, die das Backen leichter, bunter oder geschmackvoller machen. Im nächsten Jahr feiert das in Hannover gegründete Unternehmen sein 70-jähriges Bestehen.
Kälte und Dunkelheit sind gut für das Geschäft. Denn dann wird viel gebacken. Warme, sonnige Novembertage sind dagegen eher schlecht, erklärt Christoph M. Ludwig, Geschäftsführer der H. Pickerd GmbH & Co. KG. Der 54-Jährige steht seit bald acht Jahren an der Spitze des Burgwedeler Backzutatenherstellers. Und der gebürtige Hagener tut es mit großer Leidenschaft, zusammen mit einem Team von rund 65 Beschäftigten. In den vergangenen sieben Jahren hat er das Unternehmen, das Glasuren, Dekorstreusel und Aromen herstellt, aus der Verfolger- in die Spitzengruppe im Markt für Backzutaten geführt. „Wir waren damals eher eine Zweit- oder B-Marke im Handel – zudem in einer klassischen Sandwich-Position zwischen Marktführer-Marke und günstigen Handelsmarken, mit der Gefahr, zerrieben zu werden. Aus dieser Position haben wir uns in den letzten Jahren befreit und sind in den wichtigsten Kategorien eine A-Marke geworden.“ Ludwig wusste, dass sich das Unternehmen aus dieser Lage nur mit großen Anstrengungen würde befreien können. Mit klaren Vorstellungen stellte er Pickerd zukunftssicher auf, in einer Phase, in der auch das Backen plötzlich eine enorme Renaissance erlebte. „Die Menschen wollten die wenige Zeit, die ihnen neben der Arbeit bleibt, möglichst sinnvoll nutzen.“ Nach dem Kochen wurde in den letzten acht, neun Jahren das Backen mit den Kindern, am Wochenende, zum Event. Und aus den USA schwappten gleichzeitig immer neue Ideen für Trendprodukte auf den Markt, wie etwa blaue Glasuren mit Kaugummigeschmack oder auch Elfen- und Einhorndekore. „Nach vielen Jahren des klassischen Backens ging es um Kuchen mit Style, je bunter desto besser.“ Der Markt verzeichnete zweistellige Wachstumsraten. Und Pickerd wuchs mit. Die jährlichen Zuwächse lagen zwischen fünf und zehn Prozent, womit man sich besser als der Markt entwickelt habe. Inzwischen habe sich die Lage wieder „normalisiert“, wie Ludwig es ausdrückt, bei einem Wachstum zwischen 1 und 1,5 Prozent.
Zwei Mal „Top-Marke“
In diesem Jahr ist das Unternehmen zum zweiten Mal in Folge von der Lebensmittel Zeitung als „Top Marke 2019“ ausgezeichnet worden. Ein Siegel, das in der Lebensmittelbranche einen guten Ruf genießt, weil die Vergabekriterien wie etwa Marktanteilszugewinn, Umsatzentwicklung oder Käuferzahl von der GfK geprüft werden. Die Burgwedeler stehen in der Kategorie „Backzutaten/Backhilfen“ an der Spitze, vor großen Wettbewerbern.
Das Erfolgsrezept: Innovationen, Qualität und Anderssein. „Wir wollen immer einen Schritt vor dem Markt sein.“ Mit Innovationen dynamisch zu wachsen, ist das Ziel. Darum bringt das Unternehmen jedes Jahr bis zu 20 neue Produkte auf den Markt. Bei der Entwicklung kann sich der Chef auf sein Team verlassen. „Unsere Beschäftigten haben ein gutes Gespür für neue Trends, daraus entstehen Ideen, die wir dann gemeinsam umsetzen.“
Natur im Kommen
So hat Pickerd bereits vor zwei Jahren Produkte eingeführt, die dem Wunsch vieler Verbraucher nach mehr Natürlichkeit entgegenkommen. Es ist der Gegentrend zum Bunten der Jahre zuvor. Auch das Thema „weniger Zucker“ sei für viele wichtiger geworden. So brachte man dieses Jahr gefriergetrocknete Früchte zum Verzieren von Torten & Co. auf den Markt, zum Beispiel ganze Brombeeren und Johannisbeeren sowie gehackte Himbeeren. „Wir haben mehrere Monate lang weltweit nach Brombeeren gesucht, die so klein sind, dass sie sich dafür eignen“, verrät Ludwig. Letztlich wurde man in Chile fündig. Der Einsatz scheint sich aber laut den ersten Verkaufszahlen gelohnt zu haben.
Verkaufsschlager Vanille-Paste
Eines der erfolgreichsten und umsatzstärksten Produkte der letzten Jahre von Pickerd ist die „Gourmet Vanille-Paste“. Die 2017, als Reaktion auf die stark gestiegenen Vanillepreise, eingeführte Paste übertraf alle Erwartungen. Nach dem erfolgreichen Einstieg in das stark wachsende Segment der Aromen entwickelte man weitere Aromen-Spezialitäten wie die Zitronen-Paste und die Orangen-Paste, mit Bio-Siegel. Mit der höchsten Qualität zu überzeugen, ist einer der weiteren Maßstäbe, an denen sich Pickerd orientiert. Der dritte Grundsatz: Anders sein! „Wir wollen den Kunden überraschen, mit Produkten, die andere nicht im Programm haben“, sagt Ludwig. Oder mit Dekoren überzeugen, die detailreicher sind, als das übliche. Auffallen ist erwünscht. Mit dem knalligen Gelb ist die Marke im Supermarktregal gut zu erkennen, was für Pickerd als reinen Markenhersteller wichtig ist.
„Wenn wir als Spezialist für die besonderen Dinge wahrgenommen werden, können wir damit gut leben“, erklärt der Geschäftsführer. Allerdings dürfe man dabei auch nicht die Komplexität aus den Augen verlieren. Deswegen sortieren sie auch regelmäßig Produkte aus, die wenig nachgefragt würden. Das Volumen des Markts für Backzutaten wird auf 700 bis 750 Mio. Euro geschätzt, an dem Pickerd einen Marktanteil von rund 10 Prozent hält. Allerdings mischen die Burgwedeler auch nicht in allen Produktkategorien mit, die zu dem Marktsegment zählen. „Unser klarer Anspruch ist es, mit unseren Produkten in den entsprechenden Kategorien mindestens Erster oder Zweiter zu sein“, sagt Ludwig. So steht Pickerd bei Dekorstreuseln und Aromen hinter dem großen Bielefelder Wettbewerber. Bei Glasuren ist der Mittelständler Marktführer in Deutschland. Etwa 70 Prozent der mehr als hundert Artikel im Sortiment werden in Großburgwedel hergestellt. Der Rest stammt von Partnern, mit denen es meist exklusive Geschäftsbeziehungen gibt.
2020 feiert Pickerd 70. Geburtstag
Am 1. April 2020 wird in Burgwedel das 70-jährige Firmenbestehen gefeiert. Die Kuchenglasur, die Heinrich Pickerd 1953 in der Gugelhupf-Form auf den Markt brachte, gehört auch heute noch zu den wichtigsten Produkten, was sich auch im Logo wiederspiegelt.
Als Christoph M. Ludwig Ende des Jahres 2012 abwog, ob er die Aufgabe des Geschäftsführers bei Pickerd übernimmt, spielte es übrigens durchaus eine gewisse Rolle, dass er die Kuchenglasur aus seiner Kindheit kannte. Es reizte ihn aber insbesondere das „sehr traditionelle“ Unternehmen mit einer alten Marke neu aufzustellen. Gleichzeitig bot sich ihm erstmals die Chance, ein Unternehmen zu führen. Bis dahin hatte er stets als angestellter Manager in der Lebensmittelbranche gearbeitet. Die damalige schwierige Lage des Backzutatenherstellers habe ihn nicht abgeschreckt. Im Gegenteil: „Ich war überzeugt davon, dass in diesem Unternehmen mehr steckt“. Der Aufwand hat sich gelohnt. Heute ist Pickerd wieder obenauf.
Eine Auswahl der rund 150 Pickerd-Produkte: Zucker-Einhörner, Kakaoglasur, Bio Orangen-Paste, „Einhorn-Zauber“ (Glasur), Mini-Marshmallows und Dekor Natur gehackte Himbeeren. Foto: Pickerd