Mit Moia wird in Hannover gerade ein neues Nahverkehrs-Angebot getestet: Angefordert per Smartphone, gesteuert von Algorithmen, sind VW-Transporter flexibel unterwegs. Wie wirkt sich das aus? Wir haben nachgefragt.
Wie wird sich der Nahverkehr durch Moia verändern, konkret: Wie werden sich die Kunden künftig orientieren? ÖPNV, Taxi, Moia, Privatwagen, Fahrrad und Fußgänger – welche Gruppe steigt wohin um?“ Das haben wir die gefragt, die betroffen sind, wenn das neue Angebot nicht nur in eine erweiterte Testphase mit mehr Kunden und mehr Autos geht, sondern möglicherweise auch für den Regelbetrieb zugelassen würde. Hier die Einschätzung der Üstra als Hannovers Nahverkehrsunternehmen und die Meinung der Taxiunternehmen. Und natürlich auch die Vorstellungen von Moia selbst.
Moia ist nur ein Platzhalter für zahlreiche On-demand-Angebote, die sich derzeit rund um die Welt entwickeln. Die Idee des ride-pooling, also viele Menschen mit ihren unterschiedlichen Wegstrecken in einem Fahrzeug flexibel zu bündeln, trifft sicherlich eine Nachfrage. Ein Ersatz für den ÖPNV mit Stadtbahnen und Bussen, die als große Gefäße viele Menschen auf immer wieder nachgefragten Strecken bewegen, kann damit nicht geboten werden. Dennoch ist richtig, dass solche Angebote natürlich sowohl Kunden vom Taxigewerbe als auch Nutzer des ÖPNV abziehen. Wie viele das sein werden, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel der Preisgestaltung. Die Üstra als Marktführer für Mobilität in Hannover beobachtet die derzeitigen Entwicklungen und steht innovativen Lösungen, die am Ende dazu führen, Autos von der Straße zu bekommen, grundsätzlich positiv gegenüber. Wir finden auch nicht, dass man jeden neuen, innovativen Lösungsansatz für die Mobilität der Zukunft gleich verdammen sollte. Aus diesem Grund halten wir Experimente und Tests durchaus für sinnvoll und werden uns im Rahmen unserer Möglichkeiten sogar kooperativ verhalten, solange das Ziel darin besteht, den Individualverkehr mit dem Auto zu reduzieren. Wenn es nur um eine „Rosinenpickerei“ geht, das heißt Mobilität nur dort anzubieten, wo es lukrativ ist, und die anderen Strecken und Zeiten anderen zu überlassen, sehen wir es kritisch.
Dr. Volkhardt Klöppner
Vorstandsvorsitzender
Üstra Hannoversche Verkehrsbetriebe AG
Ehrlich gesagt, kann man nur Schätzungen über die Auswirkungen von Moia geben. Und man kann nur spekulieren, wo Moia seine Kunden akquirieren wird. Grundsätzlich kommen dafür die Bereiche ÖPNV mit Bussen und Bahnen, Car Sharing, Radfahrer, Fußgänger, Autofahrer sowie Taxi und Mietwagen infrage. Teil der Story von Moia ist, dass man die Autofahrer zum Umstieg in den Sammel-Shuttledienst der VW-Tochter lockt. Zweifel sind jedoch angebracht angesichts der bisherigen Erfahrungen mit Car-Sharing-Projekten oder Anrufsammeltaxi(AST)-Beförderungen. AST-Verkehre stimmen in den wesentlichen Elementen mit dem Moia-Sammel-Shuttle überein, und erreichen den Sammeleffekt trotzdem nur sehr begrenzt. Auch das Car Sharing – in der Nutzung dem privaten Auto am ähnlichsten – ist bisher so erfolglos, dass Daimler-Benz und BMW sich entschlossen haben, ihre Car-Sharing-Töchter zusammenzulegen. Bei der Beurteilung sind das Moia-Sammel-Shuttle und das Moia-Exklusiv-Shuttle (hier ordert ein Kunde exklusiv das Fahrzeug) zu unterscheiden. Für den ÖPNV mit Bussen und Bahnen spielt ein geringer Kundenverlust keine Rolle, zum einen, weil insbesondere in Hannover der ÖPNV sich durchaus auf der Erfolgswelle befindet, zum anderen gibt es für den ÖPNV einen Defizit-Ausgleich. Ein kleiner Teil der Kunden wird sicherlich aus Bequemlichkeit zum Beispiel bei kleineren Besorgungen vom bisherigen Rad- bzw. Fußgängerverkehr kommen. Der größte Teil der Moia-Sammel-Shuttle-Kunden wird aus dem Taxi und Mietwagen abwandern, weil diese grundsätzlich preissensiblen Kundengruppen die Zeit- und Komforteinbußen in Kauf nehmen. Erhebliche Kundenverluste wird das Moia-Exklusiv-Shuttle für die Taxi-/Mietwagenbranche bedeuten, denn hier kann Moia ganz gezielt die Rosinen picken und sich auf zeitsensible, anspruchsvolle Kunden zu den ökonomisch attraktiven Tageszeiten konzentrieren. Bei heute rund 590 lizensierten Taxis in Hannover stellen die von Moia für die Erprobungsphase geplanten bis zu 250 Fahrzeuge einen massiven Eingriff in den Wettbewerb vor allem zu Lasten der Taxibranche dar.
Gunther Zimmermann
Geschäftsführer Fachvereinigung Taxi und Mietwagen
Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen (GVN)
Angesichts des ungebremsten Zuzugs der Menschen in die Städte werden die Fahrgastzahlen in den traditionellen Verkehrsmodi wie dem ÖPNV oder dem Taxi weiter steigen. Insbesondere der schienengebundene Verkehr wird dabei mehr als jetzt schon an seine Kapazitätsgrenzen gelangen. Die Effizienz kann also fast ausschließlich nur noch auf der Straße verbessert werden. Wir glauben, dass das ride-pooling von Moia dafür ein sehr geeignetes Konzept ist. Zugleich muss es uns gemeinsam gelingen, alle Bewohner einer Stadt von einer nachhaltigeren Mobilität ohne eigenes Auto zu überzeugen. Ziel sollte ja sein, dass viele Menschen nicht mehr ihr eigenes Fahrzeug nutzen, sondern auf einen hochwertigen Mix verschiedener Mobilitätsangebote umsteigen. Das reduziert Emissionen und Lärm und schafft Platz auf den Straßen sowie den bisherigen Parkplätzen. Und mehr noch: Von einem positiven Verhaltenswandel der Menschen profitieren in Summe letztlich alle Anbieter von Mobilitätsdiensten in einer Stadt. Denn wer nicht mehr im Privatwagen unterwegs ist, nutzt den ÖPNV, das Taxi und die verschiedenen Sharingangebote mehr, als er es vorher getan hat. Gelingt es uns, dass durch einen attraktiveren Angebotsmix als heute in der Zukunft weniger Autos als jetzt in der Stadt vorhanden sind, spielt es letztlich auch keine Rolle mehr, wer für welchen Nutzungsfall, flexibel welches Verkehrsmittel wählt. Gewinner sind die Stadt und ihre Menschen. Ein Gegeneinander der Mobilitätsanbieter einer Stadt zementiert hingegen nur den Status Quo mit Staus, Lärm und Abgasen.
Michael Fischer
Head of PR and Public Affairs, Moia
Interessant zu wissen:
MOIA fährt auch in Hamburg elektrisch.