Die Niedersächsische Wirtschaft erschien erstmals im Mai 1946. Chefredakteur Dr. Johannes Niggemann brachte nicht nur die neue IHK-Zeitschrift für Niedersachsen auf den Weg, sondern war während der Aufbaujahre nach dem 2. Weltkrieg in Politik, Kirche und Wirtschaft auch darüberhinaus in vielfältiger Weise engagiert.
[/vc_column_text][vc_column_text]Vielleicht war er einer der 13. Das war, einem Bericht in der Niedersächsischen Wirtschaft in den 50er Jahren zufolge, die Zahl der Unternehmer und Wirtschaftsvertreter, die sich kurz vor Ende des 2. Weltkrieges, im April 1945, in Hannover trafen, um über das zu sprechen, was kommen würde. Und wie man es gestalten kann.Nicht alle 13 Namen sind überliefert. Aber Fritz Henkel, Chef der Orpil-Seifenwerke, gehörte dazu, der erste Nachkriegspräsident der IHK Hannover und Mitglied des hannoverschen Stadtrats. Christian Kuhlemann, Zementunternehmer, später Bundestagsabgeordneter und Nachfolger Henkels als IHK-Präsident. Kurt Pentzlin, Bahlsen-Geschäftsführer und auch darüber hinaus vielfältig engagiert. Eduard Bergmann, Großhändler aus Hannover und für die IHK einer der Mitgründer der Deutschen Messe AG. Hans-Joachim Fricke, der erste Hauptgeschäftsführer der wiedergegründeten IHK Hannover. Und vielleicht Johannes Niggemann, der erste Chefredakteur der Niedersächsischen Wirtschaft.
Indizien lassen sich finden, dass Niggemann zum Kreis der 13 gehörte. Henkel, Kuhlemann, Pentzlin und Fricke suchten für die Wirtschaft den Kontakt mit den Briten. Außerdem warben sie und andere in der britischen Besatzungszone für die Neugründung der Industrie- und Handelskammern. Dabei scheint es eine Art Aufgabenteilung gegeben zu haben. Der Journalist Niggemann wäre dann für den Bereich der Presse zuständig gewesen, und dazu passen zwei gleichlautende Notizen, datiert vom 21. und 30. April 1945 und damit noch vor Kriegsende, gerichtet an die „englische Militärregierung“ und „Betr. Herausgabe von Zeitungen und Zeitschriften“. Niggemanns Ansinnen lässt sich so auf den Punkt bringen: Die Diktatur hat in Deutschland das Vertrauen in die Presse ausgehöhlt. Zeitungen, die von der Militärregierung selbst herausgegeben würden, liefen Gefahr, ebenfalls von der Bevölkerung abgelehnt zu werden. Deshalb plädiert Niggemann – bis 1933/34 war er Chefredakteur der Steeler Zeitung in Essen – für Zeitungen, die von deutschen Redakteuren gemacht werden sollten. Und nicht nur Zeitungen: „Ich denke im besonderen an Wirtschaftsblätter zur Unterrichtung der Betriebe in Industrie, Handel und Gewerbe sowie an Zeitschriften religiösen Charakters für die Unterrichtung der den Kirchen angehörenden Gläubigen“, schreibt der IHK-Mann und bietet sich den Briten als Gesprächspartner an.
Es ist unklar, wen diese Notizen erreichten. Gespräche aber wird es gegeben haben. Mit großer Sicherheit war Niggemann 1945 und 1946 im Anzeiger-Hochhaus unterwegs – dort, wo in den Nachkriegsjahren ein Kreis von Presseleuten um Rudolf Augstein das Magazin „Der Spiegel“ aus der Taufe hob. Denn Johannes Niggemann, der sich in seiner Notiz so für die Einrichtung von Wirtschaftszeitschriften eingesetzt hatte, erhielt von den Briten die Lizenz für die „Niedersächsische Wirtschaft“ – die Zeitschrift, die Sie gerade in Händen halten.[/vc_column_text][vc_single_image image=“2876″ img_size=“large“ title=“Der NW-Chefredakteur Dr. Johannes Niggemann zusammen mit Konrad Adenauer.“][vc_column_text]Am 15. Mai 1946, fast genau ein Jahr nach dem Ende des Krieges in Europa, erschien die erste Ausgabe als Blatt der britischen Militärbehörden und als Mitteilungen der damaligen Industrie- und Handelskammern im – noch gar nicht gegründeten – Niedersachsen: Braunschweig, Emden, Hannover, Hildesheim, Lüneburg, Oldenburg, Osnabrück, Stade und Wesermünde. Spätestens ab 1948 taucht Niggemann dann als Lizenzträger der Zeitschrift im Impressum auf.
Aber der NW-Chefredakteur hatte sich in jenen Notizen vom April ja nicht nur für wirtschaftliche, sondern auch für kirchliche Zeitschriften eingesetzt. Niggemann war Katholik, und er war – ergänzend zu seinem volkswirtschaftlichen Studium – auch von Ideen der katholischen Soziallehre geprägt. Er notierte Zitate aus den beiden päpstlichen Rundschreiben zu Wirtschafts- und Sozialfragen, die 1891 und 1931 erschienen waren. Und dass er den geliebten Chefredakteursposten in Essen-Steele verlor, schreibt er wohl auch dem Versuch zu, seinen Bereich im Unternehmen nach Vorstellungen zu leiten, die im sozialen Katholizismus entwickelt worden waren. Das gefiel offenbar nicht jedem.
Mit diesem katholischen Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass der erste Chefredakteur der Niedersächsischen Wirtschaft, unter anderem, kommunalpolitisch im Ausschuss für Wohnungsbauförderung der Landeshauptstadt arbeitete. Wohnungseigentum war – neben Eigentumsförderung und Beteiligung von Mitarbeitern am Unternehmen – ein zentrales Spielfeld der katholischen Sozialpolitik nach dem 2. Weltkrieg. In den Ausschuss kam Niggemann als Mitglied des hannoverschen Stadtrats. Er war Fraktionsvorsitzender, Senator, kurzzeitig Vertreter des Oberbürgermeisters, Mitglied weiterer Ausschüsse neben dem für Wohnungsbauförderung und in einer Reihe anderer kommunalen Einrichtungen aktiv. Neben der Redaktion der NW publizierte er in katholischen Medien über Wirtschaftsfragen. Und das beschreibt sein vielfältiges Engagement noch keineswegs umfassend. Kein Wunder, dass er nach einer Wiederwahl in den Stadtrat, gefragt nach seinen Privatinteressen, einer Zeitung sagte: „Meistens fahre ich ja von einer Versammlung zur anderen . . .“
Vielleicht traf sich der erste NW-Chefredakteur ab und an auch im Rahmen des katholischen Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem, in den er fast zeitgleich mit dem damaligen VW-Chef Heinrich Nordhoff aufgenommen wurde. Sicher bereitete er, als Mitglied des Lokalkomitees, den Katholikentag 1962 in Hannover mit vor – den er aber nicht mehr erlebte. Und ein halbes Jahr vor seinem Tod wurde Niggemann in den Preussag-Aufsichtsrat berufen. Er starb, schwer erkrankt, 1962 im Alter von 63 Jahren im Sauerland. Dort, wo er geboren wurde. In Kondolenzschreiben wird hervorgehoben, dass die Prägung, die er der Niedersächsischen Wirtschaft gab, von vielen als Vorbild gesehen wurde: Wenn die niedersächsische IHK-Zeitschrift den Charakters eines Magazins erhielt, dann hat das – vielleicht – seinen Ursprung in jener flirrenden Atmosphäre kurz nach dem Krieg im hannoverschen Anzeiger-Hochhaus, als dort neue, die Bundesrepublik prägende Zeitschriften entstanden.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_masonry_grid post_type=“post“ max_items=“3″ style=“lazy“ items_per_page=“3″ orderby=“title“ order=“ASC“ item=“mediaGrid_SlideInTitle“ grid_id=“vc_gid:1520601960689-20cb50de-a902-8″ exclude=“2886, 2881, 2874, 2824″ offset=“4″ taxonomies=“59″][/vc_column][/vc_row]