Sie sind schlecht erhalten, die beiden Geschäftsbücher aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die dünne Handschrift ist blass und wird mit den Jahren zunehmend unleserlich. Trotzdem ein Fall für das Wirtschaftsarchiv? Das muss sich erweisen.
Nur mit Geduld, aber immerhin, mögen sich die beiden Bücher zum Sprechen bringen lassen. Manches klingt aber sofort auf. Fritz Uhde, Almstedt: ein Stoffgeschäft, das es noch bis in die 1970er Jahre in der Gemeinde nahe Hildesheim gegeben haben mag. Dann hätte die Unternehmung jedenfalls mehr als 100 Jahre bestanden.
Mit Gott: So ist es eingedruckt in einem der Bücher auf der ersten Seite – die im anderen fehlt, vermutlich herausgerissen. Der Hinweis auf himmlischen Beistand war üblich – Mahnung und Versicherung zugleich, nämlich die Buchführung nach bestem Wissen und Gewissen zu besorgen.
Kriege und Geschäftsbücher wurden mit Gott geführt
Aber genau diese zwei Wörter, Mit Gott, haben auch ihren Weg gefunden in Karl Kraus‘ Drama „Die letzten Tage der Menschheit“, entstanden unter dem Eindruck des 1. Weltkriegs: „Kriege und Geschäftsbücher wurden mit Gott geführt.“
Wobei Fritz Uhde die Wörter noch ein-, zweimal handschriftlich wiederholt: Mit Gott. Und auch: Mit Gott fing alles an. Es wirkt wie eine Schriftprobe – der Versuch, schwungvolle Buchstaben aufs neue Papier zu bringen.
Geschäftsbücher-Metropole Hannover
Und nicht nur die Bücher waren neu, sondern auch die Druckerei, die sie her- stellte: die Geschäftsbücher-Fabrik von J. C. König & Ebhardt, Hannover, Marstallstraße. 1845 gegründet, also gut ein Jahrzehnt, bevor die Aufzeichnungen Uhdes beginnen. König & Ebhardt, kurz EBH, legte den Grundstein für Hannovers europaweite Bedeutung als Zentrum für die Herstellung von Geschäftsbüchern. Und war bis 1999 ein wichtiger Teil der hannoverschen Druck- und Verlagsszene.
Geschäftsbücher kamen also aus Hannover. Auch Fritz Uhde im nicht weit entfernten Almstedt setzte darauf. Und scheint ansonsten auch weltläufig unterwegs gewesen zu sein. Nach Hannover und Hildesheim, aber vor allem nach Berlin oder Leipzig, Krefeld, Glauchau, Bremen oder Brandenburg reichten seine Geschäftskontakte.
„So viel Menschen sind noch nicht gestürzt wie dieses Jahr“
Und dann Randnotizen: „1870 ist ein Jahr, so ein Krieg ist noch nie dagewesen, so viel Menschen sind noch nicht gestürzt wie dieses Jahr.“ Schreibt Uhde an den Rand seiner Buchführung. Jedoch wird die Schrift zunehmend unleserlich, nur mit viel Geduld wird man mehr aus den Büchern herausbringen. Was zum Beispiel bedeuten die vielen Frauennamen? Kundinnen? Namen von Stoffmustern?
Überdauert haben die Geschäftsbücher Uhdes in der IHK Hannover. Warum? Das bleibt im Dunklen. Jetzt jedenfalls gehen sie ins Wirtschaftsarchiv nach Wolfenbüttel. Ob sie dort zum Fundstück werden, bleibt abzuwarten. Denn das gehört zum Tagesgeschäft der Archivare: Abzuwägen, ob das Aufbewahren sich tatsächlich lohnt.
Auch Sie hüten Schätze aus Niedersachsens Wirtschaftsgeschichte? Wenden können Sie sich an das Niedersächsische Wirtschaftsarchiv, Forstweg 2, 38302 Wolfenbüttel, Tel. 05531 935-0, wolfenbuettel@nla.niedersachsen.de