Welche Erwartungen Menschen in Niedersachsen und Bremen an die Zentren haben, zeigt jetzt eine aktuelle Studie. Hinter ihr stehen das Beratungsunternehmen CIMA, der Einzelhandelsverband Niedersachsen-Bremen und die IHK Niedersachsen. Ein Ergebnis: Hauptgrund ist einen Besuch ist das Einkaufen. Aber mancherorts zieht das gastronomische Angebot schon mehr: Transformation der Innenstädte:
Innenstädte im Umbruch: Was sich wie eine bloße Floskel anhört, belegt eine aktuelle Studie mit Zahlen. Danach kommen knapp zwei Drittel der 1700 repräsentativ Befragten zum Einkaufen in die Städte: Es ist der meistgenannte Grund, vor der Gastronomie mit etwas über 50 Prozent.
Einkaufen als Thema Nummer eins
Entsprechend zufrieden war Mark Alexander Krack, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Niedersachsen-Bremen: „Einkaufen ist immer noch das Thema Nummer eins.“ Gemeinsam mit den niedersächsischen Industrie- und Handelskammern hatte der Verband die Studie beim Beratungsunternehmen CIMA in Auftrag gegeben.
CIMA-Geschäftsführer Martin Kremming allerdings setzt Warnsignale, sowohl für den Handel als auch für die Innenstadt insgesamt. Er spricht von einer Wachablösung: Die Gastronomie ist dabei, das Einkaufen als Hauptmotiv für einen Innenstadtbesuch zu überholen. In Bremen, Braunschweig und Osnabrück liegt die Gastronomie bereits vorn, in Oldenburg und Hannover nicht. Noch nicht, könnte man Kremming zitieren: „Der Trend lässt sich nicht umkehren.“
Hannover: Beliebteste Einkaufsstadt – hart kritisiert
Besonderer Erfolg: Hannover ist nach den Ergebnissen der CIMA-Umfrage für die Menschen in Niedersachsen und Bremen die attraktivste Einkaufsstadt, noch vor Hamburg. Trotzdem schneidet Hannover bei der Bewertung einzelner Aspekte – Stadtbild, Kultur, Gastronomie – gegenüber den anderen großen niedersächsischen Städten schlecht ab – vielleicht „ein Imageproblem“, so der CIMA-Geschäftsführer.
Auf den Plätzen drei bis fünf folgen im Einkaufsstädte-Ranking Oldenburg, Bremen und Braunschweig. Allerdings wird tauchen auch neue Konkurrenten auf: Unter den Top 13 finden mit Berlin auf Rang 6, München (8), Köln und Münster (10 und 11) zum Teil weit entfernte Einkaufsfavoriten. Aus der IHK-Region Hannover haben sich keine weitere Städte in die Spitzengruppe geschoben, weder Göttingen noch Hameln oder Hildesheim.
Anziehungskraft der Innenstädte nimmt weiter ab
Ein Warnsignal für die Innenstädte insgesamt: die Entwicklung des Besucherverhaltens. Gehen die Menschen, verglichen mit dem Stand vor 2022, heute häufiger oder seltener in die City? Im Saldo überwiegt fast durchgängig seltener: In Niedersachsen insgesamt, wenn auch weit weniger deutlich als im Bund. In Bremen, Braunschweig und Hannover der gleiche Trend – nur in Osnabrück und Oldenburg sieht es noch anders aus.
Und in Zukunft? Sieht das Bild ähnlich aus, nur noch drastischer. In Hannover etwa wollen elf Prozent der Menschen häufiger in die Innenstadt kommen, rund 27 Prozent dagegen. Und jeder Zehnte will künftig die City der Landeshauptstadt komplett meiden. Aktuell sind es drei Prozent.
Einer der Gründe für diese Entwicklung: der Online-Handel. Selbst Bereiche, in denen schon intensiv im Internet gekauft wird wie etwa Textilien, legen aus Sicht von Martin Kremming eher noch zu. Kathrin Wiellowicz, Sprecherin Einzelhandel der IHK Niedersachsen aus Stade, wies auf die Welle von Online-Käufen hin, die derzeit insbesondere angetrieben durch chinesische Plattformen aufläuft, bis zu 400.000 Paketsendungen pro Tag.
Um den Trends zu begegnen, nennt die CIMA-Studie drei Bereichen, in denen die Befragen den wichtigsten Handlungsbedarf sehen:
- Stadtbild und Aufenthaltsqualität. Gemeint ist hier nicht eine im besten Fall historische Gebäudekulisse, sondern es geht um Sicherheit, Sauberkeit und Beleuchtung. Und um Leerstände: Auch sie prägen das Stadtbild. Gerade Menschen, die gerne Innenstädte und Zentren besuchen, reagieren sensibel auf Probleme in diesen Bereichen. Und auch, wenn Hannover in der Bewertung als Einkaufsziel insgesamt ganz vorne liegt, schneidet die City beim Stadtbild schlecht ab.
- Erreichbarkeit. Für die Attraktivität zentral. Ein Ergebnis: Das Parken vor dem Geschäft steht – zumindest in größeren Städten – nicht ganz oben auf der Wunschliste. Menschen in Niedersachsen und Bremen, so die Studie, wollen am Innenstadtrand parken und dann barrierefrei als zu Fuß unterwegs sein. Hannover schneidet hier übrigens gut ab .
- Einzelhandel. Publikumsmagnet für die Innenstadt wird zunehmend die Gastronomie, und sie wird vermehrt auch positiver beurteilt als das Einkaufen. Aber wie den Einzelhandel attraktiver machen? Eher an kleinere Einkaufsstädte gerichtet ist dieser Hinweis: Schwierig wird es ohne Drogerien und Textilgeschäfte.
Dass die Studie Ergebnisse sowohl für städtische und ländliche Räume und ebenso für Städte unterschiedlicher Größe zusammenbringt, macht Datenlage und konkrete Handlungsempfehlungen vergleichsweise schwierig. Einen gemeinsamen Nenner aber brachte IHK-Expertin Kathrin Wiellowicz bei der Vorstellung der CIMA-Studie auf den Punkte: „Was wir brauchen, ist Frequenz.“
Unter dem Strich, so lässt sich das Studienergebnis zusammenfassen, müssen die Angebote von Gastronomie und Einzelhandel zusammenspielen. Gleichzeitig geht es darum, je nach Standort die Erreichbarkeit zu erhalten oder zu verbessern, mehr Wohnen und Arbeiten in die Zentren holen und eine höhere Aufenthaltsqualität zu erreichen.
CIMA-Geschäftsführer Kremming brachte aber noch einen weiteren Punkt ins Spiel, um die Innenstädte vor allem für junge Leute interessant zu machen: Mit Zonen ohne Konsumverpflichtung, „in denen man mit Freunden abhängen kann – möglichst mit gutem WLAN.“ Er warf das Stichwort Bibliothek in den Raum: Treffpunkte mit Möglichkeiten der Mediennutzung, mit Coworking-Spaces, mit Kulturangeboten – auch, aber eben nicht nur mit Büchern.