In wenigen Wochen kämpft Jakob Thordsen bei den Olympischen Spielen in Paris um eine Medaille im Einer-Kajak. Wenn der 24-Jährige nicht gerade trainiert, arbeitet er als Mechatroniker bei Sennheiser, das ihn ausgebildet hat und ihn weiter unterstützt.
Von sechs bis 14 Uhr Ausbildungszentrum. Dann zum Stützpunkt, umziehen, bis abends Training auf dem Wasser. Ein typischer Tag für Jakob Thordsen. Der 24-Jährige hat in den letzten Jahren gleich zwei Karrieren vorangetrieben, seine berufliche bei Sennheiser und seine sportliche im Einer-Kajak. Der Sportler aus Hannover gehört zum Deutschen Olympia-Kader.
Er paddelt in Paris um olympisches Gold
In wenigen Wochen wird der 1,98-Meter-Mann in seinem Einer-Kajak auf 1000 Metern in Paris um olympisches Gold paddeln. Zu seinen größten Fans kann man inzwischen Christoph Knake zählen. Der 41-Jährige ist Ausbildungsverantwortlicher des führenden Herstellers im Bereich professioneller Audiotechnik aus der Wedemark, bei dem aktuell 23 junge Menschen eine Lehre oder ein duales Studium absolvieren. In den letzten Jahren hat er Jakob durch die Ausbildung zum Mechatroniker begleitet. Für den Kanusportler war er immer ansprechbar und hat sich auch um Dinge gekümmert, die über die typische Arbeitsplatzbeschreibung eines Ausbilders hinausgehen.
Sennheiser-Chefs mit Herz für den Spitzensport
Die Offenheit und Bereitschaft von Christoph Knake war auch für die Firmenchefs Dr. Andreas und Daniel Sennheiser ein entscheidender Faktor, als es um die Frage ging, ob das Familienunternehmen dem jungen ambitionierten Sportler eine Ausbildung ermöglicht – wohl wissend, dass die Arbeit im Unternehmen in diesem Fall nicht immer an erster Stelle stehen kann. Den Kontakt zu Sennheiser stellte damals übrigens die Laufbahnberatung des Olympiastützpunktes Niedersachsen her. Obwohl das Vorstellungsgespräch zwei Mal wegen Wettkämpfen verschoben werden musste, überzeugte Jakob Thordsen. „Wir haben uns einfach unterhalten. Dabei habe ich einen guten Eindruck von seiner Zielstrebigkeit gewonnen“, erinnert sich Knake. „Jakob hat damals übrigens schon gesagt: Sein Ziel ist Olympia.“
Jakob Thordsen legt Wert auf solide Ausbildung
Dem jungen Kanusportler war es aber auch wichtig, ein zweites Standbein neben dem Sport zu haben. Ganz bewusst entschied er sich daher gegen die Sportförderung bei der Bundeswehr, um nach der Karriere auf seiner Berufsausbildung aufbauen zu können. Die Doppelbelastung aus Ausbildung und Sport nahm er dafür gern in Kauf. Im Januar 2023 konnte er die Ausbildung als Mechatroniker abschließen – erfolgreich, mit einem guten Ergebnis. „Jakob hat sich zum Ende nochmal sehr ins Zeug gelegt und auf den Punkt geliefert“, sagt sein Ausbilder.
Fehlzeiten in der Ausbildung
Der Weg aber durch die Ausbildung war alles andere als leicht. Allein die vielen Fehlzeiten seien eine große Herausforderung für alle Beteiligten gewesen. Denn alle Lehrinhalte, die Jakob während der Wettkampfphasen oder der mehrwöchigen Trainingslager verpasste, musste er nachholen. Dabei unterstützte ihn sein Ausbilder, der nicht nur selbst gelernter Mechatroniker ist, sondern auch einen Tag in der Woche an einer Berufsschule unterrichtet. „Eigentlich ist das, was Jakob geschafft hat, gar nicht möglich“, sagt er im Rückblick.
Leistungssport und Lehre gleichzeitig ist das eine, aber Jakob Thordsen musste auch Rückschläge hinnehmen. So stürzte er im Herbst vom Rennrad und kämpfte sich in Rekordzeit auf sein altes Leistungsniveau zurück. Dass es doch funktioniert hat, schreibt er vor allem Jakobs absolut professioneller Einstellung zu, seinem Ehrgeiz und Leistungswillen. „Er hat bewiesen, dass man beide Ziele erreichen kann. Es geht aber nur mit großen Anstrengungen.“, sagt Christoph Knake im Hinblick auf die Doppelbelastung. Er spricht von einer „bedarfsgerechten Ausbildung“, die Jakob absolviert hat. „Bildlich gesprochen hat Jakob einen Rohbau auf festem Grund gebaut, während andere Auszubildende ein Haus fertig eingerichtet haben.“ Großen Anteil am Erfolg in der Ausbildung habe auch die Berufsschule in Neustadt am Rübenberge, die sich immer sehr kooperativ zeigte. „Zwingend für den Erfolg war die offene und ehrliche Kommunikation. Wenn mich Jakob am Samstagnachmittag anrief, wusste ich, dass es irgendein Problem geben musste“. Irgendwie hätten sie dann aber immer eine Lösung gefunden.
Sportler müssen mit extremen Drucksituationen umgehen
Durch Jakob Thordsen ist auch Christoph Knake das erste Mal intensiv mit dem Leistungssport in Berührung gekommen. In welchen extremen Drucksituationen sich die Sportlerinnen und Sportler bewegen, sei ihm erst in den letzten Jahren bewusst geworden. „Denn auch abseits von Wettkämpfen gilt es bestimmte Zeiten und Platzierungen zu erreichen und permanent beste Leistungen abzurufen.“ Inzwischen verfolgt er regelmäßig die Rennen im Kanusport und fiebert mit Jakob mit, der nach seiner Ausbildung von Sennheiser übernommen wurde. Wenn der 24-Jährige nicht gerade trainiert oder in Wettkämpfen eingebunden ist, arbeitet er in der Instandhaltung. Er hat einen festen Vertrag in Teilzeit, aber aktuell ist er praktisch nicht in der Wedemark – für Olympia wurde er freigestellt, um sich ganz auf den Sport konzentrieren zu können. „Sennheiser unterstützt mich wirklich ganz hervorragend. Ich bin dem Unternehmen dafür sehr dankbar“, sagt Thordsen, der weiß, dass das nicht selbstverständlich ist. „Schon während der Ausbildung hat er immer versucht, dem Unternehmen etwas zurückzugeben“, erinnert sich sein Ausbilder. Und dass das Logo von Sennheiser auf dem Paddel auftaucht, sei übrigens Jakobs Idee gewesen.
Olympia-Stützpunkt Niedersachsen: Tolle Trainingsgruppe mit Super-Trainer
Die sportliche Erfolgsgeschichte von Jakob Thordsen ist eng mit seinem Trainer Jan Francik verbunden, der ihn als Schüler nach zwei gewonnenen Deutschen Meisterschaften nach Hannover lockte. Das Lotto-Sportinternat des Landessportbundes Niedersachsen ermöglichte es dem damals 15-Jährigen, Schule und Sport gut miteinander zu vereinbaren. „Es gefiel mir, dort zu wohnen und auch Kontakt zu Jugendlichen aus anderen Sportarten zu haben“. Im deutschen Kanu-Rennsport ist der Landes-Kanu-Verbands-Trainer Francik eine anerkannte Größe. Er hat in den letzten Jahrzehnten mehrere junge Menschen in den Nationalkader begleitet – obwohl der Kanu-Rennsport am Olympiastützpunkt Niedersachsen nur als sogenannte Perspektivsportart angeboten wird, also mit weniger Geld auskommen muss. „Wir sind hier in Hannover eine tolle Trainingsgruppe. Alles ist etwas kleiner“, sagt Jakob Thordsen. Er schätze diese familiäre Atmosphäre. Anderswo, etwa an großen Bundesstützpunkten, sei man nur einer von vielen. Seine Freundin Alyssa Meyer trainiert in Potsdam. Sie sehen sich immer, wenn es der Wettkampfkalender zulässt. „Ich habe in Berlin auch ein Boot liegen, sodass wir dort auch zusammen trainieren.“
An die Zeit nach Olympia denkt Jakob bislang nicht. Das einzige was feststeht, ist ein gemeinsamer Urlaub in Asien. Mit dem Rucksack soll es nach Thailand und Indonesien gehen. Ob mit oder ohne Medaille im Gepäck, wird sich Ende Juli in Paris entscheiden.
Kontakt zum Autor: Georg Thomas
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