Mit 55 Jahren – fängt die Suche nach einem Nachfolger, einer Nachfolgerin an. Spätestens dann. Das ist jedenfalls die dringende Empfehlung von Fachleuten. So auch bei einer Nachfolge-Veranstaltung der IHK Hannover im Rahmen der Welcome Week. Aber ist der Anfang gemacht, stellen sich erst recht jede Menge Fragen. Denn eigentlich ist eine Nachfolge immer ein Einzelfall angesichts vieler Gestaltungsmöglichkeiten.

 

Egal, welche Zahlen man heranzieht: Auf dem Markt für Unternehmen ist das Angebot größer als die Nachfrage. Ein Käufermarkt also. Das drückt nicht nur auf die Preise, sondern macht es auch schwer und künftig noch schwerer, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu finden.

Nachfolgeberater Axel Bergmann.

Also „die Nadel im Heuhaufen“, wie es naheliegend Axel Bergmann ausdrückte, der für die auf Unternehmensnachfolge spezialisierte Beratungsorganisation Kern Hannover und Ostwestfalen betreut. Gesucht sind damit Menschen wie Romina Wolff oder Julian Lindinger, die beide noch keine 30 waren, als sie ihre heutigen Firmen übernahmen. Zusammen mit Unternehmensberater Roland J. Gördes lieferten Bergmann, Wolff und Lindinger die Inhalte bei der Veranstaltung zur Unternehmensnachfolge in der IHK Hannover im Rahmen der Welcome Week.

Die von Romina Wolff und Julian Lindinger weitergeführten Unternehmen – sie die Haberland Möbelspedition GmbH in Göttingen, er den Sondermaschinenbauer GAtek mbH in Wunstorf – zeigen auf jeden Fall: Man kann sie entdecken, diese Nadeln im Heuhaufen. Das, so Axel Bergmann, gehört zu den guten Nachrichten. Auf der anderen Seite stehen Demografie und Risikoscheu, schwindendes Interesse an unternehmerischer Arbeit allgemein, aber auch an schon vorhandenen Strukturen: Wenn schon, dann lieber ein selbst gestaltbares Start-Up als ein bereits bestehendes Unternehmen.

Das alles lässt mögliche Nachfolgerinnen und Nachfolger mehr und mehr zu einer seltenen Spezies werden. IHK-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt sagte zu Beginn, dass ein Viertel der zur Weitergabe anstehenden Unternehmen ohne Nachfolge bleiben könnten. Sie rief umso mehr dazu auf, Frauen für Gründung und Unternehmensnachfolge zu gewinnen, gerade in technischen Feldern.

IHK-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt.

Rechtzeitig mit dem gerne mal fünf oder mehr Jahre andauernden Prozess anfangen, die einschlägigen Unternehmensbörsen durchforsten, Fachleute hinzuziehen: Neben all den dringenden Empfehlungen, die Unternehmerinnen und Unternehmer ab einem bestimmten Alter nur so eingebläut werden, stach bei der IHK-Nachfolge-Veranstaltung während der Welcome Week ein Punkt vielleicht besonders heraus. Man kann im Heuhaufen suchen, so lange und mit so viel Unterstützung, wie man will: Dreh- und Angelpunkt ist ein tragfähiges Geschäftsmodell. Zumal der Nachfolger, die Nachfolgerin auf dieser Basis auch die Übernahme finanzieren muss.

Mag sein, dass dieser eine Punkt, dass ein Unternehmen jetzt und in Zukunft Gewinn machen muss, in Nachfolge-Veranstaltungen wie der in Hannover mehr vorausgesetzt als deutlich angesprochen wird. Roland Gördes stellte das ganz zum Schluss noch einmal heraus. Und Axel Bergmann forderte Unternehmerinnen und Unternehmer mit Ausstiegsplänen auf, sich auf den Stuhl der anderen Seite zu setzen. Würde man das eigene Unternehmen kaufen wollen? Investitionsstau, zu hohe Abhängigkeit von einzelnen Führungspersönlichkeiten, zu starke Bindung an einzelne Lieferanten oder Kunden: Das wird dann deutlich, und daran kann man arbeiten, um seine Firma ins Schaufenster und damit ins rechte Licht zu stellen.

Nein, man kann nicht daran arbeiten: Man muss. Denn auch bei der Unternehmensnachfolge gilt: Die im Dunkeln sieht man nicht. Und dann, das machte Roland Gördes deutlich, kann auch die Liquidation eines Unternehmens die unvermeidliche, aber letztlich sinnvolle Alternative werden, um Werte so weit wie möglich zu erhalten.

Ist das Fundament tragfähig, dann allerdings geht alles: Auch das wurde im IHK-Plenarsaal klar. Nur festlegen auf eine bestimmte Art der Unternehmensweitergabe darf man sich nicht. Im Gegenteil, wach bleiben und die Augen offen halten, raten die Fachleute. Dass es innerhalb der Familie, lange Zeit gleichzeitig Wunsch und irgendwie Königsweg beim Generationenwechseln, oft nicht klappt, zeigen Fälle noch und noch. Aber Romina Wolff etwa war weder selbstständig noch hatte sie etwas mit Möbeltransport zu tun, bevor sie Unternehmerin wurde. Trotzdem hielt sie ihr Vorgänger für geeignet – und überzeugte sie.

Fündig werden entlang der Wertschöpfungskette

Entlang der Wertschöpfungskette suchen: noch so ein Tipp. Das war zum Beispiel die Gerüstbau-Firma, die an ein Unternehmen der Energiebranche ging. Oder der Fahrradhändler, der sein Geschäft an einen branchenfremden Investor verkaufte und dann gemeinsam mit ihm einen Geschäftsführer suchte. Oder der Anlagenbauer, bei dem die Gesellschafter nach und nach ausschieden – alles Fälle, von denen Roland Gördes berichtet. So viele Möglichkeiten: Eigentlich ist jede Unternehmensnachfolge ein Einzelfall.

Oft zu hohe Erwartungen beim Kaufpreis

Denn auch bei der Finanzierung gibt es die unterschiedlichsten Möglichkeiten. Selbst ohne Eigenkapital, aber oft mit großem Wohlwollen bei denen, die das Unternehmen abgeben. Und das, obwohl in 40 Prozent aller Fälle nach den Erfahrungen von Axel Bergmann zu hohe Preise gefordert – oder erhofft – werden. Kombinationen aus Kredit, Käuferdarlehen, Einbindung von Kapitalgesellschaften als Brücke in die Nachfolge oder Weiterbeschäftigung des Vorgängers, der Vorgängerin nach fairen Preisverhandlungen, sogar mit Hilfe von Bürgschaften: Das alles geht. Roland Gördes forderte auf beiden Seiten kreatives Denken in Alternativen – auf beiden Seiten.

Alles, oder zumindest fast alles geht – wenn auch das persönliche Verhältnis stimmt, die zwischenmenschliche Chemie, das beiderseitige Bauchgefühl. Wie bedeutend das ist, betonte Axel Bergmann gleich mehrfach und eindringlich. Transparenz ist unverzichbar, Vertrauen die Basis. Denn allein, was für Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich zurückziehen wollen, von der richtigen Nachfolgewahl abhängt, machte der GAtek-Chef Julian Lindinger mit Blick auf seinen Vorgänger drastisch deutlich: „Wenn ich das an die Wand gefahren hätte, wäre seine Altersversorgung weg.“

 

 

 

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