Neue Wege im Sport, neue Wege in der Ansprache junger Menschen: Bei der hannoverschen Dr. Buhmann Schule & Akademie verbindet man beides. Und feiert internationale Erfolge.
Schulmannschaften, die als Welt- und Europameister nach Hannover zurückkehren: Das haben die Rocket-League-Spieler der Dr. Buhmann Schule & Akademie geschafft. In Dallas, Texas, setzten sie sich Anfang Juni zu ihrer eigenen Überraschung gegen die weltweite Hochschul-Konkurrenz und insbesondere gegen die starken US-Amerikaner durch. Gerade gegen die hatten sich die Hannoveraner eigentlich kaum Chancen ausgerechnet.
Im Juli dann bestätigten die Teams der Dr. Buhmann-Akademie ihre Spitzenposition mit dem europäischen Hochschultitel in Nottingham. Und dort setzte sich auch das League-of-Legends-Team durch und holte einen zweiten Pokal nach Hannover.
Rocket League – als Sportart nie gehört? Auch nicht League of Legends, als Spiel ein paar Jahre älter, aber weltweit deutlich weiter verbreitet? Dann könnte sich, mit Verlaub, die Generationenfrage stellen. Es geht um E-Sports, um Gaming. Rocket League: Das ist, um eine ganz kurze Beschreibung zu nehmen, Auto-Ball am Bildschirm und wird mit Dreier-Mannschaften gespielt. Bei League of Legends, kurz LoL, schlagen sich Fünfer-Teams mit Fantasie-Figuren durch eine Fantasie-Welt bis in die gegnerische Endzone.
Seit gut einem Jahr vergibt die Dr. Buhmann Schule & Akademie E-Sport-Stipendien. Derzeit werden darüber 18 Sportler betreut. Sie lernen, befreit von Schulgebühren, an der Buhmann-Akademie, können dort zum Beispiel ihren Bachelor im Sport- oder Eventmanagement, im internationalen Management oder Marketing machen.
Und sie trainieren: das Spiel selbst, dazu Koordination, das Zusammenspiel in der Mannschaft, mentale Stärke, Einstellung, Fitness. Auf 20 Stunden pro Woche muss sich einstellen, wer ein E-Sport-Stipendium an der Buhmann-Schule haben will. Es gibt einen Trainingsraum mit fünf Plätzen, mit Bildschirmen für die Spielanalyse und, natürlich, eigener Internet-Anbindung.
Jung und kommunikationsstark – aber unterschätzt
Die Spieler wohnen zusammen in einem Haus: durchaus typisch für E-Sport-Spielgemeinschaften. Profis lassen die Fans auch gerne an ihrem WG-Leben teilhaben. Das läuft ebenso über die Sozialen Medien wie die Übertragung der Spiele selbst: Twitter, Instagram, Twitch sind die wesentlichen Kanäle. „Eine Community mit Lust auf Interaktion“, sagt Syam Vogt, bei Buhmann für Marketing zuständig. Und hier liegt der eigentliche Grund für das Engagement der Schule. Bei den 16- bis 25-jährigen ist E-Sport ein „Riesenthema“, meint Vogt, das aber ansonsten total unterschätzt werde.
Es geht um ein Massenphänomen, schreibt das Institut für Betriebliche Gesundheitsförderung zu einer gemeinsamen Studie mit der Deutschen Sporthochschule: Jugendkultur und professioneller Wettkampf in einem. In Deutschland wird die Zielgruppe auf 6,5 Millionen Menschen geschätzt und global sind es fast 400 Millionen. Auf eine ähnliche Größenordnung verweist das Institut der Deutschen Wirtschaft: 2021 hätten weltweit 490 Millionen Menschen Veranstaltungen im E-Sport verfolgt – also etwa Titelkämpfe wie die in Dallas oder Nottingham mit den Erfolgen der Buhmann-Teams.
Über LoL oder Rocket League soll also eine Zielgruppe erreicht werden, bei der das über klassische Medien, Zeitungen etwa, immer schwerer wird. Und die sich, so die Ergebnisse einer aktuellen Studie, auch immer weniger für Sport insgesamt interessiert. Eine Zielgruppe, aus der die künftige Fachkräfte kommen und die heftig umworben wird.
Die traditionsreiche Dr. Buhmann Schule & Akademie, deren Ursprünge bis ins Jahr 1907 reichen, wirbt heute mit E-Sport und Gaming nicht nur für ihre Stipendien: Schülerinnen und Schüler können im Umfeld der Turnier-Mannschaften trainieren, ihre Leistungen im E-Sport verbessern.
Der Weltmeistertitel war da natürlich ein Glücksfall: Der Einstieg in den E-Sport „hat sich jetzt schon gelohnt“, meint Syam Vogt. Und Buhmann-Geschäftsführer Dr. Matthias Limbach formulierte es nach der Weltmeisterschaft so: Der WM-Titel zeige, „dass wir mit unserem nachhaltigen E-Sport-Leistungszentrum auf einem guten Weg sind, in dem wir Bildung und ambitionierten E-Sport miteinander kombinieren.“ Denn, das betont auch Syam Vogt: „Die Schule geht vor.“ Auch die E-Sportler streben einen der verschiedenen Abschlüsse im Programm der hannoverschen Bildungsinstitution an. Das ist Pflicht.
Als Bildungseinrichtung hält man aber beispielsweise Abstand zu Counter Strike, zwar das weltweit am meisten verbreitete Spiel im E-Sport vor League of Legends. Aber die Spielidee eines Shooters – ein Gefecht mit Schusswaffen – passt eben nicht. Gewalt gehört zu den schwierigen Themen im E-Sport. Ein weiteres: Sucht. Hier werden die Eltern einbezogen und beispielsweise über Warnsignale informieren: Wann wird aus Spiel und intensivem Training Abhängigkeit?
Für den E-Sport bei der Dr. Buhmann Schule & Akademie wurde vor knapp einem Jahr das eSport Innovation Hub Hannover gegründet. Geschäftsführer ist Jan Jakob Weber. Die sportliche Leitung liegt bei Björn Benke, der unter anderem Erfahrung in der Nachwuchsarbeit im professionellen Handball und Fußball hat, etwa als Leiter des Nachwuchszentrums beim FC St. Pauli.
Sponsoren auch aus der Wirtschaft
Der Innovation Hub ist heute das wirtschaftliche Fundament für die E-Sport bei Buhmann. Kooperationen gibt es im Sport, etwa mit dem Handball-Bundesligisten TSV Hannover-Burgdorf und seiner eigenen Rocket-League-Mannschaft, den Recken Rockets. Zu den Sponsoren gehören das NKR, also das Norddeutsche Knochenmark- und Stammzellen-Register. Außerdem Adept, ein noch junger Hersteller von Gaming-Stühlen aus Osnabrück, und die Elan Fitness GmbH aus Barsinghausen. Unterstützt werden die Buhmann-Teams aber neben dem Aufzugshersteller Kone auch von der Lenze SE: Der Automatisierungsspezialist aus der Nähe von Hameln sieht sein Sponsoring als Baustein, um sich als Arbeitgeber zu profilieren: Employer Branding. Und das eben vor allem bei jungen Menschen.
Außerdem will sich Lenze bei seinen Nachwuchskräften auch Qualifikationen zu sichern, die im E-Sport – wie im klassischen Sport auch – eine Rolle spielen: Zusammenarbeit im Team, Führungskompetenz, Belastbarkeit. E-Sport braucht Kommunikation, oft auf Englisch, und in der Regel auch Interesse an IT. Gründe für Lenze, den Firmennamen auf die Trikots der Buhmann-Teams zu setzen. Sponsoring ist im Übrigen die wichtigste Quelle für den weltweiten Umsatz im E-Sport, der 2021 nach Angaben des Instituts der Deutschen Wirtschaft die Milliardenmarke übersprang. Wohlgemerkt ohne Ausgaben für Rechner, Headsets, Stühle und was der Gamer sonst noch so braucht.
Sponsoring und Werbung sind aber nicht die einzigen Brücken zwischen E-Sport, Gaming und der Wirtschaft. Virtual und Augmented Reality, 3D-Darstellungen, immersive Medien und intuitive Bedienung von Programmen werden seit je her von der Spielewelt getrieben. Die spielenden Kinder, Söhne zumeist, brauchen in der Regel eine anspruchsvollere Ausstattung als ihre digitalisierenden Eltern.
Spielerisch digitalisieren: Ernsthafte Ansätze in der Region
Technische Entwicklungen aus der Spiele-Welt für Unternehmen nutzbar zu machen, ist Aufgabe des in Hannover angesiedelten ApitsLab. Unter dem Dach der NordMedia werden mittelständische Unternehmen beraten, wenn es beispielsweise um Gamification geht: Gemeint ist damit, dass Spielemechaniken genutzt werden, um Anreize beim virtuellen Lernen zu setzen – wenn beispielsweise Fortschritte bei den eigenen Fähigkeiten mit steigenden Punkteständen deutlich gemacht werden.
Seit einigen Tagen gibt es auch ein neues Berufsbild, den Gestalter oder die Gestalterin für immersive Medien. Immersion, das kommt aus der Spiele-Welt und meint das visuelle Eintauchen in virtuelle Realitäten – zum Beispiel über ein VR-Brille.
Einen E-Sport-Schwerpunkt, wie er jetzt von der Buhmann-Akademie eingerichtet wurde, hatte die Region Hannover übrigens schon 2021 angekündigt. Nicht nur mit dem Ziel, Impulse für die Wirtschaft zu setzen. Sondern auch, die Region als zentralen Ort für E-Sport zu bestätigen. In Hannover und Umgebung gab es ein ziemliches Auf und Ab: Hannover 96 hat seit Jahren einen E-Sport-Bereich mit der Fußball-Simulation FIFA. Die eigentlich im Frühsommer auf dem hannoverschen Messegelände geplante Gaming-Veranstaltung Dreamhack soll jetzt Mitte Dezember stattfinden. Die expert SE war eine Zeit lang mit einem Profi-Team bei League of Legends unterwegs, stieg dann aber aus.
Auf dem Gipfel aber sind derzeit die E-Sportler der Buhmann-Akademie mit ihren internationalen Hochschul-Titeln. Talent, Disziplin, Fleiß sind dafür Grundlagen, sagt Syam Vogt. Fitness ebenso, und zwar nicht nur körperlich, wenn man in einer Begegnung bis zu sieben Runden mit durchschnittlich 40 Minuten spielen muss. Aber vor allem: Training. Hört sich an wie in jeder anderen Sportart.
Manchem reicht das aber nicht, um E-Sport als Sport zu sehen. Der Deutsche Olympische Sportbund ist seit langem und traditionell kritisch: Sport brauche Bewegung, Schach sei da nur eine historische Ausnahme. Immerhin bastelt das lange ebenfalls zurückhaltende Internationale Olympische Komitee gerade an einer E-Sport-Serie. Die wurde im Juni zum zweiten Mal ausgetragen – allerdings mit virtuellen Versionen oft olympischer Sportarten: Basketball, Tennis, Bogenschießen, aber auch Schach oder Motorsport. Das wird von der Gaming-Szene entweder belächelt oder verurteilt: In deren Lesart geht es im E-Sport um Spiele wie Fortnite, Dota2 oder eben League of Legends und Rocket-League. Vielleicht noch Fifa als Fußballsimulation.
Sport oder nicht? Woanders in der Welt gibt es da weniger Bedenken. Spitz formuliert: Wo man digital weiter ist als Deutschland, wird E-Sport leichter akzeptiert. Oder andersherum: Die Digitalisierung stellt alles auf den Kopf – auch den Sport.