Stimmungsumschwung in der Wirtschaft auch aus Sicht der Nord/LB: In ihrer Konjunkturprognose für das laufende Jahr geht die Bank von einem Wachstum in Niedersachsen von 0,3 Prozent aus, leicht über dem Wert für den Bund von 0,2 Prozent.
Es ist in gewisser Weise ein mehrschichtiger Blick, den die Nord/LB-Volkswirte auf das laufende Jahr werfen. Das erwartete Wirtschaftswachstum von leicht über Null sowohl für Deutschland als auch für Niedersachsen bekommt aus ihrer Sicht das Prädikat „verhalten“. Die Prognose der Bank deckt sich mit der zeitlich veröffentlichten Einschätzung der Bundesregierung, die ebenfalls ein Plus von 0,2 Prozent sieht. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr wuchs die deutsche Wirtschaft nach vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes um 1,9 Prozent. Immerhin erwartet die Bank für das kommende Jahr dann wieder ein Plus von 1,5 Prozent. Für Niedersachsen schätzt die Nord/LB das Wachstum 2022 auf 1,3 Prozent, nennt allerdings keinen Wert für das laufende Jahr.
Ökonomische Herausforderungen durch den Krieg verschärft
Auch für die Weltwirtschaft erwartet Nord/LB-Vorstandsmitglied Christoph Dieng eine Abkühlung, mit einer klaren Ursache: „Viele der ökonomischen Herausforderungen, wie die Energiekrise, anhaltende Lieferkettenprobleme oder die hohen Inflationsraten, wurden durch den Ukrainekrieg ausgelöst oder erheblich verschärft.“
So verhalten allerdings die Bewertung der Konjunktur ist: Es hätte schlimmer kommen können. Eine Rezession schien im vergangenen Herbst noch unvermeidlich. „Zurzeit sieht es danach aus, als ob wir das umschiffen können“, so Nord/LB-Chefvolkswirt Christian Lips bezogen auf eine technische Rezession, also mindestens zwei Quartale mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts. Er ist damit vielleicht noch eine Spur optimistischer als IHKN-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt, die wenige Tage zwar von einem schwierigen ersten Halbjahr gesprochen hatte, aber lediglich mit einer „Mini-Rezession“ rechnet.
Wetterglück und Sparerfolg
Wesentlich für den Stimmungsumschwung ist die mit jedem Tag wachsende Wahrscheinlichkeit, dass es nicht zum befürchteten Gasmangel kommt. Neben dem Glück eines bislang milden Winters sind haben dazu die Einsparungen vor allem auch in der Industrie beigetragen.
Weitere positive Entwicklungen stützen aus Sicht der Nord/LB diese Entwicklung. So nimmt aktuell die Störung der Lieferketten ab, und die Energiepreise zeigen nach unten. In Deutschland habe sich der Zangengriff durch Energiepreise und Lieferkettenprobleme zuletzt für viele Branchen spürbar gelockert, so die Nord/LB. Ausdrücklich ausgenommen sind aber die energieintensiven Bereiche: Chemie, Glasherstellung, die Erzeugung und Bearbeitung von Metall sowie Papier und Pappe.
Mit der aktuellen Prognose für 2023 hat die Nord/LB den keines grundlosen, aber aus heutiger Sicht „übermäßigen Pessimismus“ vom Herbst 2022 korrigiert: „Fifty Shades of Black“ sei noch vor Monaten das Grundmotiv aller Konjunktureinschätzungen gewesen, so Chefvolkswirt Christian Lips.
Grund zur Entwarnung gibt es allerdings nicht. Energiesparen sei weiterhin Gebot der Stunde, machte Lips deutlich: „Jedes Prozent Füllstand am Ende des Winters hilft.“ Nach den Worten von Dr. Eberhard Brezski, Niedersachsen-Experte im volkswirtschaftlichen Team der Nord/LB, hat die Notwendigkeit des Energiesparens bei den Unternehmen auch „ungeahnte Kräfte“ freigesetzt. Hinzu kommen die mittlerweile drei in Rekordzeit eingerichteten LNG-Terminals. Auch Nord/LB-Vorstand Christoph Dieng erwartet, dass Norddeutschland und damit auch Niedersachsen von seiner wachsenden Bedeutung für die Energieversorgung, auch durch den Ausbau der Erneuerbaren, mittel- bis langfristig wirtschaftlich profitieren wird: Industrie folgt Energie.
Die Risiken, allen voran eine weitere Eskalation des russischen Krieges gegen die Ukraine, sind aber nach wie vor massiv. China gerät dabei mehrfach in den Blick, sowohl wegen der Haltung gegenüber Taiwan als auch wegen Zick-Zack-Kurses in der Corona-Politik. Die Inflation wird zwar abnehmen, bleibt aber aus Sicht der Nord/LB „hoch und hartnäckig“. Der Weg für die Notenbanken sei eine Gratwanderung: Inflation bekämpfen, aber nicht durch zu restriktive Maßnahmen die positive Konjunkturanzeichen ersticken.
Keine Stütze für die Konjunktur sei der private Konsum, so die Einschätzung der Nord/LB. Trotz der Preissteigerungen habe es im vergangenen Jahr Aufholeffekte nach der Pandemie gegeben. Die sieht Christian Lips 2023 nicht mehr, dagegen jedoch Wohlstandsverluste auch durch die starke Verteuerung von Importe, ausgelöst durch den Ukraine-Krieg.
Fachkräftemangel bremst
Wachstumshemmend wirkt sich der Fachkräftemangel aus. In Niedersachsen ist der Arbeitsmarkt stabil, auch durch den Dienstleistungsbereich. Allerdings nannte Eberhard Brezski eine durchschnittliche Vakanzzeit bis zur Besetzung einer offenen Stellen von 209 Tagen und damit 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Die um einen Hauch, nämlich 0,1 Prozentpunkte bessere Wachstumsprognose für Niedersachsen gegenüber dem Bund begründete er unter anderem mit einer Stabilisierung wichtiger Branchen im Land.