Bei seinem ersten Rundgang als Bundeswirtschaftsminister über die Hannover Messe kündigte Robert Habeck eine Initiative an, die Windkraft und Wasserstoff zusammenführen soll.
„Und jetzt“, sagte Robert Habeck, „müssen Sie mir noch das Geheimnis der Schmetterlinge erklären.“ Zwei davon, mechanisch mit Festo-blauen Flügeln, flatterten über dem Festo-Stand auf der Hannover Messe. Bionische Geschöpfe, ultraleicht – beim Esslinger Automatisierungsspezialisten hat das schon Tradition, vor einigen Jahren brachte Festo mit fliegenden Robotern in Vogelform die Gäste bei der Messeeröffnung zum Staunen. Wie den Bundeswirtschaftsminister auch.
Um die Schmetterlinge ging es aber nicht beim Besuch Habecks. Sondern um Algen. Festo zeigt auf der Messe den zusammen mit der Trumpf-Tochter Q.Ant entwickelten Prototyp eines Bioreaktors, in dem künstliche Photosynthese Algen wachsen lässt. Ziel ist es, Biomasse industriell zu gewinnen und zu nutzen, als Ausgangsmaterial für Arzneimittel, Verpackungen oder Kosmetik. Die Algen sollen mehr CO2 binden als Landpflanzen, und was daraus hergestellt wird, lässt sich klimaneutral zurückführen: Alleskönner in Sachen Nachhaltigkeit, wenn man so will.
Quantensensorik steuert Algenwachstum
Ihren Platz auf der Industriemesse haben die Algen, weil hinter dem Bioreaktor jede Menge Automatisierungstechnik steckt, unter anderem quantenbasierte Partikelsensoren. Und man möchte darauf wetten, dass Robert Habeck nicht nur davon beeindruckt war, sondern auch von der Begeisterung eines jungen Teams, das den Reaktor vorstellte und jedenfalls den Altersschnitt an den von Habeck besuchten Ständen deutlich senkte. Auf Algen übrigens traf der Minister auch an „seinem“ Messestand, dem des Bundeswirtschaftsministeriums, wo ebenfalls ein Projekt dazu gezeigt wird.
Zuvor hatte der Rundgang dem Minister Heimspiele beschert, am Stand der Energieküste Schleswig-Holstein und bei der GP Joule GmbH. Es geht dort, wie auch bereits bei Siemens Energy, um Windkraft. Und um Wasserstoff. Habeck, in Lübeck geboren und einige Jahre Umweltminister im nördlichsten Bundesland, kennt die Ausstellenden, spricht mit Helgolands Bürgermeister Jörg Singer über Aquaventus, ist mit GP-Joule-Geschäftsführer Ove Petersen per Du. Beide Vorhaben, Aquaventus vor Helgoland und GP Joule mit Sitz nördlich von Husum, drehen sich ganz oder teilweise um grünen Wasserstoff.
Klimanetz für Windkraft und Wasserstoff soll nächstes Jahr kommen
Am Stand von GP Joule kündigt Habeck auch ein „Klimanetz“ an, das Windkraft und Wasserstoff integrieren soll – Stichwort: Sektorkopplung. Ziel ist es, die Infrastruktur und die Akteure beider Bereiche zu erfassen und zu verbinden: Windkraftstandorte, Elektrolyseure, Einspeisepunkte. Ohne konkreter zu werden, drückt Habeck aber auch hier aufs Tempo: „Das muss alles im nächsten Jahr laufen.“
Kurz nach seinem Besuch Hannover konkretisierte Habeck während einer Rede beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft seine Vorstellung in Richtung eines Klimaneutralitätsnetzes.
Ein solches Klimanetz hätte auch viele Knotenpunkte in Niedersachsen. Fast zeitgleich mit dem ministeriellen Messerundgang legte sich die Landesregierung fest: Mit rund 460 Mio. Euro sollen Wasserstoff-Projekte in den kommenden Jahren gefördert werden, in der Hoffnung auf zusätzlich rund 1 Mrd. vom Bund.
Keine Niedersachsen in Niedersachsen
Niedersächsische Stationen hatte Habeck bei seinem Rundgang nicht auf dem Programm. Aber schließlich erkundete er ja in Hannover den industriellen Nabel der Welt – bei seinem ersten Rundgang als Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister mit deutlichem Gewicht bei innovativ-nachhaltigen Themen. Das betonte er auch bei seinem Zusammentreffen mit dem portugiesischen Amtskollegen, dem für Wirtschaft zuständigen António Costa Silva.
Portugal? Klar, das Wetter, Sonne Wind. „Aber sie nutzen das Wetter eben auch“, lobte Habeck das Partnerland. Auf seinem auf Weg durch die Hallen lagen zudem Messe-Urgesteine und Industrieschwergewichte wie der Sensorik-Spezialist Pepperl & Fuchs aus Mannheim oder die Schaeffler AG aus Herzogenaurach. Beim Dresdner Start-up Wandelbots, das zu den Unternehmen gehört, die Roboter-Programmierung einfacher machen wollen, ließ Habeck sogar frühere oder aktuelle Fernsehvorlieben durchblicken: Ob denn der Roboter einen Namen habe? Bender vielleicht? So heißt der Roboter aus Futurama, der Science-Fiction-Serie des Simpson-Erfinders Matt Groening.
Die Stimmung war also eher aufgehellt am Ende des Rundgangs, der mit einem Statement zum Öl-Embargo der EU begonnen hatte. Tatsächlich sprach Habeck dann ausdrücklich auch von einem Lichtblick in düsteren Zeiten, den die Industriemesse mit den gezeigten Lösungen und Innovationen biete. Und das wiederum passt ja zu den Schmetterlingen, über die den Minister während seines Rundgangs zum Staunen brachten.