Weiter V-förmig nach oben: Mit einem Sprung im zweiten Quartal um 18 Punkte aufwärts zeichnet der IHK-Konjunkturklimaindikator die Erholung der niedersächsischen Wirtschaft nach. Es ist aber eine Aufholjagd mit Hindernissen.

 

Mit den Lockerungen der Corona-Maßnahmen verbesserte sich die Geschäftslage der Unternehmen in Niedersachsen deutlich. Zwar dämpft noch der weiter unberechenbare Pandemieverlauf die Erwartungen an die kommenden Monate, der IHK-Konjunkturklimaindikator stieg aber insgesamt von 96 auf 114 Punkte. Damit läuft die Erholung nach eineinhalb Jahren Corona bislang sogar noch schneller als in der Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise. Damals erreichte der Indikator 15 Monate nach dem Tiefststand nahezu das gleiche Niveau wie in der aktuellen Konjunkturumfrage der niedersächsischen Industrie- und Handelskammern, deren Ergebnisse IHKN-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt Mitte Juli vorstellte. Die Aufwärtsentwicklung in der Pandemie begann aber noch tiefer im Keller als nach 2008: Corona hatte den Konjunkturklimaindikator im ersten Quartal 2020 auf das Allzeit-Tief von 48 gedrückt.

Materialmangel und Preisanstiege

Die „Erholungsrallye“, so Maike Bielfeldt, stößt aber noch auf Hindernisse. Während einige Branchen nach wie vor von Corona-Beschränkungen betroffen sind, ist für viele Unternehmen aktuell die Materialknappheit bei Rohstoffen und Vorprodukten in Verbindung mit großen Preissteigerungen proble­matisch. Die Mangelliste ist lang: Metalle, seltene Erden, Holz, Halbleiter und Computerchips, Kunststoffe und Baumaterial. Allerdings sehen die Industrie- und Handelskammern helle Streifen am Horizont: „Wir sind zuversichtlich, dass sich die Lieferschwie­rigkeiten in der zweiten Jahreshälfte in den meisten Branchen auflösen“, so sagte IHK-Chefin Bielfeldt vor der Presse in Hannover – deren Vertreter erstmals seit langem zu einer Präsenzverstaltung in die IHK Hannover gekommen waren.

Ganze Wirtschaftszweige kehren zurück

Die Wiederbelebung ganzer Wirtschaftszweige führt dazu, dass die gesamten Investitions- und Personalplanungen mit den gestiegenen Erwartungen im zweiten Quartal deutlich nach oben angepasst wurden und wieder über dem langjährigen Durchschnitt liegen.

Freudensprung im Einzelhandel

Mit steigenden Auftragseingängen verfestigt sich der Aufschwung in der Industrie, wenn auch die Produktion in wichtigen Bereichen noch unter Vorkrisenniveau bleibt. Aber der Auf­tragsbestand wird von den Unternehmen wieder positiv beur­teilt. Und am Bau würden die Geschäfte noch besser laufen, wären da nicht der Materialmangel und die Preissteigerungen. Ganz besonders wies Maike Bielfeldt auf den Einzelhandel sowie den Bereich Unterhaltung und Erholung hin. Beide bewegten sich deutlich nach oben. Den Satz des Klimaindikators im Einzelhandel von 66 auf 105 Punkte nannte die IHK-Chefin einen „Freudensprung“, ähnlich wie im Sommer 2020. Die Besucherfrequenz in den Städten sei fast auf Vorkrisenniveau, die Konsumneigung zufriedenstellend, der Optimismus überwiege trotz allgegenwärtiger Hinweise auf die Pandemie. Und ebenso wieder Einzelhandel spürt auch das Gastgewerbe kräftigen Aufwind durch die zunehmenden Lockerungen. Nach sieben Monaten Lock­down sind vor allem die Urlaubsregionen wieder optimistisch. Restaurants und Gaststätten fehlt allerdings noch deutlich Umsatz, um ohne staatliche Hilfen wirtschaften zu können: Wegen der letztlich unklaren Corona-Pandemie werden Veranstaltungen, zum Beispiel private Feiern, immer noch zögerlich geplant. Ein akutes Problem ist der Personalbedarf, da viele Arbeits­kräfte in andere Bereiche abgewandert sind. Fast alle Restaurationsbetriebe klagen über Fach­kräftemangel.

Weiteren Lockdown auf jeden Fall vermeiden

Aber: „Das Wachstum ist zurück“, so die Einschätzung von Maike Bielfeldt. Der Aufholprozess werde bei nachlassenden Engpässen und weiteren Erfolgen bei der Bekämpfung der Pandemie in den nächsten Monaten an Fahrt gewinnen. Konkret betonte sie die Notwendigkeit weiterer Fortschritte beim Impfen. Die Einbindung der Unternehmen habe sich dabei als starke dritte Säule erwiesen. Bielfeldt sagte, dass rund 25 Prozent der Belegschaften geimpft worden seien und betonte ihre Unterstützung einer vom Land angekündigten Werbekampagne: „Was wir jetzt brauchen, ist einerseits die Gewissheit, dass es nicht wieder automatisch aufgrund steigender Inzidenzwerte zu einem Lockdown kommt“, erklärte die Hauptgeschäftsführerin und wies auf die Pläne hin, weitere Faktoren bei der Lagebeurteilung zu berücksichtigen.

Jetzt an die Zukunft denken

Jenseits der Pandemie forderte Bielfeldt aber darüber hinaus einen „Fahrplan für die Zukunft“. Die Politik sei gefordert, um die sehr ambitionierten Klimaschutzziele der EU erreichen zu können. „Der Green Deal kann nur erfolgreich sein, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, damit die nötigen Investitionen aus der Wirtschaft kommen“, so die Einschät­zung der IHKN-Hauptgeschäftsführerin.

 

 

 

 

 

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