Von Lehrbuch und Lernbögen zu Apps und Fahrsimulatoren: Der Degener Verlag aus Hannover stattet Fahrschulen in ganz Deutschland mit digitalen Lehrmaterialien, Software und Apps aus. Und das 1934 gegründete Unternehmen kennt sich nicht nur mit Verkehrssicherheit und –ausbildung bestens aus.
Mit Fahrlehrern ist es so ähnlich wie mit Berufskraftfahrern. Seit die Bundeswehr nicht mehr Massen junger Menschen das Lkw-Fahren beibringt, suchen Speditionen händeringend Nachwuchs. Und nicht nur die. Auch in der Ausbildung gibt es eine Lücke. Vielen Fahrschulen fehlen die Lehrer. Dem Mangel kann der Degener Verlag aus Hannover auch etwas Positives abgewinnen. „Wir merken, dass das Interesse an unseren Simulatoren deutlich gestiegen ist“, erklärt Geschäftsführer Dr. Max-Georg Büchner. Die Geräte, die echtes Autofahren realistisch simulieren, bietet das hannoversche Unternehmen seit sieben Jahren Fahrschulen zum Kauf an – neben allem anderen, was eine Fahrschule für ihren Betrieb braucht, von der Einrichtung bis zum Lehrmaterial. Insgesamt dürften etwa 15 Prozent aller Fahrschulen bereits einen Fahrsimulator besitzen, und von diesen stamme etwa die Hälfte von Degener, schätzt der 51-Jährige. Es sind vor allem größere Fahrschulen, die sich die rund 17000 Euro teure Technik leisten könnten. „Die Fahrlehrer können sich dann auf die Dinge konzentrieren, für die sie gebraucht werden. Schalten und Kuppeln etwa kann man gut im Simulator lernen“.
Die Digitalisierung ist für Degener nicht erst seit kurzem ein Thema. Bereits Mitte der 1990er Jahre gehörte die Firma zu den Vorreitern in der Branche, als man als erster deutscher Fachverlag ein multimediales Produkt herausbrachte. Mithilfe von Barcodes ermöglichte es das passende Abspielen von Fotos oder Filmen. Heute erwirtschaftet das Unternehmen rund 90 Prozent seiner Umsätze digital. „Ich bin froh, dass wir im Verlag frühzeitig die Digitalisierung vorangetrieben haben“. Seit gut 20 Jahren führt Max-Georg Büchner zusammen mit Gloria Degener, der Tochter des Firmengründers und Michael Hühn das Unternehmen, das 1934 in Hannover gegründet wurde.
„Als ich hier vor zwanzig Jahren anfing, haben wir noch den Großteil unseres Geschäfts mit Papier gemacht.“ Ein Lehrbuch ist auch heute noch ein wichtiger Bestandteil der Theorie-Ausbildung, aber die Zeiten, in denen junge Menschen auf den Lernbögen mit dem Bleistift ihre Kreuze setzen, sind vorbei. Geübt werden die Fragen heute per App und im Netz – aber weiterhin mit Produkten aus dem hannoverschen Verlag. Degener arbeitet dabei eng mit Softwareentwicklern zusammen.
Verkehrssicherheit als Geschäft
Nachdem die Zahl der Jugendlichen in den vergangenen zwei Jahrzehnten lange rückläufig war, spüren die Fahrschulen inzwischen eine steigende Nachfrage aufgrund der wieder größer werdenden Jahrgänge. Je nach Bedarf können die Fahrschulen bei Degener verschiedene Pakete buchen, die alles umfassen, was für die Fahrausbildung benötigt wird. Als Komplettanbieter gehört auch Büroausstattung und Software zur Verwaltung zum Angebot. Üblicherweise wird nicht nur die Fahrschule mit Lehrmaterial ausgestattet, sondern auch die Schülerinnen und Schüler erhalten die Zugänge zu den Lern-Apps von Degener.
Als vor elf Jahren die theoretische Prüfung auf den Papierbögen von der PC-Prüfung abgelöst wurde, gab es einen regelrechten Boom von Apps und Programmen, mit denen sich junge Leute auf die Prüfung vorbereiten konnten. „Das ging damals auch an uns nicht spurlos vorbei“, erinnert sich der Geschäftsführer. Aber die Fahrschulen blieben Degener treu, sodass sich die neue Programmvielfalt nicht negativ bemerkbar machte.
Dem Führungstrio ist es wichtig zu betonen, dass sich das Unternehmen seiner hohen Verantwortung für die Verkehrssicherheit sehr bewusst ist. „Deswegen zielt unser Lernkonzept ganz klar auf den Knowhow-Transfer. Wir wollen nicht das Auswendiglernen fördern“, sagt Geschäftsführer Hühn. So würden auch schon mal wirtschaftliche Aspekte zurückgestellt, wenn dafür ein wichtiger Sachverhalt klarer dargestellt werden kann. „Wir produzieren Animationen und drehen zum Beispiel eigene Filme, weil wir davon überzeugt sind, den jungen Menschen so einen wichtigen Inhalt besser vermitteln zu können“. Die Filmproduktion hat bei Degener Tradition, was die Lehrfilme, die das Unternehmen in den 1950er Jahren in Hannover aufnahm, eindrücklich belegen. Sie sind heute bei Youtube abrufbar. Anpassungsfähig zu bleiben, war in der Vergangenheit ein entscheidender Faktor für den Erfolg des Unternehmens, denn der amtliche Fragenkatalog mit rund 1300 Fragen wird mehrmals im Jahr verändert. Das heißt dann auch für Degener, dass die Lehrinhalte angepasst werden.
Von der großen Erfahrung bei der Vermittlung von Wissen rund um die Verkehrssicherheit profitieren seit dem Jahr 2004 übrigens auch Fahranfänger in China. Damals gründete Degener ein Joint-Venture mit Unterstützung des chinesischen Verkehrsministeriums. „Die Zahl der Verkehrstoten war in China damals enorm hoch. Und das sollten wir ändern“, erinnert sich Büchner. Nach einer sehr erfreulichen Phase, in der viele Verbesserungen erreicht wurden, genieße die Verkehrssicherheit in China aktuell nicht mehr die allerhöchste Priorität.
In Deutschland hat Degener die Aktivitäten ebenfalls erweitert und – neben der durchaus erfolgreichen Branche der Aus- und Weiterbildung von EU-Berufskraftfahrern – auch andere Bereiche der Erwachsenenbildung ins Visier genommen. „Ich bin sicher, wir haben mit unseren Erfahrungen und Ideen ein Potenzial für die Entwicklung innovativer Ideen, die auch für andere Branchen durchaus interessant sind“, erklärt Büchner. Degener setzt in den kommenden Jahren weiter auf eine konsequente Digitalisierung. „Wir sind Marktführer im deutschen Fahrschulmarkt, auch weil wir bei Innovationen führend sind“, erklärt Büchner. Gute Beispiele dafür sind der Fahrsimulator, die Fahrschulverwaltungssoftware und die digitalen Lern- und Unterrichtsmedien. Und da gebe es durchaus noch Potenzial.