Der neue Mobilfunkstandard 5G verspricht Schnelligkeit und Verlässlichkeit. Zunehmend greifen Unternehmen auf 5G-Lösungen zurück, um etwa ihre Produktion mithilfe eines eigenen Campusnetzes zu integrieren.
Der Bedarf nach digitaler Vernetzung steigt in der Wirtschaft enorm. Die Datenmengen nehmen immer weiter zu und ein verzögerungsfreier sowie sicherer Datenaustausch wird immer wichtiger. In modernen Produktionsstätten, in denen Maschinen, Prozesse, Werkzeuge und Menschen vernetzt arbeiten. Autonomes Fahren, Künstliche Intelligenz, Fernwartung und Telemedizin sind nur einige Schlagworte. Eine der Schlüsseltechnologien dabei ist der neue Mobilfunkstandard 5G.
5G bietet Unternehmen erstmals die Möglichkeit, mit sogenannten Campusnetzen eine betriebseigene, lokale Mobilfunk-Infrastruktur aufzubauen, die individuell und skalierbar auf die eigenen Anforderungen maßgeschneidert werden kann und der eigenen Qualitätssicherung unterliegt. Prinzipiell ist ein Campusnetz nichts Neues. Die meisten heutigen Netze basieren aber auf Wireless-LAN-Technologie. Mit einer steigenden Zahl vernetzter Maschinen und Anwendungen sind hier aber schnell Grenzen erreicht. Zudem sind Drahtlosnetzwerke eher instabil und auch nur eingeschränkt für mobile Lösungen wie fahrerlose Transportsysteme geeignet, da beim Wechsel der Funkzellen eine kurze Unterbrechung eintritt.
Verlässlichkeit deutlich höher
Deutlich leistungsfähiger sind und nach wie vor für eine Vielzahl von Anwendungsfällen (use cases) geeignet sind Netze auf Basis von 4G/LTE . Aber erst mit 5G sind höchste Anforderungen an Latenz, Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit realisierbar, wie sie bei der Steuerung von Produktionssystemen bei autonomen Fahren oder Fernzugriffsanwendungen nötig sind. Für 5G-Campusnetze ist ein Frequenzspektrum von 3700 bis 3800 MHz vorgesehen. Es ist abgetrennt vom versteigerten Frequenzspektrum für 5G (3400 – 3700 MHz). Die Lizenzen können seit Ende November 2019 für zunächst zehn Jahre beantragt werden. Verlängerungen der Nutzungsdauer sind möglich.
Für ein eigenes Campusnetz ist die Beantragung einer Lizenz bei der Bundesnetzagentur erforderlich. Stand Anfang Juli sind bereits 60 Lizenzen vergeben worden. Das Verfahren ist vergleichsweise schlicht, wobei zu beachten ist, dass Campusnetze ausschließlich für innerbetriebliche Anwendungen und nicht für öffentliche Angebote genutzt werden dürfen. Wichtiger weiterer Punkt ist, dass bei benachbarten Campusnetzen Betreiberabsprachen über die jeweiligen Störreichweiten getroffen werden sollen und nicht (außer es kommt zu keiner Einigung), wie sonst üblich, durch Auflagen der Bundesnetzagentur die Sendeleistung in Randbereichen – dann meist aber deutlich stärker – beschränkt wird.
An den Kosten für die Frequenznutzung dürften eigene Campusnetze eher nicht scheitern. Sie stellen bei den Gesamtkosten, die je nach Anforderungen extrem variieren werden, zumeist den geringsten Anteil dar. Die Gebühr setzt sich aus einem Grundbeitrag von 1000 Euro, der Bandbreite (B), der Laufzeit in Jahren (t) und der Fläche (a) nach der Formel G = 1000+B*t*5*(6*a1+a2) zusammen, wobei Siedlungs- und Verkehrsflächen (a1) den sechsfachen Preis gegenüber anderen beispielsweise landwirtschaftlichen Flächen (a2) haben. Zur Größeneinschätzung: Ein Campusnetz im Siedlungsgebiet auf 25 Hektar über zehn Jahre mit einem Frequenzband von 30 Mhz würde insgesamt 3250 Euro, also 325 Euro pro Jahr kosten.
Auch Teilnetze können Option sein
Der Aufbau und Betrieb eines eigenständigen Campusnetzes ist allerdings nicht die einzige Variante. Zwar stellt diese Form des Betreibermodells die individuellste, leistungsfähigste und aufgrund der Möglichkeit der strikten Abgrenzung zu öffentlichen Netzen, sicherste Variante dar. Allerdings sind hier auch die Erstellungskosten hoch und ein großes Know-how ist erforderlich. Einen „gegenteiligen“, völlig virtuellen Weg bietet ein privates Teilstück (slice) innerhalb des Netzes eines Mobilfunkbetreibers für firmeninterne Anwendungen. Dies setzt eine entsprechende 5G-Abdeckung des Firmengeländes voraus. Ähnlich, aber deutlich individueller, ist eine Variante, bei der das öffentliche Netz über das die Steuerung durch den Mobilfunkdienstleister erfolgt („Control Plane“) durch private Komponenten („User Plane“) ergänzt wird. Darüber hinaus gibt es verschiedene Hybrid-Lösungen, die entweder als Basis die Netze des Mobilfunkbetreibers oder eigene Campuslizenzen verwenden.
Zentrales Kriterium für die Entscheidung zur Nutzung von 5G Campusnetzen und der Wahl des Betreibermodells stellt die Analyse der Anwendungsfälle dar, um daraus die Anforderungen zu analysieren. Dabei ist beispielsweise zu klären: Welche Vorteile bietet der Einsatz von 5G gegenüber anderer Technologie? Soll ein Campusnetz eine Alternative oder Ergänzung bisheriger Systeme sein? Wie sind die Anforderungen an die Leistungsdaten, die Sicherheit und Abgeschlossenheit des Systems? Welches technische Know-how ist vorhanden oder zu generieren? Noch befindet sich 5G in einer frühen Phase. Vielfach sind die aktuellen Anwendungen auch mit den bereits etablierten Techniken abbildbar. Allerdings sollten sich Unternehmen aufgrund der riesigen Potenziale dennoch schon heute mit dem Thema beschäftigen, um Erfahrungen zu sammeln. Vielleicht kann dies auch räumlich begrenzt mit einer kleinen Zahl an Endgeräten erfolgen. Wen die möglichen Kosten für die Anschaffung von 5G-Endgeräten abschrecken, der sollte berücksichtigen, dass die 5G-Campusnetzfrequenz grundsätzlich technologieunabhängig funktioniert, also in einer Übergangszeit kann hier auch 4G/LTE-Technik zum Einsatz kommen kann.
Aktuell ist die Deutsche Messe AG dabei das hannoversche Messegelände mit einer flächendeckenden 5G-Infrastruktur zu versorgen. Ein Teilausbau wird Ende des Jahres abgeschlossen sein. Das Gesamtprojekt soll bis Ende 2022 realisiert sein. Unternehmen soll die Möglichkeit gegeben werden, das Netz als Testfeld für ihre Lösungen zu nutzen.
5G-Projekt in Göttingen
Anwendungsbeispiele zeigen die Projekte des 5G-Innovationswettbewerb des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Mit elf der 67 Modellregionen ist Niedersachsen hier hervorragend vertreten. Im Bereich der IHK Hannover ist etwa das Projekt „Health5Gnet“ im Landkreis Göttingen zur innovativen Patientenversorgung bereits umfangreich konzipiert worden. Schwerpunkt ist dabei die Entwicklung eines mobilen, mit umfangreicher Sensortechnik, intelligenten Reaktionsfunktionen und smarter Medizintechnik ausgestatteten Krankenbettes. Auf diese Weise kann der Patient während des gesamten Aufenthalts in den verschiedenen Stationen des Krankenhauses optimal begleitet, überwacht und versorgt werden. Ein anderes Projekt ist „NortNet“, das in Northeim die Präzisionslandwirtschaft erprobt, bei der über Sensoren in Drohnen und Maschinen ein exakte, räumlich differenzierte Überwachung und Prognose von Boden-, Pflanzen- und Erntedaten erfolgt.
Zur Unterstützung des Aufbaus von 5G-Campusnetzen plant das Land Niedersachsen für Herbst 2020 die Veröffentlichung einer Förderrichtlinie. Private Campusnetze können dann mit bis zu 200 000 Euro gefördert werden.
Umfangreiche Informationen bietet der „Leitfaden 5G-Campusnetze“ des Bundeswirtschaftsministeriums. Auch beim Breitbandzentrum Niedersachsen Bremen finden Sie weitere Informationen sowie direkte Beratungsmöglichkeiten und Unterstützung, etwa beim Antragsverfahren für die Frequenznutzung. Darüber hinaus bieten Mobilfunknetzbetreiber und einige Systemtechnikhersteller Informationen und Lösungen an.
Die 5G-Technik
5G ist eine Weiterentwicklung des 4G/LTE Mobilfunkstandards. Dabei ist der Standard nicht starr, sondern wird stetig erweitert und verbessert. Die erste vollständige Spezifikation (Release 15) wurde Mitte 2018 fertiggestellt und stellt die Basis der heute verfügbaren Lösungen dar. Eine wesentliche Weiterentwicklung des 5G-Standards, durch das eine Vielzahl neuer Anwendungen möglich wird erfolgt mit dem Release 16, das in diesen Wochen erwartet wird. Endgeräte für Unternehmensanwendungen soll es voraussichtlich ab dem zweiten Halbjahr 2021 geben. Die möglichen optimalen Leistungsdaten von 5G liegen weit oberhalb derjenigen von 4G/LTE: So sind Spitzenbandbreiten von über 10 Gbit/s – verglichen mit 1 Gbit/s bei 4G und extrem kurze Latenzzeiten (Reaktionszeiten) von unter 1 Millisekunde (ms) im Vergleich zu 15 ms bei 4G möglich. Darüber hinaus kann bei 5G eine extrem hohe Dichte an Endgeräten von einer Million/km2 bei gleichzeitig deutlich geringerem Energieverbrauch versorgt werden – ein wesentlicher Punkt, wenn man beispielsweise an die Nutzung von Sensoren und Aktoren denkt.
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Frank Wagner
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