Die neue Hauptgeschäftsführerin der IHK Hannover im NW-Interview: Maike Bielfeldt, seit dem 1. September im Amt, setzt auf Innovation und Digitalisierung, sucht den Austausch mit Unternehmen und betont die Bedeutung von Kooperation und Zusammenarbeit. Klare Ansage außerdem: Bei allen Aufgaben bleiben die Kosten immer im Blick.

Frau Bielfeldt, um direkt mit dem zentralen Thema dieses Jahres zu beginnen: Sie werden mitten in der größten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit Hauptgeschäftsführerin der IHK Hannover. Wie schätzen Sie die aktuelle Situation ein?

Definitiv schwierig natürlich, nach wie vor. Es wird einerseits wichtig sein, dass die Impfstoffe schnell kommen. Ganz wesentlich aber ist, dass das Vertrauen in die Märkte zurückkehrt. Der Staat tut ja alles, um Unternehmen zu stützen, zu stabilisieren. Ich halte es für extrem wichtig, dass man jetzt in den Unternehmen die Zeit nutzt, um in innovative Dinge zu investieren. Das wird auch von den staatlichen Programmen gefördert. Damit dann, wenn der Markt wieder anspringt – wir hoffen, dass es nächstes Jahr soweit sein wird, es können aber auch zwei Jahre werden – die Zukunftstechnologien da sind. Wenn ich mal eine Chance in der Krise entdecken darf, dann diese: dass ein Wechsel auf Zukunftsthemen jetzt möglich ist.

Ich komme ja nicht neu zur IHK, bin schon Hauptgeschäftsführerin einer Industrie- und Handelskammer in Niedersachsen gewesen und habe unsere Unternehmen in den letzten Monaten intensiv durch die Krise begleitet, viele Beratungsgespräche auch selber geführt. Mit dieser Erfahrung im Rücken denke ich: Packen wir’s gemeinsam an, gehen nach vorne und versuchen, das Beste daraus zu machen. Wir als IHK kennen die gesamte Förderkulisse, ein Unternehmer vielleicht nicht. Da können wir helfen und die richtigen Hinweise geben. Wir merken einfach, dass viele gerade kleine und mittlere Unternehmen unheimlichen Beratungsbedarf haben. Denn die Krise kam ja von jetzt auf eben. Und da ist natürlich die IHK an der Seite der Unternehmen. Das ist auch ihre Aufgabe.

 Bund, Land und zum Teil auch die Kommunen haben in den ersten Wochen der Krise die Wirtschaft unterstützt. Welche Maßnahmen sind nun insbesondere von staatlicher Seite erforderlich, damit die Unternehmen sich erholen können? Stichwort Bewegungsfreiheit für Unternehmen: Wie wichtig ist das, wenn es um die Überwindung der Krise geht? Vieles war zuletzt möglich …

… Bürokratieabbau, natürlich.

Oder, wenn es um den Handel geht: Ein Konjunkturpaket für null Euro durch verkaufsoffene Sonntage.

Dazu kann ich Ihnen viel sagen! Aber das sind natürlich zwei Paar Schuhe. Erstaunlicherweise gingen ja jetzt Sachen, die bis dahin nie möglich waren. Es war irgendwie alles ganz einfach, alles lief plötzlich auch digital, man hat mal schnell Gesetze geändert.

Auch wir als IHK haben davon profitiert, indem wir etwa unsere Vollversammlungen digital durchführen können. Wir können digitale Beschlüsse fassen, befristet bis Ende 2021 – das finde ich auch richtig, um dann zu bewerten, ob alles gut gelaufen ist. Aber das gleiche gilt eben auch für Unternehmen: Es ging auf einmal ganz viel, das finde ich positiv. Davon sollte man auf jeden Fall eine Scheibe mitnehmen: Die Bürokratie möglichst gering halten, möglichst einfache Verfahren verwenden.

Beim Thema Sonntagsöffnung halte ich es für absolut wichtig, mehr Verkaufsmöglichkeiten zu haben. Die Ware, die in der Krise nicht abverkauft wurde, muss jetzt verkauft werden. Die Ware ist da, die Liquidität aus den Handelsbetrieben abgeflossen. Aber es kommen weniger Kunden. Und in der Zeit, als die Geschäfte geschlossen waren, kamen sie gar nicht. Der Handel kann über Sonntagsöffnungen Ware attraktiv anbieten. Wir haben uns dafür eingesetzt, den Anlassbezug bei verkaufsoffenen Sonntagen befristet aufzuheben, das heißt: keine Feste oder Aktivitäten mit der gesetzlich geforderten hohen Besucherzahl zu verlangen – was ja in der Pandemie auch widersinnig wäre, das liegt auf der Hand. Immerhin liegt jetzt eine Vereinbarung zu Sonntagsöffnungen auf dem Tisch. Daraus sollten alle gemeinsam das Beste machen.

Sie haben schon einige Punkte genannt, wie eine IHK jetzt Unternehmen unterstützen kann. Welchen Aspekt würden Sie noch anfügen?

Eines der ganz großen Themen ist Ausbildung. Die berufliche Bildung ist mit uns Industrie- und Handelskammern engstens verbunden, und sie ist für mich einer der großen Garanten des deutschen Erfolgs. Wir haben zwei Effekte, die dieses Jahr greifen: Der kleinere Abiturjahrgang durch die Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren. Der fiel natürlich nicht vom Himmel, den hatten wir auf dem Plan und einkalkuliert. Wir haben aber auch schon vor Corona gemerkt, dass gerade in den MINT-Fächern Unternehmen wirklich Schwierigkeiten haben, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen. Dann lief im Frühjahr sechs bis acht Wochen gar nichts, viele Personalabteilungen konnten nicht arbeiten. Aber viele Jugendliche sind auch verunsichert und wissen nicht, was sie machen sollen: Sich vor Beginn einer Ausbildung zu orientieren, war ja gar nicht möglich. Wir haben in Niedersachsen ein Minus von mehr als 20 Prozent bei der Eintragung von Ausbildungsplätzen gehabt. Hier sind wir in einem Aufholprozess. Aber wir werden nochmal richtig Gas geben, mit Speed Datings, virtuellen Angebote, Online-Lehrstellenbörsen, um auch weiterhin Ausbildungsplätze zu besetzen. Das ist eine der riesengroßen Aufgaben.

Bereits vor gut einem Jahr fiel die Entscheidung, dass Sie nach Hannover kommen. Sie werden seither den IHK-Bezirk Hannover mit seinen neun Landkreisen noch mehr in den Blick genommen haben. Was sind die Stärken der IHK-Region?

Eine Besonderheit ist allein die Größe des Bezirks, der von der Landesgrenze zu Bremen bis nach Göttingen reicht, mit all‘ den unterschiedlichen regionalen Facetten. Im Raum Göttingen der ganze Bereich der Medizintechnik, ein großer Universitätsstandort …

… Hannover auch …

Ja, aber es ging mir um das Cluster, das es dort im Bereich Life Science gibt. Dann haben wir im IHK-Bezirk Regionen, die eher ländlich und sehr mittelständisch geprägt sind, Hameln beispielsweise, mit tollen Hidden Champions, Weltmarktführer in vielen Bereichen. Und dann natürlich die Region rund um den Standort hier in Hannover, mit großen, weltweit agierenden Unternehmen, dem Messestandort mit unheimlicher Internationalität – das ist schon ein Unterschied zum restlichen Niedersachsen. Und von daher ist der IHK-Bezirk Hannover so etwas wie ganz Niedersachsen in klein – weil wir hier eben alles haben: Cluster, universitäre Standorte, eher ländliche Regionen.

 Da klingt schon eine gewisse Begeisterung durch.

IHK-Arbeit finde ich sowieso super, die macht mir ja Spaß. Ich habe auch immer sehr viel und sehr gerne Kontakt zu den Unternehmen. Das habe ich auch in meinem Terminkalender fest verankert, je nach zeitlicher Möglichkeit zwei oder drei Mal im Monat einen ganzen Tag in einem Landkreis zu sein und da Unternehmen zu besuchen.

Das werde ich dann alles kennenlernen, und ich bin jetzt schon gespannt, was da auf uns zukommen wird. Den Rest kann ich Ihnen dann in einem Jahr beantworten, wenn ich weiß, wie es tatsächlich ist.

Regionale Präsenz ist wichtig?

Halte ich für extrem wichtig, weil die IHK-Arbeit sehr komplex ist. Und wir haben über 170.000 Mitglieder – es wäre vermessen zu behaupten, die würde ich alle kennenlernen. Aber das Gefühl zu entwickeln, was ein Unternehmen braucht, das bekommen Sie nur, wenn Sie vor Ort sind. Und zuhören: Was läuft gut, wo hakt es, was sind die Wünsche? Und andererseits den Unternehmen unser Leistungsportfolio zu präsentieren. Sie werden dabei nie ein Gespräch ohne Ergebnis haben, das gibt es einfach nicht. Ein Unternehmer erfährt vielleicht Neues über IHK-Angebote und lernt dazu. Und das gilt ebenso für uns: Auch eine IHK lernt sehr viel aus diesen Unternehmensbesuchen.

Und die Schwächen der Region?

Ja gut, da muss ich natürlich echt noch etwas Gefühl entwickeln. Was die Auswirkungen von Corona angeht: Wir haben natürlich viele Unternehmen aus dem Automobilbereich, auch wenn der Hauptakteur ein bisschen außerhalb des IHK-Bezirks liegt. Außerdem Branchen, die sehr stark betroffen sind – TUI, die Messe. Da müssen wir alle jetzt durchatmen und sehen, wie es weitergeht.

Hier geht’s zum zweiten Teil des NW-Interviews.

Maike Bielfeldt steht seit Anfang September 2020 als Hauptgeschäftsführerin an der Spitze der IHK Hannover: Maike Bielfeldt war zuvor in gleicher Funktion bei der IHK in Stade. Die Volkswirtin kennt die IHK-Organisation auch durch andere Stationen ihrer Laufbahn. Unter anderem war sie persönliche Referentin des DIHK-Hauptgeschäftsführers und Geschäftsführerin der IHK Nord, in der zwölf Industrie- und Handelskammern zusammenarbeiten. Die passionierte Reitsportlerin und Läuferin ist Mutter eines Sohnes.

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