Ob dieses Jahr Urlauber eine Reise in die USA antreten werden, ist noch unklar. Für den Spezialreiseveranstalter America Unlimited heißt das Abwarten. Gleichzeitig kämpft Geschäftsführer Timo Kohlenberg für mehr Verständnis und Unterstützung für die gebeutelte Branche.
Den Kontakt zur Politik hatte Timo Kohlenberg zuvor noch nie gesucht. Aber der Drang, den Entscheidungsträgern die besonders schwierige Lage der kleineren Reiseveranstalter zu vermitteln, war irgendwann nicht mehr zu bremsen. Der 34-Jährige, der seit dreizehn Jahren zusammen mit seiner Schwester Julia Kurz die America Unlimited GmbH führt, konnte nicht weiter zusehen, wie nichts passierte.
Video sollte Politik Probleme der Branche vor Augen führen
Sich Gehör zu verschaffen und wahrgenommen zu werden, war das erste Ziel: Ende März veröffentlichte er mit dem „aer“, einem Zusammenschluss kleiner und mittelständischer Reiseveranstalter, ein Video als „Hilferuf der Reisebranche“, das zeigte, für wie viele Arbeitsplätze die Unternehmen stehen. Auch bei der Demonstration in Berlin engagierte sich Kohlenberg. Inzwischen steht er an der Spitze einer ganzen Bewegung und ist überall als Experte gefragt. Während in den vergangenen Wochen manche touristische Bereiche bereits wieder ein wenig Geschäft verbuchen konnten, sorgt die bis zum 31. August verhängte internationale Reisewarnung dafür, dass die Hannoveraner nach wie vor alle Reisen absagen müssen.
An Kurzarbeit war nicht zu denken
„Die Reiseanbieter sind von der Corona-Krise viel stärker betroffen als andere Branchen“, sagt der Geschäftsführer des Spezialreiseveranstalters aus Hannover. Über Wochen konnte allein America Unlimited, das neben USA-Reisen auch Kanada und Mexiko im Programm hat, nicht eine einzige Buchung verzeichnen. Und während die Nachrichten voll mit den grausamen Bildern der Corona-Pandemie in New York waren, musste das 20-köpfige Team des Veranstalters alle Reisen absagen, stornieren und das Geld erstatten. „An Kurzarbeit war da nicht zu denken bei uns“. Im Prinzip sei man von der Krise dreifach betroffen, was Kohlenberg beispielsweise auch dem Tourismusbeauftragten der Bundesregierung, Thomas Bareiß, in einem persönlichen Gespräch erklärt habe. Innerhalb von zwei Wochen muss das Unternehmen seinen Kunden das Geld bei einer stornierten Reise zurückerstatten.
Allerdings wartete America Unlimited im Juni selbst noch auf Rückerstattungen von Fluggesellschaften für stornierte Tickets. „Allein von der Lufthansa beläuft sich das auf eine Summe von mehr als 300 000 Euro“, sagte Kohlenberg. Die Enttäuschung, dass die Branche bislang keine besondere Unterstützung durch die Politik erfahren hat, saß bei dem jungen Geschäftsführer, der sich auch in der Vollversammlung der IHK Hannover engagiert, im Juni tief. „Ich habe gekämpft und es hat sich bisher nicht gelohnt. Wir, also die gesamte Branche, stehen für drei Millionen Arbeitsplätze, haben in Berlin aber keine Lobby“, meint Kohlenberg. Neben einer speziellen Hilfe – „in den Niederlanden hat der Staat etwa die Personalkosten übernommen“ – wünscht sich die Branche eine Fondslösung, die den teils kleinen Unternehmen bei der finanziellen Belastung durch die zahlreichen Rückzahlungen des Gelds an Kunden helfen würde. „Gerade kleinere Unternehmen könnten das Geld, wenn der Staat bürgt, später an den Fonds zurückzahlen und hätten dadurch etwas mehr Luft.“ Das würde viele Insolvenzen verhindern. Und es würde auch längerfristig helfen.
Normalerweise liegt der Jahresumsatz bei 10 Mio. Euro
Etwa 3000 Reisen verkauft America Unlimited pro Jahr, mehr als 600 Reisen wurden allein bis Juni abgesagt. Der Umsatz des Spezialreiseveranstalters hätte dieses Jahr eigentlich
bei rund 10 Mio. Euro gelegen. „Wir sind wirtschaftlich ein extrem gesundes Unternehmen“, sagt Kohlenberg. America Unlimited hat sich dies sogar von der Unternehmensberatung Roedl & Partner nach einer umfangreichen Prüfung seiner
touristischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bestätigen lassen durch ein Zertifikat als „Top-Reiseveranstalter“. Ganz haben er und sein Team die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass dieses Jahr noch Reisen in die USA oder Kanada wieder möglich werden. Aber: „Wir setzen unsere Hoffnung verstärkt auf das nächste Jahr.“
Internetpräsenz von America Unlimited
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