Mehr Fluggäste, mehr Ziele und mehr Klimaschutz: Prof. Dr. Martin Roll und  Maik Blötz führen seit mehr als zwei Jahren gemeinsam Niedersachsens größten Verkehrsflughafen. Im Interview blicken die Geschäftsführer optimistisch auf dieses Jahr und die nähere Zukunft.

 

Sie führen jetzt seit zwei Jahren gemeinsam die Geschäfte des Flughafens – klappt das?

Dr. Roll: Wir machen das als Tandem. Auch wenn ich als Vorsitzender in der öffentlichen Wahrnehmung eine etwas „herausgehobene“ Stellung habe, entscheiden wir bei großen strategischen Themen gemeinsam und arbeiten auf Augenhöhe, was wir auch gegenüber den Mitarbeitenden so leben. Wir haben am Flughafen insgesamt eine sehr engagierte Mannschaft. Dank unseres starken Teams konnten wir den Airport auch zu Jahresbeginn durchgängig offenhalten, während andere Airports wegen des Wintereinbruchs zeitweise schließen mussten und zwei Dutzend Flugzeuge zu uns umgeleitet wurden.

 

Im vergangenen Jahr zählte der Hannover Airport über 5,2 Mio. Fluggäste – wie bewerten Sie dieses Ergebnis auch in wirtschaftlicher Hinsicht?

Dr. Roll: Wir haben die Zahl der Fluggäste um 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesteigert und sind damit im Vergleich mit den anderen mittelgroßen Flughäfen in Deutschland überdurchschnittlich gewachsen. Das liegt insbesondere an den neuen Zielen, die wir mit der Eurowings anbieten und die sich sehr gut entwickelt haben. Aber auch die TUIfly hat mit ihren sechs hier stationierten Flugzeugen mehr als eine Million Fluggäste ab Hannover befördert – so viel wie noch nie. Wir sind zwar noch nicht zurück auf dem Niveau des Jahres 2019 vor der Coronakrise, aber auf einem guten Weg. In wirtschaftlicher Hinsicht sind wir stolz, dass wir bereits seit dem Jahr 2023 wieder zurück im grünen Bereich sind und Gewinne erwirtschaften.

 

Mit Mailand/Bergamo, Stockholm, Rom und vielen Zielen in Italien konnten Sie 2024 mehrere neue Direktflüge ab Hannover anbieten – wie haben sich die Verbindungen entwickelt und bleiben Sie auch 2025 bestehen?

Dr. Roll: Die meisten neuen Ziele wurden gut angenommen, vor allem Bergamo, Stockholm und Rom erfreuen sich bei den Reisenden großer Beliebtheit. Hier werden 2025 sogar einige Frequenzen erhöht, so wird Stockholm statt zwei Mal drei Mal die Woche angeflogen. Aber wenn man ein Dutzend neue Flugstrecken auf einmal neu anbietet, wie wir im letzten Jahr, bleiben auch mal Verbindungen aus verschiedenen Gründen hinter den Erwartungen zurück. So werden Neapel, Catania und Bari in diesem Jahr nicht mehr angeflogen. Aber dafür kommen dann auch wieder neue Strecken dazu.

 

Um weitere Verbindungen in europäische Hauptstädte wie Lissabon, Madrid oder auch nach Polen zu schaffen arbeiten sie auch mit einem Anreizprogramm – können Sie schon von Erfolgen berichten?

Dr. Roll: Ja, das Programm trägt Früchte. Im vergangenen Jahr gab es  viele neue Verbindungen und auch für 2025 können wir schon einen ersten Erfolg vermelden: Eurowings bietet ab Juni Direktflüge von Hannover nach Lissabon an – ein richtig schönes Ziel. Darüber hinaus gibt es im Sommer auch neue direkte Verbindungen nach Bozen und Klagenfurt mit der Fluggesellschaft SkyAlps. Und dann freuen wir uns auf eine weitere Destination, die aus Deutschland wenig direkt angeflogen wird, das ist Bastia auf Korsika.

Zudem kann ich jetzt schon sagen, dass wohl noch weitere Ziele dazu kommen werden, aber da sind wir noch in der Abstimmung mit den Airlines.

In den Gesprächen mit den Fluggesellschaften profitieren wir aktuell sehr davon, dass wir zu den operativ stabilsten Flughäfen in Deutschland gehören. Der 24-Stunden-Betrieb hilft uns hier doppelt, zum einem können wir Verspätungen besser auffangen. Außerdem können Airlines, die momentan mit wenig verfügbaren Flugzeugen auskommen müssen, ab Hannover nachts noch einen weiteren Umlauf einplanen. Das erhöht bei den Fluggesellschaften die Wirtschaftlichkeit.

Mit den neuen Zielen rechnen wir auch für dieses Jahr mit einem deutlichen Wachstum auf bis zu 5,6 Mio. Passagiere. Das unterscheidet uns von anderen mittelgroßen Flughäfen in Deutschland.

 

In Hamburg, Dortmund und Dresden haben Airlines Streichungen angekündigt – sind das Einzelfälle oder sehen Sie Handlungsbedarf für die Politik, um Fliegen ab Deutschland wieder attraktiver zu machen?

Dr. Roll: Unbedingt. Das ist ein großes Thema für die gesamte Branche. Bei uns gab es zwar keine Streichungen von Fluggesellschaften, aber auch unser Wachstum ist gebremst. Wir könnten mehr Strecken anbieten und ein höheres Wachstum erzielen, wenn die wirtschaftlichen Belastungen für die Airlines durch die erst kürzlich nochmals erhöhte Luftverkehrssteuer, die hohen Gebühren für die Flugsicherung oder die zum Januar erhöhten Luftsicherheitsgebühren nicht so hoch wären. Unser Wunsch an die nächste Bundesregierung ist es auf jeden Fall, diese Kosten wieder zu senken, damit wir in Deutschland nicht die rote Laterne haben…

Maik Blötz: … und die haben wir aktuell. Der Luftverkehr in Deutschland hat das Niveau des Jahres 2019 noch nicht wieder erreicht, wir liegen bei 84 bis 85 Prozent, während alle anderen Länder in Europa längst wieder bei hundert Prozent oder darüber liegen. Die hohen Standortkosten und die Knappheit an Maschinen führen dazu, dass Deutschland daher von manchen Airlines eher gemieden wird. Die meisten anderen europäischen Länder sind deutlich attraktiver. Schweden schafft seine Luftverkehrssteuer ab und andere Länder haben gar keine oder eine niedrigere als in Deutschland.

 

Wie steht es um die Infrastruktur am Hannover Airport und was planen Sie in den nächsten Jahren?

Maik Blötz: Eine unserer ersten Maßnahmen vor zwei Jahren war es, den Masterplan 2040 zu erarbeiten, um zu planen wo wir mit unserer Infrastruktur in 20 bis 30 Jahren stehen wollen. Wir sind heute gut aufgestellt und verfügen auch über genügend Kapazität für verkehrliches Wachstum in den kommenden Jahren. Wir haben einen starken Fokus auf das Thema Nachhaltigkeit gelegt, also die Frage wie Luftfahrt möglichst klimaneutral funktionieren kann.

 

Wieso fokussieren Sie sich in dem Masterplan auf Nachhaltigkeit?

Maik Blötz: Es wird in den nächsten Jahren kleinere Flugzeuge mit 9 bis 19 Sitzen geben, die mit Elektroantrieb fliegen und die können dann gern ab Hannover starten. Zunächst wären das Flüge in einem Radius von etwa 500 Kilometern, womit auch die ein oder andere Großstadt zu erreichen wäre. Da sehen wir schon Potenzial in Zukunft, weshalb wir das in den Masterplan aufgenommen haben.

Dr. Roll: Grundsätzlich sind wir davon überzeugt, dass der Luftverkehr in 20 bis 30 Jahren mit einer der klimafreundlichsten Verkehrsträger sein wird. Denn die technologischen Entwicklungen schreiten ja voran. Es beginnt jetzt, dass mit kleinen Maschinen elektrisch geflogen werden kann. Wir gehen davon aus, dass mittelfristig die Kurzstrecken auch mit größerem Fluggerät elektrisch abgewickelt werden können. Für die Mittelstrecken wird es Hybrid- oder Wasserstofftechnologie geben und nur die Langstrecken werden noch mit Kerosin stattfinden. Hier muss das Ziel sein, diesen Verkehr in Zukunft auch mit nachhaltigem synthetischen Kerosin (Sustainable Aviation Fuels) abzuwickeln – und da liegt noch eine Wegstrecke vor uns. Technisch ist es machbar, aber die Kapazitäten müssen ausgebaut werden. Aber ich bin davon überzeugt, dass klimafreundliches Fliegen möglich ist. In 30 Jahren sind wir da ganz weit vorne.

 

Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekte sind für den Flughafen schon seit Jahrzehnten ein wichtiges Thema – sind sie mit dem Erreichten zufrieden?

Maik Blötz: Wir haben als Flughafen bereits eine CO2-Reduktion von mehr als 60 Prozent erreicht und sind daher zuversichtlich auch die gesteckten Ziele für die kommenden Jahre zu erreichen. Ein Meilenstein wird eine größere Photovoltaikanlage an der Nordbahn sein. Wir testen hier gerade in einem Feldversuch mit der Region Hannover verschiedene Varianten, um die Auswirkungen für Flora und Fauna so gering wie möglich zu halten. Die ersten Ergebnisse sind positiv, sodass wir hoffen, die Anlage dann zusammen mit der Sanierung der Nordbahn ab 2027 errichten zu können.

Wir könnten aber noch weiter sein. Zurzeit fehlt uns einfach die Planungssicherheit, weil kurzfristig Förderprogramme gestrichen oder gekürzt wurden. Wir wollen bereits seit längerem für das Terminal C eine Wärmepumpe ausschreiben – die Planung ist komplett fertig, allerdings scheuen wir aktuell davor zurück, weil es überhaupt keine Verlässlichkeit im Hinblick auf die Förderung gibt. Und es geht hier immerhin um eine Investition im Wert von zwei bis drei Mio. Euro und eine Förderung im hohen sechsstelligen Bereich.

 

Der Hannover Airport hat in den letzten Jahren aus eigener Kraft Sanierungen in den Terminals durchgeführt. Wie sind ihre Pläne für dieses Jahr?

Maik Blötz: Wir haben gerade in den Bereich der Sicherheitskontrollen investiert, um es für die Passagiere komfortabler zu machen und auch die Standortkosten zu senken. Wir haben einen neuen Verbindungsgang geschaffen, der es uns ermöglicht, die Sicherheitskontrollen zu optimieren.

In diesem Jahr wollen wir im Terminal B den Bereich der Einreise neugestalten und zudem im Terminal A die Gepäckaufgabe ohne Personal, das Self-Bag-Drop, ermöglichen.

Für die für das Jahr 2027 geplante Sanierung unser nördlichen Start- und Landebahn beginnen wir dieses Jahr mit ersten vorbereitenden Maßnahmen.

 

Die Fragen stellte Georg Thomas.

 

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