Ein weiteres Jahr Stillstand zeichnet sich ab: Die Wachstumserwartungen der Nord/LB für Deutschland und Niedersachen in diesem Jahr liegen jeweils sehr nahe bei null. Bund und Land trotten damit weiter der weltweiten Entwicklung hinterher. Die Ungewissheit allerdings ist hoch.
Ein Wachstum von 0,2 Prozent im Bund und von minus 0,1 Prozent im Land: Das erwarten die Konjunkturfachleute der Nord/LB für 2025. Die Prognosen wurden jetzt veröffentlicht.
Die Vergleichszahlen für das vergangene Jahr liegen noch nicht endgültig vor. Aber auch für 2024 geht die volkswirtschaftliche Abteilung der Bank für die niedersächsische Wirtschaftsleistung von minus 0,1 Prozent aus. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt ist Schätzung der Nord/LB um 0,2 Prozent gestiegen. Alles Werte, die um Null pendeln: Die seit Mitte 2022 herrschende Stagnation droht sich damit auch in den kommenden Monaten fortzusetzen.
Hinter der Entwicklung weltweit
Was sich ebenfalls fortsetzt: Deutschland läuft der internationalen Entwicklung hinterher. Für die USA geht die Nord/LB-Prognose in diesem Jahr von einer leichten Abschwächung aus, aber immer noch von einem Wirtschaftswachstum bei 1,7 Prozent. Auch die Eurozone wächst mit einem Plus von 1 Prozent stärker als die bundesdeutsche Wirtschaft.
Allerdings: So viel Unsicherheit war selten. Im Mittelpunkt steht dabei die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus. „Das ökonomische Jahr beginnt am 20. Januar“, so Chefvolkswirt Christian Lips. Also am Tag der Amtsübergabe in Washington.
Danach wird auf jeden Fall etwas passieren. Davon gehen die Nord/LB-Fachleute in ihrer Basisprognose aus und konzentrieren sich dabei auf die Zölle. Aber schon im nächsten Schritt werden die Konsequenzen schnell unabsehbar. Werden Zölle einmalig erhöht, oder kommt es zu einem Handelsauseinandersetzung mit wiederholten Anhebungen nach der Maßgabe: Wie Du mir, so ich Dir? Oder wird möglicherweise die Konkurrenz noch stärker belastet und verliert so ihren Wettbewerbsvorteil?
Und das betrifft nur die ökonomischen Faktoren. Insgesamt, so Nord/LB-Vorstandsmitglied Christop Dieng, habe sich nicht nur mit der Wahl Trumps, sondern auch mit dem Ampel-Aus in Deutschland und dem Scheitern der Barnier-Regierung in Frankreich die Unsicherheit nochmal verstärkt.
Verletzlichkeit einzelner Branchen untersucht
Die Nord/LB hat auch die Verletzlichkeit einzelner Industriebranchen durch den drohenden Protektionismus untersucht. Betrachtet wurden dabei der Auslandsumsatz und die Bedeutung des US-Geschäfts. Besonders exponiert ist danach der in Niedersachsen dominierende Fahrzeugbau, außerdem die wichtigen Industriezweige Pharma und Maschinenbau.
Aber es gibt auch gute Nachrichten, erklärte Dieng und verwies auf den Rückgang der Inflation, der geldpolitische Spielräume ermögliche. Impulse für die Konjunktur kommen wenn, dann aus dem Konsum. Auch der leidet aber unter der Unsicherheit. Noch mehr leiden jedoch die Investitionen darunter. Beim sogenannten Economic Policy Uncertainty Index, der den Umfang der Medien-Berichterstattung über wirtschaftspolitische Unsicherheit auswertet, liegt Deutschland – mit immensem Abstand insbesondere gegenüber den USA.
Positiver denken: Deutschland in der Pessismismusfalle
Sowohl Dieng als auch Lips setzen auf das Prinzip Hoffnung: „Es besteht aber auch die Chance, dass die Politik in Deutschland nach den Neuwahlen im Februar beherzt die Konjunktur- und Strukturkrise angeht“, so Dieng. Sollte außerdem ein guter Friede in der Ukraine gelingen, werde ein wesentlicher Unsicherheitsfaktor von der Wirtschaft genommen, machte Christian Lips deutlich. Er sieht Deutschland in der Pessimismusfalle: Die Lage ist jedenfalls nicht so dramatisch wie die Stimmung: „Man muss auch mal wieder angewöhnen, positiv zu denken“, sagte Lips. „Auch denn das gerade etwas schwerer fällt.“
Fiskalpolitische Impulse von Seiten des Staates erwartet Lips frühestens im Sommer nach einer Regierungsbildung. Er geht davon aus, dass sich Berlin mittel- bis langfristig mehr finanzielle Beinfreiheit schaffen werde, um die anstehenden Aufgaben zu bewältigen.
Zeit, dass sich was dreht
Denn angesichts der Lage muss sich „dringend etwas drehen“, sagte Lips. Denn das Geschäftsmodell Deutschland steht unter Druck. Den üblichen D-Wörtern, mit denen diese Herausforderungen beschrieben werden – Deglobalisierung, Demografie, Digitalisierung und Dekarbonisierung -, fügt er zwei weitere hinzu: Deindustrialisierung, noch mit einem Fragezeichen versehen, und Defense, also Verteidigung. Die Digitalisierung beispielsweise sei jahreslang verschlagen worden. Dass die Infrastruktur in Deutschland Geld braucht, ist offensichtlich. Und der Zustand der Bundeswehr erfordert ebenso höhere Rüstungsaufgaben wie wohl die Unterstützung der Ukraine. Die zweite Amtszeit Trump werde für Deutschland teurer als die erste, prophezeite Lips. Höhere Verteidigungsausgaben gehören dazu.
Dass Niedersachsen in diesem Jahr schwächer wächst als der Bund, führt die Nord/LB-Expertin Dr. Martina Noß auf die Wirtschaftsstruktur des Landes zurück. Der unter Druck stehende Fahrzeugbau liegt mit beim Umsatz mit einem Anteil von 43 Prozent weit vor den nächstgrößeren Branchen Nahrungs- und Futtermittel sowie Maschinenbau. Immerhin: „Der niedersächsische Arbeitsmarkt ist noch relativ stabil“, so Noß.