Maike Bielfeldt, IHK-Hauptgeschäftsführerin, kommentiert:

Wenn man die in der EU geltenden Rechtsnormen zur Produktsicherheit und zu Anforderungen an Produkte auf einer Seite darstellt, sieht das aus wie ein U-Bahn-Netz mit seinen Linien und Querverbindungen. Je nach Produkt findet man auf dieser Übersicht eine Route, die Station für Station zum Ziel führt: Konformität eines Produkts mit allen gesetzlichen Vorgaben.

So Netzplan dient der Orientierung, zeigt aber auch, wie komplex ein System ist. Und jetzt kommt noch ein neuer Streckenabschnitt hinzu: Seit wenigen Tagen gelten die Regeln der EU-Produktsicherheitsverordnung. Und zwar im Prinzip für alle Verbraucherprodukte. Mit neuen Pflichten für Herstellerunternehmen und für den Handel, insbesondere online. Erneut hat die EU damit ein äußerst kleinmaschiges Netz ausgeworfen. Denn betroffen sind auch kleine und kleinste Unternehmen, Gründerinnen und Gründer. Und gerade hier gibt es viele Fragen, sind die Befürchtungen groß. Das zeigen die vielen Anrufe und E-Mails, die in den vergangenen Wochen dazu in der IHK eingegangen sind. Risikoanalysen für jedes Produkt beim herstellenden Unternehmen, auch beim kleinsten: Selbst wer selbstgemachte Pullover herstellt, kann sich in den neuen Regelungen verstricken. Für Gründungen – gerade für kleine oder die als Einstieg besonders wichtigen im Nebenerwerb – ist das noch eine weitere Bürokratiehürde.

Auch die Informationspflichten für den Handel bringen jede Menge Arbeit – insbesondere, wenn zum Beispiel sehr viele Produkte angeboten werden: Was macht eine Online-Händlerin mit 5000 Produkten? Hinzu kommt das Risiko von Abmahnungen oder Bußgeldern, wenn nicht alle der neuen Vorgaben beachtet werden. Und was es bisher noch nie gab: Wenn Verbraucherinnen und Verbraucher im Falle eines Produktrückrufs entschädigt werden müssen, dann mindestens auf der Basis des Kaufpreises und nicht etwa des Zeitwerts. Befürchtet wird außerdem, dass die Unternehmen durch die Herstellerinformationen ihre Lieferquellen offen legen, also für die Konkurrenz gläsern werden.

Die Wirtschaft, die Unternehmen, sehnen sich nach Entlastung von Bürokratie. Die IHK Hannover hat gerade erst eine Initiative dazu auf den Weg gebracht. Die Produktsicherheitsverordnung leistet keinen Entlastungsbeitrag. Ja, wir alle wollen sichere Produkte: Die Umsetzung in dieser Form lässt die Unternehmen allein, die versprochenen Guidelines fehlten, Kapazitäten werden gebunden, die für andere Aufgaben – etwa die Transformation – nicht mehr da sind. Nicht zuletzt treibt das alles
auch die Preise, ist also inflationsfördernd.

Mag sein, dass die EU von einem anderen Unternehmensbild ausging: Je größer, desto leichter werden sich Unternehmen im Netzplan zur Produktsicherheit zurechtfinden. Für viele andere aber könnte es heißen: Endstation Brüssel.

 

 

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