Hand auf Herz: Was heißt für Sie Soziale Marktwirtschaft? Seit einer Woche läuft die Ausstellung zur Entstehung der Sozialen Marktwirtschaft in der IHK Hannover. Mit großem S, wohlgemerkt. Und auf welcher Treppe der Begriff entstand, erfahren Sie in der IHK auch.
Aber tatsächlich habe ich mir in diesen ersten Tagen der Ausstellung immer mehr genau diese Frage gestellt: Was bedeutet Soziale Marktwirtschaft – heute? Als Boomer ist man mit diesem Begriff aufgewachsen, er ist irgendwie in Fleisch und Blut übergegangen. Aber was genau steckt dahinter?
Und jüngere Generationen? Wie verankert ist der Begriff dort?
Abstrakt, aber auf den Punkt beschreibt es der Geschäftsbericht der IHK Hannover bereits (!) Anfang 1947: „eine lebendige Synthese zwischen freier Initiative und sozialem Wollen in der Wirtschaft.“ Lebendig, weil die Soziale Marktwirtschaft gelebt und stetig angepasst werden muss. Und eine Synthese, eine Verbindung aus freier Initiative in einer Marktordnung – und zwar nicht nur die unternehmerische Initiative, sondern die jedes und jeder Einzelnen – mit einem sozialen Rahmen, der die Teilhabe aller ermöglicht.
Alles eine Frage der Betonung, wie Professor Nils Goldschmidt deutlich macht. Er ist Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft, die die Ausstellung in der IHK konzipiert hat. Und seit kurzem auch offiziell Mitglied im Deutschen Ethikrat. Ludwig Erhard richtig lesen, meint Goldschmidt: Nicht „Wohlstand für alle“, sondern „Wohlstand für alle“ ist gemeint, wenn man den bekanntesten Buchtitel der Wirtschaftsministerlegende nimmt.
Also: Was heißt für Sie Soziale Marktwirtschaft? Nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, sehen Sie sich die Ausstellung in der IHK an. Lassen Sie sich inspirieren von Alfred Müller-Armack, auf den der Begriff zurückgeht. Und fangen Sie gerne an, über die Soziale Marktwirtschaft nachzudenken. So, wie es mir erging.
Denn vielleicht nehmen wir nach gut 75 Jahre das, was wir an ihr haben, nicht mehr genügend wahr. Aber Vorsicht: Fische im Aquarium glauben auch, das Wasser um sie herum ist selbstverständlich. Bis es plötzlich nicht mehr da ist. (pm)
Ursprünglich als Wirtschaftspolitisches Streiflicht, später in einer eigenen Rubrik „Streiflichter“: Glossen begleiten die Niedersächsische Wirtschaft von Anfang an und hatten schon in Vorgänger-Publikationen ihren Platz. An dieser Stelle finden Sie jeden Freitag eine Glosse in dieser Tradition.