Deutlicher Rückgang des IHK-Konjunkturklimaindikators für Niedersachsen um acht auf jetzt 75 Punkte: Damit sackt die wirtschaftliche Lage auf das Niveau früherer Krisen – und zwar ohne dass es dazu einen weiteren Negativ-Impuls gebraucht hätte. „Alarmstufe Rot“, so die Warnung von IHKN-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt angesichts drängender Strukturprobleme.

Auf einen vergleichbar niedrigen Stand fiel der niedersächsische Konjunkturklimaindikator in den vergangenen rund 25 Jahren zwar mehrmals, aber dann jeweils durch Erschütterungen von außen: Nach den Anschlägen vom 11. September  (71 Punkte), in der Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008 (69), zu Beginn der Corona-Epidemie (48) und nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine (62) mit der Angst vor einem Energie-Blackout. Zum Vergleich: Der langjährige Durchschnittswert des Indikators liegt bei 102.

Schlusslicht im Standortvergleich

Jetzt also eine Krisenniveau, das nicht durch eine externe Erschütterung getrieben wurde, sondern seine Ursache in den Rahmenbedingungen für die Wirtschaf hat: „Deutschland ist Schlusslicht im internationalen Standortvergleich“, erklärte Maike Bielfeldt, Hauptgeschäftsführerin der IHK Niedersachsen (IHKN). Es geht nicht um eine Konjunkturdelle, sondern um ungelöste Strukturprobleme, und das angesichts der unvermeidlichen, tief greifenden Transformation, vor der die deutsche Wirtschaft in verschiedenen Bereichen steht.

„Der Standort wackelt“, sagte Bielfeldt, und damit nicht nur mit Blick auf die Automobilindustrie. Im Rückblick hat die Stagnation im Sommer fast schon positive Züge: „Der Wirtschaft in Niedersachsen steht ein harter Winter bevor.“

Das wird umso deutlicher, je mehr man weitere Umfrageergebnisse unter die Lupe nimmt. Bei der Geschäftslage hat sich die Schere zwischen gut und schlecht weiter geöffnet. Gut ein Drittel der Unternehmen ist unzufrieden, sieben Prozentpunkte mehr als im Sommer.

Noch bedrohlicher wird die Situation, wenn man in die Industrie blickt und die Hersteller von Investitionsgüter mit den energieintensiven Branchen – zum Beispiel Chemie, Papier, Öl oder Glas – vergleicht. Nach einer Erholung auf niedrigem Niveau durch zwar hohe, aber nicht weiter steigende für Öl, Gas oder Strom ist in den vergangenen Wochen die Geschäftslage in den Industriezweiten mit hohem Energieverbrauch geradezu abgestürzt.

Keine Bodenbildung in Sicht

Als Grund sieht das Volkswirtschafts-Team der IHK ganz wesentlich die schwache Inlandsnachfrage. Die wird inzwischen von knapp zwei Dritteln der niedersächsischen Unternehmen als Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung gesehen, nur getoppt vom fehlenden Vertrauen in eine verlässliche Wirtschaftspolitik auf Bundesebene und in Europa. Was aber fehlende Nachfrage in den energieintensiven Branchen so brisant macht: Hier werden in vielen Fällen Vorleistungen für andere Industriezweige produziert, schwache Werte können also ein Frühindikator für die Entwicklung in anderen Bereichen sein. Dazu passt, dass jetzt über 40 Prozent der niedersächsischen Unternehmen in den kommenden Monaten schwächere Geschäfte erwarten. Mit anderen Worten: Von einer Bodenbildung kann bei der Niedersachsen-Konjunktur noch keine Rede sein.

Auch die Konsumneigung geht weiter zurück. Lebensmittel, Reisen und Gesundheit: Dafür wird noch Geld ausgegeben. Ansonsten herrscht Verbraucherzurückhaltung – nicht nur, aber auch, bei Restaurantbesuchen. Und der Großhandel meldet die schlechteste Geschäftslage seit 25 Jahren.

Auch die anderen Zahlen weisen sämtlich in die gleiche Richtung. Bei den Auftragseingängen in der Industrie wächst die Zahl der Negativ-Meldungen, die positiven Stimmen nehmen ab. Die Exporterwartungen sinken, und dabei stehen noch weitere Risiken im Raum – die US-Wahlen oder eine mögliche Eskalation zwischen der EU und China bei den Zöllen auf E-Autos. Es sei äußerst wünschenswert, dass es hier zu einer Verständigung kommt, machte Bielfeldt deutlich.

Es ist auch kein Zeichen der Entspannung, dass der Fachkräftemangel nur noch auf Rang vier der meistgenannten Risiken für die Wirtschaft steht. Zwar ist der Anteil der Unternehmen, die offene Stellen längerfristig nicht besetzen können, knapp unter 50 Prozent gesunken. Ursache ist aber nicht mehr Fach- und Arbeitskräfte, sondern weniger Zurückhaltung bei Personaleinstellungen: Jedes dritte Unternehmen in der IHK-Umfrage – sieben Prozentpunkte mehr als im Vorquartal – sieht in diesem Herbst keinen Bedarf für zusätzliche Mitarbeitende.

Genau die notwendigen Investitionen fehlen

Angesichts der erkennbaren Herausforderungen für den Standort geben auch die Investitionspläne Anlass zur Sorge. Nicht nur, dass die Unternehmen insgesamt weniger investieren wollen: Unter den Investitionszielen verlieren Produktinnovation und Umweltschutz an Bedeutung, von Kapazitätsausweitung gar nicht zur reden. Es fehlen damit genau die Investitionen, die gebraucht würden, um Wettbewerbsfähigkeit und Transformation zu erreichen, so Bielfeldt.

Also: „Es muss etwas geschehen.“ Die Hauptgeschäftsführerin forderte insbesondere steuerliche Impulse, um schnell die Investitionen wieder anzuregen. Genauso stehen weiterhin Entlastungen bei der Bürokratie ganz oben auf der Liste: Die brauchen aber länger, bis sie wirken, machte Bielfeldt deutlich. Aber: „Alles, was jetzt Investitionen anreizt, muss auf die politische Agenda. Und weiter: „Die Wachstumsinitiative der Bundesregierung reicht nicht aus, um die Alarmstufe Rot für unsere Wirtschaft zu beenden.“

 

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