Gerhard Oppermann, IHK-Präsident, kommentiert:

 

Wenn überhaupt noch ein Weckruf nötig gewesen sein sollte: Die öffentlich diskutierte Lage bei VW sollte jeder und jedem Einzelnen deutlich vor Augen geführt haben, was die Stunde geschlagen hat. Und es geht nicht nur um die Automobilindustrie. Allerdings hat die natürlich gerade für Niedersachsen und die IHK-Region allergrößte Bedeutung.

Man kann sich vielleicht noch darüber streiten, ob die Deindustrialisierung Deutschlands schon eingesetzt hat. Allerdings merkt man ja nie, wann genau eine Schwelle überschritten ist. Nur im Rückblick wird man den Zeitpunkt festlegen können, ab dem die Dinge ins Rutschen kamen. Tatsache ist: Nach Corona stagniert unsere Wirtschaft. Die Wachstumsraten pendeln um den Nullpunkt. Das Getue um ein Plus im Bereich von Zehntelprozentpunkten kann man sich sparen. Und es ist ebenso müßig, die Herausforderungen aufzuzählen: digitale und nachhaltige Transformation der Wirtschaft, Demografie, Deglobalisierung. Und was die weltweiten Perspektiven angeht, haben wir selbst im günstigsten Fall – ohne weitere Eskalationen also – wenig Schub zu erwarten. So weit die Lage.

Zu allem Überfluss müssen wir aber auch feststellen, dass andere Länder mit dieser Situation besser zurecht kommen. Was also tun? Zuallererst die Situation annehmen. Sagen wir es wie im Fußball: Wenn wir nicht schon auf einem Abstiegsplatz stehen, dann nur kurz drüber. Das muss man erstmal verinnerlichen. Und dann den Kampf annehmen. Alles Handeln am Ziel ausrichten, den Abstieg zu vermeiden. Und zwar als Gesellschaft insgesamt. Die Zeit des Schönspielens ist vorbei.

Was nicht heißt, die großen Ziele – um nur das Klima zu nennen – aus den Augen zu verlieren. Aber solche Ziele werden wir nicht mit einer investitions- und damit innovationsschwachen Wirtschaft erreichen. Noch ein Wort aus dem Fußball: Auf die eigenen Stärken besinnen. Wir haben noch immer eine herausragende Forschungslandschaft. Die Soziale Marktwirtschaft hat sich bewährt, nimmt alle, die wollen, bei der Transformation mit und ist zutiefst mit einer demokratischen Verfassung verbunden. Aber es ist eben eine Markt(!)wirtschaft, die Unternehmen die Freiheit zum Atmen lässt. Da müssen wir wieder hin: Durch weniger Bürokratie, um nur ein Stichwort zu nennen. Und wir brauchen Weltoffenheit und eine freundliche Willkommenskultur: Weil unsere Wirtschaft den Austausch und das friedliche Miteinander zutiefst braucht.

 

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