Von Falko Lehmeier

Viele Unternehmen stehen neuen Regularien wie der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), der EU-Taxonomie oder auch dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) gegenüber. Das Seminar „Betrifft Mittelstand“, das die IHK Mitte April zusammen mit der Fachhochschule Wedel durchgeführt hat, sollte für den ersten Durchblick sorgen.

„Die Ziele der Ressourcenschonung und des Klimaschutzes sind richtig und werden von unserer innovativen Wirtschaft bereits mit Nachdruck verfolgt. Berichtspflichten und ein Mehr an Bürokratie müssen jetzt zusätzlich bewältigt werden“, stellte Maike Bielfeldt, Hauptgeschäftsführerin der IHK Hannover, in der Begrüßung der etwa 70 Teilnehmenden am 19. April im Plenarsaal der IHK fest. Mit der Veranstaltung „Betrifft Mittelstand: Praxisseminar zur Nachhaltigkeit im Mittelstand. Pflichten, Strategie, Umsetzung und Berichterstattung“ wollte die IHK Hannover Unternehmerinnen und Unternehmer über den regulatorischen Zusammenhang, Anwendungsbereiche, „European Sustainability Reporting Standard“ (ESRS) und Wesentlichkeitsanalyse, die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) informieren. Die Referenten – Professor Dr. Alexander Fischer und Professor Dr. Stefan Weber von der Fachhochschule Wedel – gaben dazu Beispiele aus der Praxis sowie wertvolle Informationen und Hinweise.

Angestoßen durch den European Green Deal und die Bundesgesetzgebung sehen sich viele Unternehmen der Umsetzung neuerer Regularien wie der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive), der EU-Taxonomie oder auch dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) gegenüber. Aber durch den sogenannten „Trickle-Down-Effekt“ werden fast ausnahmslos alle Unternehmen mittelbar mit den Regelungen in Berührung kommen.

Den Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden in der Veranstaltung – unabhängig von ihrer eigenen Betroffenheit durch die Regelungen – klar, wie tiefgreifend diese den Alltag der Unternehmerinnen und Unternehmen ändern werden. Nicht allein die durch die Regelungen direkt betroffenen Unternehmen werden künftig in den Bereichen Ökologie, Soziales und Unternehmensstrategien Daten vorhalten und Strategien entwickeln, wie mit Risiken zukünftig umzugehen sein wird. Die Regelungen erstrecken sich über Liefer- und auch Wertschöpfungsketten, sodass auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) über Kunden oder Lieferanten mittelbar betroffen sein werden. Sie werden zukünftig verstärkt Daten in der jeweils richtigen Qualität gemeinsam mit Dienstleistungen oder Waren bereitstellen und auch empfangen.

Eine Besonderheit der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der CSRD ist bspw. die Einbindung des Kapitalmarkts. Nachhaltige Investments soll so der Vorzug gegenüber klimabelastenden gegeben werden. Eine Marktfähigkeit für klima- und ressourcenschonendes Wirtschaften herzustellen, ist ohne Zweifel ein richtiger Schritt. Für die Praxis allerdings bedeutet dies, dass ein System der Informationsgewinnung und des Managements eingerichtet werden muss, damit mögliche marktliche Vorteile überhaupt nutzbar gemacht werden können. Das wird in den meisten Fällen nur als Chefsache im Unternehmen zu etablieren sein. „Es geht um Transformation, und wenn die oberste Geschäftsführung das nicht wahrnimmt, ist das Projekt zum Scheitern verurteilt“, erklärte Weber.

Ferner sind die Fülle und Komplexität Datenpunkte nach der ESRS nicht zu unterschätzen: In zwölf Kapiteln werden mit etwa 1000 Datenpunkten rund 80 Themen qualitativ sowie quantitativ adressiert. Für die weiteren, angekündigten branchenspezifischen Datenpunkte gilt allerdings abwarten, bis sie beschlossen wurden. Für nicht-berichtspflichtige Unternehmen werden keine Datenstandards vorgegeben – mit dem „Voluntary SME-Standard“ (VSME) wird aber eine deutlich reduzierte und freiwillige Form der ESRS angeboten werden. Aber auch hier ist der Abstimmungsprozess noch nicht beendet. Dennoch sollte keine Zeit ungenutzt verstreichen, „Handeln Sie jetzt“, forderte Fischer die Anwesenden auf. Die Komplexität der durch die Regulatorik notwendigen Prozesse und bisher auch fehlende Erfahrungswerte stellen für jedes Unternehmen einen Kraftakt dar.

Bisher nach der CSR-RUG berichtspflichtige Unternehmen müssen ab Geschäftsjahren nach dem 31. Dezember 2023 nach der CSRD berichten. Das betrifft kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern. Der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen erweitert sich in den kommenden Jahren. Für das Geschäftsjahr 2025 werden haftungsbeschränkte Unternehmen, Versicherungsunternehmen und Kreditinstitute mit mindestens je zwei der drei folgenden Merkmale bei zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen berichtspflichtig: einer Bilanzsumme von mindestens 25 Mio. Euro, Nettoumsatzerlösen von mindestens 50 Mio. Euro und/oder im Jahresdurchschnitt des Geschäftsjahres mindestens 250 Mitarbeitenden. Für das Berichtsjahr 2026 werden zusätzlich kapitalmarktorientierte KMU, kleine und nicht komplexe Kreditinstitute sowie firmeneigene (Rück)-Versicherungsunternehmen berichtspflichtig. Ausgenommen davon sind börsennotierte Kleinstunternehmen, die je zwei der drei folgenden Merkmale erfüllen: einer Bilanzsumme von höchstens 450.000 Euro, Nettoumsatzerlösen von höchstens 900.000 Euro und/oder einer durchschnittlichen Beschäftigtenzahl von höchstens zehn während des Geschäftsjahres. Der Betroffenenkreis erweitert sich dann nochmals für das Berichtsjahr 2028 um Nicht-EU-Unternehmen mit EU-Niederlassungen oder EU-Tochterunternehmen, deren Nettoumsatz über 150 Mio. Euro in der EU liegen.

Den Prozess für nach der CSRD berichtspflichtige Unternehmen aufzugleisen und anschließend einen prüfungsfähigen Bericht erstellen zu können, bindet selbstverständlich Ressourcen. Mit der doppelten Wesentlichkeitsanalyse werden zunächst die Bereiche identifiziert, die wesentliche Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit oder deren Auswirkungen auf Umwelt oder auch Interessenträger haben. Was einfach klingt, muss mit größter Sorgfalt durchgeführt werden, da bei der anschließenden Prüfung des Nachhaltigkeitsberichtes als Teil des Lageberichtes nicht identifizierte wesentliche Bereiche die Prüfungsfähigkeit einschränken können. Bestehende Guidelines für einzelne Branchen und Bereiche ersetzen dabei nicht die individuelle Betrachtung des Unternehmens. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung selbst wird zukünftig als zweite Säule neben dem Finanzbericht für betroffene Unternehmen stehen – ob die bisher mit der Prüfung beauftragten Dienstleister beide Teile prüfen können, muss individuell abgeklärt werden.

Ein weiterer laufender Prozess des Gesetzgebers sind die über delegierte Verordnungen der EU Taxonomie-fähige und -konforme Wirtschaftsaktivitäten, die bislang längst noch nicht alle Bereiche abdecken. Im Zusammenspiel mit der CSRD stellt die EU-Taxonomie-Verordnung dar, unter welchen Umständen ein Unternehmen nachhaltig handelt. NACE-Codes als Schlüsselverzeichnis der Wirtschaftszweige geben Unternehmen eine Orientierung bei der Frage, welche ihrer Wirtschaftstätigkeiten potenziell als taxonomiefähig eingestuft werden könnten.

Ein weiteres Kapitel Seminars stellt das am 1. Januar 2023 in Kraft getretene deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) dar, das zwar – ähnlich der CSRD – einen klar definierten Anwenderkreis hat, dennoch entlang der Lieferkette einen weit größeren Kreis von Unternehmen zum Handeln auffordern wird. Seit 2024 gilt es für Unternehmen mit 1000 Mitarbeitenden im Inland und verlangt einen Prozess und entsprechende Strategien, wenn innerhalb der Lieferkette Verstöße gegen definierte menschenrechtliche oder umweltbezogene Risiken mit hinreichender Wahrscheinlichkeit drohen. Waren und Dienstleistungen werden also mit den Umständen ihrer Erstellung verknüpft und so werden unmittelbare wie auch mittelbare Lieferanten zu einem Hauptbezugspunkt der Informationsgewinnung der betroffenen Unternehmen. Kurz gesagt: Fast ausnahmslos jedes Unternehmen wird in der Praxis entsprechende Informationen an ihr Kundenunternehmen weiterreichen. Dieser Trickle-Down-Effekt bevorzugt Waren und Dienstleistungen, deren Herkunft und Umstände der Erstellung nachvollziehbar und transparent sind.
Doch auch wenn die Transformation zu diesem Zeitpunkt nur mit Anstrengungen zu bewältigen sein wird, bietet sie dennoch die Gelegenheit, bisher kaum betrachtete Bedrohungen des eigenen Geschäftsbetriebes strukturiert zu betrachten und entsprechende Vorsorge in Form von Strategien aufzusetzen. Neben dem „Müssen“ steht also ebenfalls ein „Können“, da es sich zunächst um ein internes Informations-Management handelt, das entsprechend auch Möglichkeiten aufzeigen kann. Gleichzeitig geht es in erster Linie um die Herstellung einer Transparenz, um eine Transformation einleiten zu können. Die Praxistauglichkeit müssen die vorliegenden Regularien aber dennoch erst beweisen.

Hinweis: Die Veranstaltung wird nach den Sommerferien wiederholt – und zwar am 16. August (nördliche IHK-Region, Ort folgt) und am 26. August (IHK Hannover). Interessierte Unternehmen können sich hier dafür vormerken lassen

16. August (nördliche IHK-Region)
26. August (Hannover)

Fragen zum Thema beantwortet bei der IHK: Falko Lehmeier, Tel. 0511 3107-310, falko.lehmeier@hannover.ihk.de

 

 

 

 

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