Das große Interesse an der Wärmepumpe hat Stiebel Eltron in den letzten fünf Jahren Rekordumsätze beschert. Das Holzmindener Unternehmen feiert 2024 sein 100-jähriges Bestehen und investiert kräftig, auch wenn es gerade mit einer Nachfragedelle zu kämpfen hat.
Von Georg Thomas
Stiebel Eltron war schon immer seiner Zeit voraus: Vor einhundert Jahren war es ein revolutionärer Tauchsieder, den Firmengründer Theodor Stiebel entwickelte, und das Unternehmen groß machte. Heute ist es die Wärmepumpe, dank der – als mittlerweile wichtigstem Produktbereich – vor zwei Jahren erstmals mehr als 1 Mrd. Euro Umsatz erwirtschaftet wurde. Den Grundstein für diese erfolgreiche Entwicklung legte das Unternehmen, das in diesen Tagen das große Jubiläum feiert, bereits kurz nach der Jahrtausendwende. Im Jahr 2007 investierte Stiebel Eltron in zwei neue Produktionshallen in Holzminden, um dort im großen Stil Wärmepumpen herzustellen. Zu dieser Zeit setzte sich die Technologie, bei der mithilfe von Strom als Antriebsenergie Wärme aus der Umgebungsluft, dem Erdreich oder dem Grundwasser gewonnen wird, nachhaltig im Neubaubereich durch. Nicht einmal zehn Prozent aller damals in Deutschland verkauften Heizungen allerdings waren vor siebzehn Jahren Wärmepumpen.
Bereits kurz nach der Ölkrise im Jahr 1976 stellte das Holzmindener Unternehmen seine erste Wärmepumpe vor und behielt sie im Produktangebot, auch wenn sie jahrzehntelang ein echtes Nischenprodukt war. In großen Stückzahlen produzierte Stiebel Eltron damals vor allem elektrische Durchlauferhitzer und andere Geräte zur Warmwassererzeugung, die bis heute einen wichtigen Beitrag zum Ergebnis beitragen. Darüber hinaus baut das am 5. Mai 1924 von Dr. Theodor Stiebel in Berlin-Kreuzberg gegründete Familienunternehmen heute Lüftungsanlagen und Wohnungsstationen, die im Verbund mit einem zentralen Wärmeerzeuger die Funktionen einer Etagenheizung erfüllen. Den Großteil seines Umsatzes erwirtschaftet Stiebel Eltron aktuell jedoch mit Wärmepumpen, bei denen die Holzmindener sich selbst zu den fünf größten Herstellern in Europa zählen.
„Die Entscheidung, in die Wärmepumpe zu investieren, war damals außerordentlich mutig“, sagt Dr. Kai Schiefelbein, Vorsitzender der Geschäftsführung von Stiebel Eltron, heute. Und erklären lässt sie sich wohl aus der tiefen Überzeugung der damals handelnden Personen, dass es richtig ist, Abstand vom Verbrennen fossiler Energie zu nehmen, um damit Häuser und Wohnungen zu heizen. Einen großen Anteil am Erfolg der Wärmepumpensparte hatte auch der heutige Chef, der seit 1997 als promovierter Maschinenbauingenieur daran mitwirkte, die Wärmepumpen des Unternehmens weiterzuentwickeln. 1999 übernahm er die Leitung der Wärmepumpen-Entwicklung und wurde nach weiteren Stationen bei Stiebel Eltron – unter anderem initiierte er 2001 die Gründung der Vertriebstochter Tecalor – 2007 technischer Geschäftsführer der Gruppe. Seit Ende 2022 ist er Vorsitzender der Geschäftsführung der Unternehmensgruppe mit rund 6000 Beschäftigten weltweit – allein in Holzminden sind es etwa 2400 Menschen. Stiebel Eltron ist in den letzten Jahren vor allem durch das gestiegene Interesse an der Wärmepumpe gewachsen. Wie sehr, belegen die Zahlen: 2023 lag der Jahresumsatz bei rund 1,25 Mrd. Euro – im Fünf-Jahres-Vergleich ist das mehr als eine Verdopplung.
„In diesem Jahr dürfte das nicht mehr zu schaffen sein“, sagt Schiefelbein. „Es gibt in Deutschland nach dem Hin und Her beim Gebäude-Energie-Gesetz eine starke Verunsicherung und Zurückhaltung. Allerdings betrifft diese aktuell ganz Europa.“ Der Boom bei Wärmepumpen infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ist aktuell unterbrochen. Wegen der gesunkenen Nachfrage hat das mittelständische Familienunternehmen für ein Drittel seiner Beschäftigten am Stammsitz ab März Kurzarbeit angemeldet. Die Arbeitszeit der Betroffenen werde so verteilt, dass sie voraussichtlich an einem Tag der Woche nicht arbeiten. Aber Stiebel Eltron ist überzeugt, dass die Nachfrage bald wieder steigen wird, womöglich auch schon in diesem Jahr, spätestens aber 2025. „Und dann brauchen wir die Kapazitäten, in die wir jetzt investieren“, sagt Dr. Schiefelbein. Ziel ist es, bald 100000 Wärmepumpen pro Jahr herzustellen. Deswegen hat das Unternehmen auch an seinen Plänen festgehalten, Teile eines Continental-Standorts in Gifhorn zu übernehmen, um dort Wärmepumpen zu produzieren. In den nächsten drei bis vier Jahren will Stiebel Eltron 450 Mio. Euro allein in Deutschland investieren. Zusätzlich sollen 200 Mio. Euro im Ausland investiert werden. „Das ist schon Wahnsinn für einen Mittelständler“, sagt Kai Schiefelbein. Während praktisch alle Mitbewerber auf dem Wärmepumpen-Markt in Osteuropa produzieren und dort „massive Förderung“ erhalten, setzen die Holzmindener auf Deutschland. „Wir haben hier sehr gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mitdenken und mit ihren Ideen unsere Produkte oder unsere Fertigungsprozesse immer besser machen.“ Diese Überzeugung war auch ausschlaggebend für die Entscheidung, eine Fertigung im Braunschweiger Land aufzubauen. „Die Hallen sind alt, die Infrastruktur ist okay, und die Leute machen dort gute Arbeit“, sagt der Stiebel-Chef, der möglichst viele Beschäftigte von einem Wechsel überzeugen möchte. Das Unternehmen möchte in Gifhorn die nächste Generation von Inneneinheiten für Luft-Wasser-Wärmepumpen bauen, die mit Warmwasserspeichern aus Edelstahl ausgestattet werden. Dies spare unter anderem Gewicht, was in der Montage sehr vorteilhaft sei. Die Ressource Personal ist schließlich auch bei der Installation der modernen Wärmeerzeuger ein begrenzender Faktor, den das Unternehmen in seiner Entwicklung berücksichtigt. Stiebel Eltron lädt auch Handwerksbetriebe regelmäßig zu Workshops und Schulungen in sein eigenes Schulungszentrum ein. Bis zu 7000 Menschen kommen jedes Jahr in den 2015 nach neuesten Nachhaltigkeitskriterien gebauten Energy Campus, um beispielsweise Intensivschulungen zur Wärmepumpeninstallation zu besuchen. „Der Weg zu uns ist für manche vielleicht etwas weiter, aber die meisten Betriebe kommen gern – und wir verknüpfen das auch oft mit Werksführungen“, erklärt Schiefelbein.
Auch wichtige Fachkräfte kann Stiebel Eltron für sich gewinnen und von einem Umzug ins Weserbergland überzeugen. „Wir sehen uns als einen wichtigen Teil der Energiewende und sind daher auch ein attraktiver Arbeitgeber für junge Arbeitskräfte, denen es wichtig ist, etwas Sinnvolles zu tun und mit ihrer Arbeit etwas zu bewirken“, beschreibt es Kai Schiefelbein. Den Weg aus Berlin in die niedersächsische Provinz hat schließlich auch Stiebel Eltron – nach der Zerstörung des Berliner Werks im Zweiten Weltkrieg – erfolgreich vorgemacht.