Tilman Brunner kommentiert:
Eigentlich müssten sämtliche Alarmglocken schrillen. Gerade erst hat der Internationale Währungsfonds die Prognose für das Wirtschaftswachstum in Deutschland gesenkt. Vom Export aber, der so lange einen wichtigen Beitrag zur deutschen Wachstumsdynamik geleistet, sind aktuell keine Impulse zu erwarten.
Blickt man auf die internationalen Geschäftserwartungen der niedersächsischen Unternehmen für die nächsten zwölf Monate, so ergibt sich ein trübes Bild. Egal ob in der EU, in China oder in Südamerika oder in jeder anderen Weltregion, die Unternehmen erwarten eine weitere Verschlechterung ihrer Geschäfte, ausgehend von einer oft schon in der Gegenwart eher mauen Lage. Die einzige Ausnahme weltweit sind die USA. Dort erwarten auch die niedersächsischen Unternehmen, von der guten Konjunktur deutlich zu profitieren.
Ein wichtiger Grund für die negativen Erwartungen im Außenhandel ist der weiterhin zunehmende Protektionismus: 63 Prozent der gerade von den niedersächsischen Industrie- und Handelskammern befragten Unternehmen geben an, im vergangenen Jahr in ihren internationalen Geschäften mit neuen Handelshürden konfrontiert worden zu sein. Dieser Wert ist so hoch wie noch nie zuvor in der Befragung und führt den seit Jahren Trend zunehmender Schranken fort. Man muss sich klar machen, was das bedeutet: Es geht hier jeweils nur um die im Befragungsjahr neu geschaffenen Hemmnisse. Die in den Vorjahren neu geschaffenen sind in den meisten Fällen ebenfalls noch da. Plastisch gesagt: Jedes Jahr werden weltweit neue Ziegelsteine auf die Mauern wirtschaftlicher Abschottung gelegt.
Das ist aber nicht der einzige Grund für die schlechten Erwartungen – ein hausgemachtes Problem verschlimmert die Lage erheblich: 86 Prozent (!) der befragten Unternehmen geben an, in ihren internationalen Aktivitäten mit deutschen oder europäischen Vorgaben und Anforderungen kämpfen zu müssen. Konkret geht es hier um neue, ausufernde Berichtspflichten, um das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, den CO2-Grenzausgleichsmechanismus und ähnliche Bestimmungen, aber auch um Hürden bei der Exportabwicklung durch Exportkontrolle und ewig lange Bearbeitungszeiten beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).
Angesichts der schlechten Exportzahlen auf Abschottungsmaßnahmen anderer Länder zu deuten, ist also nur die halbe Wahrheit. Das Problem liegt genauso in Deutschland und in der EU. Und hier muss endlich angepackt werden, wenn der Export wieder ein Wachstumstreiber werden soll.
Zur Wahrheit gehört zwar auch, dass die EU sich mit großem Einsatz darum bemüht, dem Protektionismus entgegen zu wirken und neue Handelsabkommen abzuschließen, die den Handel mit einzelnen Zielmärkten erleichtern. Aber auch hier gewinnen die Freunde der Abschottung in zunehmendem Maße: Freihandelsabkommen, die nach Jahren endlich entscheidungsreif auf dem Tisch liegen, werden innerhalb der EU durch Einzelinteressen blockiert, obwohl die gesamtwirtschaftlichen Effekte eindeutig positiv wären.
Mit anderen Worten: um eine neue Exportdynamik zu erreichen, ist es keinesfalls ausreichend, auf eine weltweit anziehende Konjunktur zu hoffen. Vielmehr müssen die Grundlagen in Deutschland und in der EU geschaffen werden. Bürokratie und Berichtspflichten müssen drastisch eingeschränkt und abgebaut werden, wenn wir wieder konkurrenzfähig sein wollen. Und wir müssen viel schneller werden: Ein Jahr Wartezeit auf BAFA-Genehmigungen – so lange wartet kein Kunde auf die deutsche Ware! Die Konkurrenten aus anderen Ländern reiben sich die Hände angesichts der Fesseln, die wir uns selbst angelegt haben.