Im April kommt nicht allein der deutsche Forschungs- und Innovationsgipfel nach zehn Jahren in Berlin erstmals nach Hannover. Nur einen Tag später, am 23. April, hat der Niedersächsische Innovationsdialog Premiere: Teilnahme von Unternehmen ausdrücklich erwünscht. Die Hannover Messe bildet den Hintergrund für beide Veranstaltungen, und an beiden ist auch die VolkswagenStiftung beteiligt.
Wie sonst lässt sich die Zukunft gewinnen, wenn nicht mit Innovationen? So sehr dieser Satz nach Sonntagsrede klingt, so wahr ist er aber auch. Allerdings sind nicht nur die Herausforderungen gerade enorm, sondern die Bedingungen auch nicht gerade rosig. Und das insbesondere in Deutschland – das doch auf Technologie dermaßen angewiesen ist.
Wettrennen mit Gewichten an den Beinen
Was die aktuelle Situation gerade ausmacht, fasst Dr. Georg Schütte in drei Bereichen zusammen. Der Generalsekretär der VolkswagenStiftung nennt zunächst die planetaren Themen: Klimawandel, Biodiversität oder Pandemien. Gleichzeitig laufen, das ist der zweite Punkt, technologische Veränderungen mit einer Geschwindigkeit wie nie zuvor – Stichwort Künstliche Intelligenz. Was, nebenbei bemerkt, den Konkurrenzdruck massiv erhöht: Europa habe bei KI den Anschluss an die führenden Nationen schon weitgehend verloren, heißt es auf der Website des Gipfels für Forschung und Innovation, der in diesem Jahr erstmals nicht in Berlin, sondern zur Industriemesse in Hannover stattfindet.
Und Schritt zu halten mit anderen wird natürlich umso schwerer in einer ökonomischen Krise: Das ist der dritte Punkt aus Sicht des Wissenschaftsexperten Schütte, der seit 2020 an der Spitze der VolkswagenStiftung steht. Deutschland hat gerade mehr als andere Nationen damit zu tun, die wirtschaftliche Schwäche zu überwinden. Weltweite Krisen, dadurch ausgelöste Lieferkettenprobleme, zudem Bürokratie, Fachkräftemangel, knapper werdende Budgets für Wissenschaft, Forschung und Entwicklung – aber trotz alldem schneller laufen, um eine davoneilende Konkurrenz einzuholen? Die, wie China, erklärtermaßen auf Technologieführerschaft setzt? Das ist ein Wettrennen mit Gewichten an den Beinen.
Ein Silberstreif am Horizont?
Immerhin: Der Trend sinkender Patentanmeldungen scheint auch in Deutschland gebrochen. Nach Beginn der Corona-Pandemie Anfang 2020 waren die Zahlen mehrere Jahre rückläufig. Im vergangenen Jahr haben deutsche Unternehmen aber wieder mehr Erfindungen beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet: Knapp 38500 sind ein Plus von 3,4 Prozent. Getrieben wird das von der Automobilindustrie: Die zehn Unternehmen mit den meisten Anmeldungen sind allesamt Hersteller oder Zulieferer in diesem Bereich. Aber zurück zu den Sonntagsreden. Wurde doch früher bei solchen Anlässen, mit Schulterzucken und bedauerndem Lächeln, gerne daran erinnert, was alles in Deutschland zwar erfunden, aber eben nicht unternehmerisch verwertet wurde. Das kann sich die deutsche Wirtschaft, das kann sich die Gesellschaft insgesamt heute nicht mehr leisten.
Mehr Effizienz bei der Innovationsförderung
Notwendig ist einfach mehr Effizienz bei der Innovationsförderung. Genau dahin zielt der Niedersächsische Innovationsdialog am 23. April, dem zweiten Tag der Hannover Messe. Wie kriegt man den Brückenschlag – besser – hin zwischen Wissenschaft und Wirtschaft? Wie kommt mehr Forschung als bisher in die wirtschaftliche Anwendung? Welcher Rahmen ist dazu nötig? Darum geht es im Schloss Herrenhausen, und dazu haben sich mit Ministerpräsident Stephan Weil, Wirtschaftsminister Olaf Lies und Wissenschaftsminister Falko Mohrs auch Vertreter der niedersächsischen Landesregierung angesagt. Was die Bedeutung des Thema nur noch mehr unterstreicht.
Als Impulsgeber kommt Amir Banifatemi nach Hannover, der als Unternehmer und Investor daran arbeitet, junge Firmen zu unterstützen, die einen positiven Einfluss auf die Wirtschaft, aber auch gesellschaftlich haben. Auch Professor Dr. Peter H. Seeberger vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam wird sich beim Innovationsdialog damit beschäftigen, wie die Rahmenbedingungen für den Technologietransfer in Niedersachsen verbessert werden können. Mit dabei ist auch Anna Christmann, die Start-up-Beauftrage der Bundesregierung. Denn gerade die Start-ups – technologie- und wachstumsorientierte Gründungen, insbesondere aus den Hochschulen heraus – stehen beim Innovationsdialog besonders mit Mittelpunkt.
Hier hat Niedersachsen in den vergangenen Jahren ausgeholt. Aber bis zur Spitze ist noch Luft: Näher zum Beispiel an Berlin oder München heranzurücken, das wäre das Ziel, meint Georg Schütte im Vorfeld des Innovationsdialogs. Dabei setzt er darauf, dass Unternehmerinnen und Unternehmer zum Innovationsgipfel kommen. Um mitzureden, wenn es um den Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Wirtschaft geht. Aber auch, um zu sehen, was man tun kann: Denn staatliche Förderung allein wird es nicht richten, so Schütte. „Alle müssen an ein Strang ziehen.“
Aufbruchsstimmung gesucht
Er sucht eine Aufbruchsstimmung in der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, Forschung und Unternehmen. Der Innovationsdialog soll dazu beitragen – die Premiere ist aber ausdrücklich „ein Experiment“, wie der Generalsekretär der VolkswagenStiftung betont. Auf jeden Fall ist die Veranstaltung bewusst offen gehalten. Zwar muss man sich an diesem Nachmittag von der Messe lösen, aber die Teilnahme am Innovationsdialog ist frei und kostenlos. Anders als beim Forschungs- und Innovationsgipfel am Tag zuvor. Der nimmt vor allem das Thema Künstliche Intelligenz in den Blick. Und angesagt hat sich dazu auch Bundeskanzler Olaf Scholz. Veranstaltet wird der Gipfel vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, von der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, von der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), und geförde
rt wird er von der VolkswagenStiftung.
Dass es der Messe und der VolkswagenStiftung gemeinsam gelungen ist, den Forschungs- und Innovationsgipfel in die Hannover Messe einzubinden, unter[1]streicht die Bedeutung der weltweit wichtigsten Industrieausstellung als Technologietreiber. Wobei sich diese Bedeutung auch sonst in den Zahlen und The[1]men der Messe ausdrückt. Über 200 Forschungseinrichtungen, allein unter dem Stichwort Forschung & Entwicklung rund 600 Aussteller und Sonderpräsentationen. Und wenn die vergangenen gut zehn Jahre in Hannover von Industrie 4.0 geprägt waren, so ist es 2024 unvermeidlich die Verbindung von KI und Industrie.