Reicht die Reform oder was braucht es noch, damit die gezielte Zuwanderung von Fachkräften gelingt? Wir haben dies bei Arne Hirschner, Referent Fachkräftesicherung bei der IHK Hannover, einmal nachgefragt.
Wie schätzen Sie die Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes ein, wurden die gesetzten Ziele erreicht?
Arne Hirschner: Mit der Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes werden die Zuwanderungsmöglichkeiten auf der einen Seite vielfältiger. Andererseits erhöht sich die Komplexität gerade durch diese Vielfalt erheblich. Die neuen Regelungen erweitern zwar die Möglichkeiten der Erwerbsmigration, werfen aber gleichzeitig viele Anwendungsfragen auf. Wir merken schon jetzt, dass die Zahl der Anfragen von Unternehmen aufgrund der Novellierung derzeit deutlich steigt und die Unsicherheiten zugenommen haben. Ich hoffe, dass sich in der praktischen Anwendung viele Fragen klären und wir die Unternehmen durch die Prozesse begleiten können. Sie beraten Unternehmen, die Fachkräfte aus dem Ausland für sich gewinnen möchten.
Was sind die Wünsche der Betriebe?
Hirschner: Schon vor der aktuellen Reform haben die Unternehmen in der IHK-Konjunkturumfrage aus dem Herbst 2023 deutlich gemacht, woran es aus ihrer Sicht beim Thema Fachkräfteeinwanderung fehlt: Neben besseren Sprachkenntnissen wünschen sie sich eine Vereinfachung und Beschleunigung der bürokratischen Verfahrensregeln und eine bessere Unterstützungsstruktur, sprich Beratung und konkrete Hilfe im gesamten Prozess der Fachkräfteeinwanderung. Die IHK Hannover unterstützt hier mit ihrer eigenen Anerkennungsstelle bei der Anerkennung ausländischer Aus- und Fortbildungsabschlüsse für mehr als 250 IHK-Ausbildungsberufe und rund 50 Fortbildungen. Zusätzlich hat die IHK am 1. März eine Kooperationsvereinbarung unter anderem mit den Ausländerbehörden von Reg ion und Landeshauptstadt Hannover geschlossen, um für mehr Transparenz und schnellere Verfahren zu sorgen. Auch in anderen Regionen sind Kooperationen geplant. Als IHK werden wie Unternehmen weiter mit Veranstaltungen und über unsere Beratung informieren (LINK).
Was muss noch passieren, damit mehr Fachkräfte den Weg nach Deutschland finden?
Hirschner: Fachkräftezuwanderung ist nahezu unbestritten notwendig, aber kein Selbstläufer. An bürokratischen Verfahren, an mangelnder sozialer und beruflicher Integration auch der Angehörigen kann Zuwanderung jederzeit scheitern. Deshalb ist eine Willkommenskultur in der Gesellschaft, in Behörden und den Unternehmen selbst dringend erforderlich. Mit den Fachkräften kommen auch Anforderungen, die Unternehmen kennen und adressieren müssen. Beispielsweise kommt der Sprache eine Schlüsselrolle zu, nicht nur für die Einstellung, sondern auch für die spätere Integration im Unternehmen. Ein weiteres Hindernis ist oftmals die schwierige Wohnungssuche – bei beiden Themen sollten Unternehmen idealerweise unterstützen. Zwar interessieren sich viele der ausländischen Fachkräfte für Deutschland – aber eben nur als eine von vielen Optionen. Nur fünf Prozent der deutschen Unternehmen schreiben ihre Stellen auf Englisch aus. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat kürzlich weltweit 30000 repräsentativ ausgewählte Menschen zu ihren Erwartungen bei einer Bewerbung in Deutschland befragt. Etwa 60 Prozent der ausländischen Fachkräfte nannten als wichtiges Kriterium, dass das Land positiv gegenüber Einwanderern eingestellt sein sollte. Alle Erleichterungen durch die Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes sind also nutzlos, wenn es an der notwendigen Willkommenskultur und Kümmerern vor Ort fehlt. Nur mit ihnen ist es möglich, die Fachkräfte ins Arbeitsleben zu integrieren und auf Dauer im Land zu halten. Wenn Unternehmen diese Aspekte vernachlässigen, kann es schnell dazu führen, dass die ausländische Fachkraft das Unternehmen wieder verlässt.
Die Fragen stellte Georg Thomas.