„Die Industriegeschichte Niedersachsens ist noch nicht geschrieben.“ So steht es 1949 in einem Beitrag in dieser Zeitschrift über den vergessenen Wirtschaftspionier Carl Hostmann. Das war vor 75 Jahren.

Geändert hat sich seither wenig. Oder sagt Ihnen der Name Hostmann etwas? Zwar wurde die Geschichte einer ganzen Reihe von Unternehmen aufgearbeitet. Aber Niedersachsens Industriegeschichte insgesamt? Aufstieg und Fall ganzer Branchen, Strukturwandel, Industrialisierung: Wer kennt noch den Lindener Samt als prägendes Produkt der Mechanischen Weberei im Industrie-Vorort Hannovers? Oder weiß, dass die Stadt mal bekannt war als Zentrum der Geschäftsbuch-Druckerei? Das reicht bis in die vorindustrielle Zeit mit der Gründung heute noch bestehender Unternehmen: die Schlütersche Verlagsgesellschaft, die VGH mit ihrem Ursprung in der Landschaftlichen Brandkasse, mit den Vorläufern der Nord/LB, mit der Porzellanmanufaktur in Fürstenberg. Und in der Geschichte findet man dann auch endlich mal relevante Unterschiede zwischen Braunschweig und Hannover: kurfürstliche Wirtschaftsförderer dort, Landschaften hier.

Die Industrie-, die Wirtschaftsgeschichte Niedersachsens ist prallvoll, und sie steckt voller praller Geschichten. Aber Niedersachsen, das hört man immer wieder, ist spät dran bei der Aufarbeitung dieses Teil seiner Geschichte. Womit wir wieder am Anfang sind: Auch ein dreiviertel Jahrhundert, nachdem in der NW die fehlende Geschichtsschreibung beklagt wurde, klafft da eine Lücke.

Auch das Niedersächsische  Wirtschaftsarchiv in Wolfenbüttel gibt es noch nicht allzu lange, verglichen vor allem mit den Archiven im Rheinland und in Westfalen. Immerhin: Vieles an Material liegt aber auch in anderen Archiven oder in Museen. Noch genug zu tun also.

Übrigens: Carl Hostmann, ein Bankier aus Celle, legte den Grundstein für die spätere Ilseder Hütte, zusammen mit dem Gründer der IHK Hannover, Fritz Hurtzig. Für Hostmann allerdings endete die Sache tragisch, er starb über der zunächst gescheiterten Gründung und der Insolvenz seiner Firma. Aber ganz vergessen ist er also noch nicht. (pm)

 

Ursprünglich als Wirtschaftspolitisches Streiflicht, später in einer eigenen Rubrik „Streiflichter“: Glossen begleiten die Niedersächsische Wirtschaft von Anfang an und hatten schon in Vorgänger-Publikationen ihren Platz. An dieser Stelle finden Sie jeden Freitag eine Glosse in dieser Tradition.

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