Die Nord/LB erwartet für dieses Jahr für Deutschland ein BIP-Wachstum von 0,3 Prozent, für Niedersachsen einen Hauch darüber mit 0,4 Prozent. Diese Zahlen wurden Mitte Januar in Hannover veröffentlicht. Wenn man so will: Stagnation mit positivem Vorzeichen.
Alle Zahlen pendeln um die Null: Nur Stunden, bevor die Nord/LB ihre Prognose für das laufende Jahr veröffentlichte, meldete das Statistische Bundesamt im Rückblick auf 2023 für Deutschland ein Minus beim Bruttoinlandsprodukt von 0,3 Prozent. Das entspricht in etwa der Erwartung der Nord/LB. Für Niedersachsen bleiben die Konjunktur-Fachleute der Bank bei ihrer Einschätzung, dass unter dem Strich 2023 mit plus 0,2 Prozent ein leichtes Wachstum stehen wird. Und auch, wenn die verhaltenen Wachstumsprognosen für Deutschland und Niedersachsen tatsächlich so eintreten, bedeutet das: „Die deutsche Wirtschaft bleibt vorerst in der Stagnation gefangen“, wie Nord/LB-Chefvolkswirt Christian Lips sagte.
Die Automobilbranche sorgt für leicht bessere Zahlen
Das etwas bessere Abschneiden Niedersachsens im vergangenen Jahr liegt an der Wirtschaftsstruktur des Landes, erklärte Dr. Martina Noß, die den Research-Bereich der Nord/LB leitet. Der Fahrzeugbau, bei weitem größte Industriebranche in Niedersachsen, verzeichnete zwischen September 2022 bis September 2023 ein deutliches Umsatzplus. Auch die wichtigen Bereiche Maschinenbau sowie Nahrungs- und Futtermittel wuchsen. Dagegen haben energieintensive Branchen wie Chemie, Metall oder Papier und Pappe, die in diesem Zeitraum sämtlich sinkende Umsätze verbuchten, im Land weniger Gewicht.
Die Energiepreise gehören weiter zu den schwierigen Rahmenbedingungen, ebenso wie die weltweiten Krisen. Branchen mit hohem Energieeinsatz haben ihre Produktion stärker zurückgefahren als andere. Sie beurteilen ihre Geschäftslage schlechter als andere Industriezweige, und sie sind zurückhaltender bei geplanten Investitionen: Das hatte bereits die IHK-Konjunkturumfrage im Herbst gezeigt.
Weltwirtschaft ohne Dynamik
„Wir rechnen mit einer anhaltend schwachen Konjunkturdynamik“, sagte Nord/LB-Vorstand Christoph Dieng bei der Vorstellung der Prognose mit Blick auf die Weltwirtschaft. Hier erwartet die Bank ein Wachstum zwischen 2,5 und 3 Prozent. Im Wahljahr werde die US-Wirtschaft langsamer wachsen als 2023, und in China müsse man sich grundsätzlich an niedrigere Wachstumszahlen gewöhnen, so Dieng. Hinzu kommen weitere Risiken, etwa im Verhältnis der Volksrepublik zu Taiwan oder durch die US-Wahlen.
Die Nord/LB-Prognose zeichnet insgesamt ein fragiles Bild. Nachfrageschwäche und Arbeitskräftemangel machen sich als produktionsdämpfende Faktoren mehr und mehr bemerkbar. Die deutsche Wirtschaft steht weiter unter hohem Anpassungsdruck. Dieng wies auf die Entwicklung im Fahrzeugbau hin, wo die Chinesen in das Massengeschäft insbesondere mit Elektroautos drängen. Es würden derzeit eigens Transportschiffe gebaut, um Autos auch nach Europa zu verschiffen. Auf jeden Fall müsse seine Position im Luxussegment sichern, so der Nord/LB -Vorstand. Überhaupt sei die nach wie vor in vielen Ländern vorherrschende Einschätzung Deutschlands als effiziente, innovative und technologiefreundliche Nation ein wesentlicher Pluspunkt, machte er deutlich.
Warnsignale bei den Auftragseingängen
Gleichzeitig schwächeln die Investitionen, die für diese Anpassung erforderlich sind. In Niedersachsen verzeichnete das Verarbeitende Gewerbe rückläufige Auftragseingänge. Warnsignal laut Konjunkturexpertin Martina Noß: Bis September 2023 hätten die Auftragseingänge in jedem Monat unter denen des entsprechenden Vorjahresmonats gelegen.
Die Bauwirtschaft, lange eine verlässliche Säule der Konjunktur, wuchs in Niedersachsen nach den bislang vorliegenden Zahlen 2023 nur nominal. Impulse durch staatliche Ausgaben sind nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts fraglich geworden. Aus Sicht von Christian Lips ist unklar, ob das Konjunkturtal schon erreicht ist. Er wies darauf hin, dass der ifo-Geschäftsklimaindex nach kurzem Aufwärtstrend zuletzt wieder rückläufig war. Angesichts einer Situation mit Wachstumszahlen knapp über oder unter Null sollte man, so Christian Lips, das Konstrukt einer technischen Rezession – zwei aufeinander folgende Quartale mit schrumpfender Wirtschaft – „beiseite lassen.“ Gemeint wohl: Viel öffentliche Aufmerksamkeit bei gleichhzeitig geriner Aussagekraft, wenn schon leichte Veränderungen die Konjunktur ins Positive oder Negative drehen können.
Konsum als Hoffnungsträger
Hoffnung setzt die Nord/LB auf einen wieder erstarkenden Konsum angesichts rückläufiger Inflation und steigender Reallöhne und eines leicht verbesserten Konsumklimas. Aber auch hier können sich Konjunktursorgen bemerkbar machen. Auf der Habenseite steht auch der bislang stabile Arbeitsmarkt. Und aus Sicht der Nord/LB sind auch die Voraussetzungen für Zinssenkungen gegeben. Nord/LB-Vorstand Dieng erwartet Entscheidungen dazu frühestens ab Sommer.
Schneller werden und Arbeitskräfte gewinnen
Bei den Maßnahmen, die in dieser Situation erforderlich sind, um die Wirtschaft zu stützen, gibt es jedenfalls kein Erkenntnisproblem, machte Dieng deutlich. Weniger Bürokratie, schneller werden bei Planung, Genehmigung und Umsetzung: Das ist ein Bereich, Stichwort: Deutschlandtempo. Er nannte darüber hinaus Initiativen gegen den Arbeitskräftemangel, etwa durch ausländische Fachleute, die nach Deutschland geholt werden, oder auch Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen im Ruhestand. Wesentlich auch: eine Lösung für die hohen Energiepreise.
Kein Erkenntnisproblem zu haben, das heißt umgekehrt: Das Problem liegt in der Umsetzung. Dieng sieht zumindest einigen Maßnahmen auf dem Weg, etwa die von Ministerpräsident Stephan Weil beim IHK-Neujahrsempfang in Hannover genannte Liste zum Bürokratieabbau. Christian Lips wies auf die Notwendigkeit hin, Investitionen anzuregen: „Hier müssen wir die PS auch auf die Straße bringen.“ Im Bereich staatlicher Ausgaben sieht er das unabhängig von der Diskussion um die Schuldenbremse: Grundsätzlich sei es weniger entscheidend, woher das Geld kommt, um „sinnvolle“ Investitionen zu ermöglichen. Neben Krediten können man auch Mittel umverteilen oder für mehr staatliche Einnahmen sorgen.
Mit iener gewissen Zuversicht
Angesichts der aktuellen Nord/LB-Prognose gilt mit Blick auf die konjunkturelle Entwicklung auf jeden Fall ein Satz, den Christoph Dieng beisteuerte: „Eine gewisse Zuversicht sollte man immer haben.“