In einem trüben Konjunkturherbst verfestigt sich der Abwärtstrend der Wirtschaft in Niedersachsen. Auch bei der aktuellen Geschäftslage gibt es jetzt mehr schlechte als gute Bewertungen. Das ergab die aktuelle Konjunkturumfrage der niedersächsischen Industrie- und Handelskammern.

 

Der IHK-Konjunkturklimaindikator für Niedersachsen als zentrale Größe verlor zwischen Anfang Juli und Ende September nochmals zehn Punkte. Damit ist der Indikator, in den sowohl die aktuelle Geschäftslage als auch die Erwartungen einfließen, seit dem Frühjahr in zwei Schritten von 94 auf 75 Punkte gefallen und liegt damit deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt von 103.

Jedes zweite Unternehmen erwartet rückläufige Geschäfte

„Die Lage ist querbeet schlecht, es herrscht große Unsicherheit“, sagt Maike Bielfeldt, Hauptgeschäftsführerin der IHK Niedersachsen (IHKN).

IHKN-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt.

Erstmals seit der ersten Coronawelle 2020 übersteigen bei der Beurteilung der aktuellen Geschäftslage die negativen Stimmen (26 %) die positiven Rückmeldungen (20 %). Das, aber noch mehr die eher düsteren Aussichten sind für den Rückgang des Konjunkturklimaindikators verantwortlich: Nahezu jedes zweite Unternehmen rechnet inzwischen mit rückläufigen Geschäften in den kommenden Monaten.

Keine Impulse in Sicht

Eine durchgreifende Besserung ist nicht in Sicht, so die Worte von Maike Bielfeldt. Denn Impulse kommen derzeit weder aus In- noch aus dem Ausland. Im Gegenteil: Mit jetzt 49 Prozent rechnen in der Industrie noch einmal mehr Unternehmen als vor drei Monaten mit rückläufigen Auftragseingängen. Schlechter war dieser Wert nur während der Finanz- und Wirtschafskrise 2009 und zu Beginn der Pandemie. Damit zeigt ein wichtiger Frühindikator deutliche Schwächen. Und auch die Exporterwartungen und die Konsumneigung haben sich weiter abwärts bewegt.

Diese Entwicklung kratzt mittlerweile an der Substanz. Es wird weniger investiert, die Pläne der Industrie sind weiter auf Talfahrt und die aktuelle Stimmung ist noch schlechter als vor einem Jahr, als für den ersten Winter nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine ein akuter Gasmangel befürchtet wurde.

Das gilt noch einmal mehr für die energieintensive Industrie, also insbesondere Chemie, Glas, Papier oder auch Metallherstellung und -bearbeitung. Im Vergleich mit der Investitionsgüter-Industrie schneidet die Unternehmen mit besonders großem Energieverbrauch noch einmal deutlich schlechter ab.

Investitionsanreize gefordert

Zurückhaltung bei den Investitionen verbunden mit Produktionsverlagerungen ins Ausland: Insgesamt eine Entwicklung, die die Zukunftsfähigkeit des Standorts in Frage stellt, machte IHK-Chefin Bielfeldt deutlich und forderte klare Investitionsanreize und eine steuerliche Förderung. Entscheidend für die Unternehmen sei eine klare Perspektive: „Das Hü und Hott der Bundesregierung führt zu großer Verunsicherung, die in allen Branchen spürbar ist.“

Das spiegelt sich bei der Liste der größten Konjunkturrisiken. Im Sorgenkatalog der Unternehmen in Niedersachsen haben sich die wirtschaftspolitischen in den letzten drei Monaten ganz nach oben geschoben, noch vor dem Fachkräftemangel und der schwächelnden Inlandsnachfrage. In Zeiten wie diesen wünschten sich Unternehmen klare Entscheidungen, als Orientierung und Grundlage für das eigene Handeln – so die Einschätzung von Maike Bielfeldt.

Energiepreise: Dreiklang zur Entlastung

Wo es hakt, ist dabei keineswegs neu: Arbeitskräftemangel und in der Folge steigende Arbeitskosten, Bürokratie und Energiepreise sind unverändert die größten Hemmnisse für Unternehmen. Auch wenn dabei aktuell die Kosten für Strom und Gas in der Wirtschaft insgesamt nicht mehr ganz oben stehen, ist die Lage immer noch kritisch. Und bei den energieintensiven Unternehmen sorgen sich fast 90 Prozent um die Energiepreise.

Um hier eine Entlastung zu erreichen, setzen auch die Industrie- und Handelskammern in Niedersachsen auf einen Dreiklang, wie er von der IHK-Organisation insgesamt vertreten wird und der alle Unternehmen erreichen soll. Gefordert wird dabei zunächst, dass sowohl die Netzentgelte als auch die Stromsteuer gesenkt wird. Außerdem soll es Ausbau-Anreize für erneuerbare Energien und Förderung von Strompartnerschaften geben. In einem dritten Schritt soll dann, wo nötig und nach Beihilferecht möglich, weitere Unterstützung geben.

Kaum Positives – nur weniger schlimm

Die Antworten von rund 1800 Unternehmen in Niedersachsen zeichnen damit ein wenig farbenfrohes Herbstbild, so Maike Bielfeldt. Positive Aspekte? Eher Fehlanzeige. Allenfalls scheinen manche Faktoren sich weniger schlimm zu entwickeln, so lange man jedenfalls allein die Wirtschaft sieht und an dieser Stelle nicht auf das menschliche Leid blickt. Zwar sind die Befürchtungen wegen des russischen Angriffskrieges nicht mehr so unmittelbar wir vor Jahresfrist, aber die hohen Energiepreise sind geblieben. Die IHKN-Umfrage war bereits vor der Eskalation im Nahen Osten mit den Terroranschlägen auf Israel abgeschlossen. Bei aller Sorge um die betroffenen Menschen scheinen aber wirtschaftlichen Auswirkungen Niedersachsen zunächst eher wenig zu treffen: Israel ist zwar ein Lieferant von – insbesondere digitaler – Hochtechnologie, aber kein großer Wirtschaftspartner. Und die Rohstoff- und Energiemärkte seien bislang stabil, so der IHK-Konjunkturfachmann Dr. Mirko-Daniel Hoppe.

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