Jan Reicherdt (41) sitzt seit seiner Geburt im Rollstuhl. Und dennoch hat er im Frühjahr bei der IHK die Unterrichtung nach Paragraf 34a erfolgreich absolviert, um im Bewachungsgewerbe zu arbeiten.
Für ihn gibt es keine Barrieren. „Und wenn, dann bin ich eher eine für andere“, sagt Jan Reicherdt schmunzelnd. Der 41-Jährige sitzt nämlich im Rollstuhl. Und wenn alles gut läuft, könnte er bald auch beruflich anderen Menschen sagen, wo es langgeht. Vor wenigen Wochen hat er erfolgreich an der sogenannten Unterrichtung nach §34a in der IHK Hannover teilgenommen. Eine Grundvoraussetzung, um bald im Bewachungsgewerbe arbeiten zu können. Es ist mit größter Wahrscheinlichkeit die erste Unterrichtung eines Menschen im Rollstuhl in Hannover gewesen – eine Premiere für die IHK Hannover. Seit mehr als zehn Jahren hat Jan Reicherdt bei den Spielen des Eishockeyclubs aus der Wedemark bei Hannover schon ehrenamtlich als Ordner gearbeitet. Die Idee, dies auch beruflich zu tun, entstand aber erst vor einigen Monaten auf einer Jobmesse.
„Wenn ich ehrlich bin, konnte ich mir das zunächst nicht vorstellen, dass das überhaupt möglich ist“, sagt Mario Bermudo Roldán, Prokurist der Sicherheitsdienste Schmidt & Sohn GmbH aus Burgdorf. Aus einem positiven ersten Eindruck auf der Berufsmesse erwuchs ein längeres Treffen aus dem ein Probearbeiten wurde. Als Praktikant konnte Jan Reicherdt dann bei der Pferd & Jagd mitarbeiten, und den Bereich für Rollstuhlfahrende betreuen. „Dafür gab es sogar Lob für mich von einem Messevorstand“, erinnert er sich.
Seit Anfang Februar arbeitet er für die Sicherheitsfirma aus Burgdorf*, allerdings bislang als Social Media Manager. Für die Arbeit im Bewachungsgewerbe fehlt ihm noch die Bewacher-ID, die nach der absolvierten Unterrichtung vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ausgestellt wird. Das Wissen für die sozialen Medien hat er durch einen Lehrgang bei einer Industrie- und Handelskammer erworben. „Seit ich das für Schmidt & Sohn mache, ist die Zahl der Follower um rund 40 Prozent gestiegen“, sagt er.
Ziel: Arbeiten im Bewachungsgewerbe
Sein Kindheitstraum war es immer, einmal beim Radio oder Fernsehen zu arbeiten, am liebsten als Sportreporter. Aber inzwischen reizt es ihn viel mehr, bald auch die Aufgaben im Bewachungsgewerbe übernehmen zu können. Dass er auch die Sachkundeprüfung anstrebt, die ihm auch die Ausübung von anspruchsvolleren Wachtätigkeiten erlaubt, ist für ihn selbstverständlich. „Ich glaube, es ist schon ein wenig der Drang, es der Welt zu beweisen“. So lässt er es sich nicht nehmen, auch einmal aus seinem Rollstuhl aufzustehen, und mit seinen Orthesen und unter Schmerzen einige Schritte zu gehen. „Mein Ziel ist es, einmal um den Maschsee zu gehen.“ Mit seiner Einschränkung versucht Jan Reicherdt so normal wie möglich umzugehen. Hätte es die heutigen Behandlungsmethoden für den Offenen Rücken bereits zu seiner Geburt gegeben, hätte er deutlich weniger Beschwerden und säße womöglich nicht im Rollstuhl.
Jan Reicherdt hat schwierige Zeiten durchgestanden. Mehr als acht Jahre lang ist er arbeitslos gewesen. Und daher ist er umso glücklicher, jetzt eine Aufgabe gefunden zu haben, die ihn fordert und zugleich reizt.
*Jan Reicherdt hat uns wenige Wochen nach dem Gespräch mitgeteilt, dass er nicht mehr für das Unternehmen tätig ist. Er sucht eine neue Beschäftigung.